Foto: Pixabay-anatarate

Freiheit in Coronazeiten

In Zeiten von Corona wird das Thema Freiheit sehr virulent. Nicht nur politisch fühlen sich manche Menschen eingeschränkt, sondern viele auch privat. Sind diese Einschränkungen Freiheitsberaubung?

Was wird mir weggenommen?

Mir fehlen die Kontakte, Kulturveranstaltungen, die freie Bewegung in andere Länder, mein Urlaub ist hinfällig. Ich muss Maske tragen, wenn ich einkaufen gehe. Alle diese Umstände sind Auflagen in unserer Gesellschaft, damit wir sorgsam mit unserem Leben umgehen, das im Augenblick durch das Virus gefährdet wird. Nun kann ich abwägen, ob mir mein Leben und Überleben sowie das der anderen mehr wert ist als meine schon lange geplante Urlaubsreise. Bei dieser Überlegung geht es um Werte. Es geht zum Beispiel um den Wert der Solidarität mit anderen. Ich kann die Vorsichtsmaßnahmen ignorieren, um mich mit meinen Freunden auch ohne Maske zu treffen, die sich wieder mit anderen Freunden und Arbeitskollegen treffen. Ich wäre dann solidarisch mit ihnen, aber vielleicht nicht mit denen, die in meinem Umfeld leben und die ich anstecken könnte, wenn ich mir etwas einfange. Keiner weiß nämlich im Augenblick genau, ob nicht der eine oder die andere das Virus in sich trägt. Es ist unsichtbar und meist erst ohne Symptome.

Ich bin anderen auch verpflichtet

Jetzt wo wieder vieles geöffnet wird, strömen die Menschen in die Parks, die Fitnessstudios, die Restaurants, ans Meer. Als wäre Corona vorbei. Manche sogar ohne Maske. Es ist ihre freie Entscheidung, ob sie die Regeln missachten.
Was aber, wenn sie sich irgendwo dabei anstecken? Da sagt keiner, das war meine freie Entscheidung, sondern dann suchen sie nach Schuldigen, werfen ihnen vielleicht vor, zu früh geöffnet zu haben. Tragen die Demonstranten, die dicht an dicht ohne Mundschutz auf der Straße oder auch mit Schlauchbooten auf dem Wasser,  gegen die Vorgaben und Einschränkungen demonstrieren, die Verantwortung dafür, wenn sie sich bei einer der Demos anstecken? Diese dann wieder andere und so weiter? Nein, natürlich nicht, aber sie schreien dann lauthals nach den Schuldigen, wie sie auch gerade die Verursacher der Einschränkungen anprangern. Ihr Freiheitsverständnis ist fragwürdig.

Freiheit heißt Konsequenz

Freiheit heißt für mich, unter den Bedingungen, in denen ich mich vorfinde, meine Entscheidungen zu treffen für die ich hin stehen kann, aber immer auch mit dem Blick auf die Solidargemeinschaft.  Wenn ich mich auch bei begrenzten Möglichkeiten, wie wir sie gerade erleben, gegen die politischen Vorgaben entscheide, dann verletze ich nämlich die Freiheit der anderen. Wenn ich sage, dass ich keinen Mundschutz brauche, weil „das alles Quatsch ist“, muss der andere auch keinen tragen. Diese Menschen schließen sich aber aus der Gemeinschaft aus. Wenn Regeln vorgegeben sind, damit sie verbindlich eingehalten werden, müssen sie für alle gelten, so in der Ansprache von Söder: „dann brauchen sie auch eine Autorität, die das sicher stellt“. Wer sich aber an die Vorgaben, die zum Schutze aller da sind, nicht halten will, der muss woanders hingehen, muss auswandern oder was auch immer. Freiheit ist kein willkürlicher Wildwuchs. Freie Entscheidungen sind immer eingebettet in die Verantwortung für die Konsequenzen, die durch freie Entscheidungen verursacht werden.

Vorgaben müssen auf Werten basieren

Die Entscheidung unserer Politik, uns mit bestimmten Vorsichtsmaßnahmen, bis hin zur Maske für alle, zu schützen, hat ihren Ursprung in den Werten, für die unsere Demokratie steht. Nämlich den Wert: „Schutz und Würde“ des Einzelnen.
Diejenigen, die die Maßnahmen als Freiheitbeschränkung verstehen und sie nicht einhalten, boykottieren gerade unser Grundgesetz. Sie halten sich nicht an die für alle gültigen Regeln, die dem Schutz des Einzelnen dienen. Sie missachten mit ihrem Verhalten meine Gesundheit, weil sie dazu beitragen, dass sich Corona weiter ausbreiten kann. Sie gefährden die Allgemeinheit. Nur das umsichtige Verhalten von uns Mitmenschen untereinander ermöglicht in unserem Land, die Zahl der Infektionen zu reduzieren und damit auch andere, die zur Risikogruppe gehören, nicht in Todesgefahr zu bringen.

Was ich nicht will, das Du mir tust, das füg auch keinem andern zu

Freiheit heißt für mich nicht, machen zu können, was ich will, sondern die Freiheit des anderen so wie meine eigene zu achten und zu schützen. Ich brauche den Blick dafür, wo meine freie Entscheidung an die der anderen stößt, um auch meine persönliche Verantwortung zu begreifen. Denn ich lebe nicht auf einer Insel für mich alleine, sondern unter anderen Menschen, die von jeder meiner Entscheidungen mehr oder weniger betroffen werden, wie ich auch von deren Entscheidungen. Meine Freiheit ist nämlich erst gesichert, wenn sich auch die anderen an die Regeln halten. Deshalb sind gute Entscheidungen auch immer im Blick auf die anderen zu treffen. Denn nur wenn ich mit meinem Handeln auch die Freiheit der anderen sichere, kann ich erwarten, dass andere auch meine Freiheit achten. Freiheit ist ein hohes Gut, die uns die Entwicklung unserer Persönlichkeit wie ein weitestgehend unabhängiges Leben ermöglicht. Sie kann nicht wachsen, wenn die der anderen eingeschränkt oder sogar bedroht wird. Damit das Zusammenleben nicht bedroht wird, braucht es die größere Freiheit, dass ich die der anderen achte, denn nur wer selbst frei ist trägt zu meinem Glück bei. Wenn ich in einem ständigen Bedrohungsgefühl lebe, weil andere mir vielleicht auf der gleichen Fahrspur entgegenkommen oder keinen Mundschutz tragen, kann Freiheit nicht wachsen. Meine Freiheit gibt es nicht ohne die der anderen.

Kant sagt es philosophisch so: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ 


Kategorie: Analysiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang