Foto: hinsehen.net J. Mügge

Der Mensch ist das, wozu er sich macht

Ich mache mich selbst: Das klingt provokativ und fordert heraus, denn mit dieser Aussage werde ich in die Pflicht genommen, aus mir und meinem Leben etwas zu machen, was ich dann auch bis in die letzte Konsequenz zu verantworten habe. Stimmt das eigentlich? Bin ich so frei, dass ich über mein Leben entscheiden kann?

Schon Origines und Epiktet, Augustinus, später Fichte, Schelling, Hegel , Schoppenhauer....  haben sich mit dieser Konsequenz des Willens und der Freiheit beschäftigt. So sagt Schelling „das Wesen des Menschen ist wesentlich seine That“ Seine Freiheit ist deshalb das Wollen. Augustin sagt: „Was liegt so sehr in unserem Willen wie unser Wille selbst? Oder „ Nichts ist so sehr in unserer Macht, wie der Wille selbst“ Mit diesen Aussagen wird deutlich, dass ich mein „Wollen wollen kann“. Freiheit heißt dann, über mein Wollen zu entscheiden.

Der Wille ist in mir als Kraft wirksam

Wenn ich auf meinen Willen schaue, dann kommt er manchmal kraftvoll mit viel Energie daher, da kann ich ihn kaum bremsen. Er ist dann wie ein Sturm in meinem Haus zu spüren. Ideen, die mir durch den Kopf gehen, greift er auf und will sie am liebsten gleich in die Tat bringen. Stellt sich dagegen etwas quer, wird er unruhig. Da sich in mir auch ein Perfektionist aufhält, tischt dieser erst einmal alle Vorbehalte und Konsequenzen auf. Das tut er aber nicht ohne meinen Willen. Denn die Entscheidung, eine Idee vor der Umsetzung  wasserdicht zu machen möglichst viele Eventualitäten durchzuspielen, scheint ja auch in meinem Willen begründet zu sein.

Wille und Entscheidung

Der Wille braucht ein Ziel. Wenn ich weiß, wohin mein Weg führen soll oder wie ich eine Situation lösen kann, trifft mein Wille eine Entscheidung. Gibt es kein Ziel oder zu viele Möglichkeiten, dann taumelt auch mein Wille hin und her. Ich bleibe unentschlossen, weil ich mich ja falsch entscheiden könnte. Dann warte ich einfach ab oder sitze es aus. Vielleicht gibt es ja morgen eine andere Lösung für das Problem. Dieses Abwarten ist natürlich auch eine Entscheidung und wird von meinem Willen getragen. Ich will warten, weil ich mich nicht entscheiden will. Vielleicht gibt es noch etwas Besseres, vielleicht liegen aber auch noch nicht alle Argumente auf dem Tisch. Ich habe es in der Hand, meine Freiheit und damit meinen Willen zur Wirkung kommen zu lassen.
Schwierig wird es, wenn ich warte und warte. Irgendwann entscheiden dann andere über mich oder lassen mich außen vor. Ich bin dann der Will-kür ausgeliefert. Willkür ist aber die Kehrseite meiner Freiheit. Ich gerate dann in die Abhängigkeit von anderen, die über mich entscheiden oder bereits entschieden haben.

Erkenntnis und Wille

Der Wille braucht, um tätig zu werden, Erkenntnisse, die mir eine Entscheidung ermöglichen. Aber für die Suche nach möglichen Entscheidungen brauche ich ebenso meinen Willen. Er ist die Bedingung für die Gedanken, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Das muss ich aber wollen. Damit sich dann neue  Erkenntnisse in die Tat umsetzen können,  brauche ich wieder meine Willenskraft, denn ich kann Erkenntnisse liegen lassen. Auch das wäre meine Willensentscheidung. Allerdings würde ich meine Entwicklung und meine Freiheit willentlich blockieren.

Beispiel, dass auch im Alter Wollen gefordert ist:

Ich denke darüber nach, wie mein Leben mit zunehmendem Alter aussehen soll, welche Entscheidungen ich zur rechten Zeit treffen muss, damit es meine Entscheidungen sind und nicht andere entscheiden, wenn ich z.B. die Wohnung, das Haus nicht mehr in Stand halten kann oder eine Pflegefall werde. Damit ich an diesem Gedanken konzentriert dran bleibe und mich nicht ablenken lasse, brauche ich meinen Willen. Er muss sich damit auseinandersetzen wollen. Wenn er sich über dieses Thema keine Gedanken machen will, kann er die Aufmerksamkeit dafür verweigern. Er verdrängt die Gedanken oder lenkt mich ab. Will er sich mit diesem Gedanken beschäftigen, komme ich zu Erkenntnissen, die vielleicht ganz neu sind. Diese werden aber nur fruchtbar, wenn ich sie nicht liegen lasse, sondern in die Tat umsetze. Das erfordert wiederum meine Willenskraft.

Wille der Rote Faden

Unser Wille liegt anscheinend als kräftige Lebensenergie in unserem Urgrund. Dort, wo alles das versammelt ist, was wir zwar nicht sehen können, das aber uns im Innern ausmacht. Es ist eine Energie, über die ich mir selten Gedanken mache, obwohl ich gerade mit ihr den Roten Faden meines Lebens verfolge. In dieser Willensenergie liegt meine Freiheit tief eingepflanzt. Nutze ich sie nicht, beschränke ich mich unnötig.
Wenn ich diese Gedanken weiter denke, dann ist es mein Wollen, mit dem ich meinen Lebensraum, meine Lebensperspektive gestalte. Mit meinem Wollen setze ich meinen Daumenabdruck in die Welt.
Durch meine Willensentscheidungen richte ich mich auf bestimmte Ziele aus. Dabei geht es auch darum, welche Werte ich damit verwirklichen will. Ich kann nämlich zwischen Gut und Böse entscheiden. Dabei ist mir mein Gewissen eine gute Stütze. Es zeigt mir den Weg, mit dem ich das Gute verfolgen kann.

Das wird Thema des nächsten Beitrags: Wille und Gewissen

Link: Der Wille, Lebensenergie

Hinweis: Die Generation Z, also die Zwanzigjährigen, finden nur schwer zu ihrem Willen. In Kooperation mit weiterbildung live bietet hinsehen.net im Oktober eine Werkstatt an, nicht ohne Grund in der Provence. Hier weitere Informationen:  Neue Generation Z


Kategorie: Analysiert

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