Felsendom: Das älteste muslimische Moschee steht auf dem Temelberg in Jeruslam, nicht in Mekka Foto: hinsehen.net

Koran: Auch ein Kommentar zur Bibel

Bibel und Koran sprechen von Gott und vom Menschen, über Gut und Böse, gelingendes Leben, über Tugenden, über Himmel und Hölle. Was ergibt sich, wenn die Bibel auf den Koran trifft. Eine Gegenüberstellung zu Fragen des Lebens haben Angelika Winkler und Mouhanad Khorchide. Kommen sich beide Bücher näher?

Wer die Bibel im Religionsunterricht kennengelernt hat und den Koran liest, begegnet denselben Personen und dann auch den biblischen Berichten über die Schöpfung, Sündenfall, Letztes Gericht und Ewiges Leben. Der Titel des vergleichenden Buches "Bibel trifft auf Koran" hieße konkreter, Bibel trifft auf einen Kommentar von sich selbst. Genau so versteht sich der Koran, jedoch nicht nur als Auslegung, so wie der Römerbrief, der Hebräerbrief und viele andere Erklärungen späterer Jahrhunderte sich sowohl auf die Bibel der Juden wie das Neue Testament beziehen. Beim Durchblättern und Lesen klingen die Texte aus Bibel und Koran, die beide kommentieren, ähnlich. Koran wie Bibel geben für die Lebensgestaltung vergleichbare Hinweise und Regeln. Zu jedem Thema wird jeweils ein Text aus der Bibel bzw. dem Koran ausgelegt.

Korrektur der Irrtümer im Alten und vor allem Neuen Testament

Der Koran will jedoch mehr, er versteht sich als Offenbarungsschrift, die die Irrtümer in den beiden Testamenten ausräumt. Der Leser der Auslegungen von Winkler und Khorchide könnte als Versprechen verstehen, ein tieferes Verständnis der Bibel wie des Koran zu gewinnen. Jedoch bleiben die jeweilige Auslegungen zu einem Thema nebeneinander stehen. Der Leser kann somit auswählen, welchem Buch er folgen will. Da der Islamwissenschaftler Khorchide sich um eine in Europa akzeptierte Interpretation des Korans bemüht, kommen sich beide Auslegungen meist sehr nahe, sogar in der Frage der Homosexualität. Da der Koranausleger wie die Theologin sich auf die gleiche Stelle im Alten Testament beziehen, folgern beide, dass die Bewohner von Sodom Gäste vergewaltigten, um diese zu erniedrigen. Daher sei die liebevolle homosexuelle Beziehung nicht gemeint, wenn das Alte Testament Homosexualität verurteilt. Auch in dieser schwierigen Frage trifft die Interpretation für einen Islam zu, der sich der Idee der Menschenrechte und der Toleranz zwischen Religionen verschrieben hat. Jedoch können muslimische Theologen den Koran auch anders interpretieren, wenn sie nämlich die in Medina entstandenen Suren heranziehen, als bewaffnete Auseinandersetzungen eine Rolle spielen. Khorshide bezieht sich fast nur auf Suren aus der Zeit, als der Prophet in Mekka nur predigte. In Medina wurde er zum Anführer bewaffneter Anhänger. Auch im Alten Testament gibt es starke Tendenzen der Abgrenzung, die bewaffnete Auseinandersetzungen zur Folge haben. Im Neuen Testament ist mit Jesus den Christen ein ausdrücklicher Gewaltverzicht aufgegeben. Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung und zur Durchsetzung der „wahren Religion“ ist im Islam nicht geklärt, unter Christen auch nicht, wie die Rechtfertigung des Angriffs auf die Ukraine durch den Moskauer Patriarchen zeigt. Allerdings ist das Neue Testament eindeutig, so dass sich der Moskauer Patriarch nicht auf Jesus berufen kann.

Der Koran hat widersprüchliche Aussagen

Wenn Khorchide sich vor allem auf die Suren bezieht, die in Mekka entstanden sind, folgt er einer kleinen Gruppe von Auslegern, die sich für das Gesamtverständnis des Korans an diesen Texten orientieren und die in Medina entstandenen nicht zum Kern der muslimischen Theologie zählen. Die Mehrheit der Theologen folgt jedoch der Auffassung, dass die jeweils spätere Textstelle die vorausgehende relativiert und sogar korrigiert. Zumindest soll der Koran insgesamt von den späteren Suren aus interpretiert werden. Es trifft also der spätere Koran auf die in Mekka entstandenen Textteile. So u.a. der maßgebende Kommentator at-Tabari im 10. Jahrhundert

Bibel und Koran beziehen sich auf den gleichen Gott

Wenn die "Bibel auf den Koran trifft", dann ist die entscheidende Frage, ob beide Bücher den gleichen Gott verkünden. Der Koran tut das ausdrücklich. Sogar das Wort "Allah" leitet sich von der alttestamentlichen Benennung Gottes, Elaohim, her. In vielen Namen wird Bezug zu "El" hergestellte so in El-ias oder Dani-El oder Micha-El. Mit dem Alten Testament betont der Koran die Einigkeit Gottes. "Gott darf nichts beigesellt werden" ist das zentrale Gebot. Aus der Sicht des Korans muss daher die göttlichen Natur Jesu abgelehnt werden.

In Jesus treffen Bibel und Koran zentral zusammen

Entscheidend ist die Bedeutung Jesu. Dazu fehlt ein Kapitel in „Bibel und Koran“. Der Koran will in dieser entscheidenden Frage das Neue Testament korrigieren. Er erklärt Jesus zum zweitwichtigsten Propheten nach Mohammed. Er ist nicht mehr Heiland, der in seiner Person Erlösung bringt. Hier liegt ein bedeutsamer theologischer Konflikt. In seinem strikten Monotheismus und in der Zielrichtung, den Polytheismus der arabischen Stämme zu überwinden, wird es zur schweren Verfehlung, Gott etwas oder jemanden "beizugesellen". Das machen aber die Christen, indem sie sagen, der gottgleich Sohn sei Mensch geworden. Glücklicherweise ist diese theologische Differenz nicht virulent. Christen müssen jedoch davon ausgehen, dass Muslime diese unterschiedliche Zuordnung Jesu kennen. In ihrem Verständnis verletzten Christen die zentrale und, da im Koran stehend, letztgültige Bestimmung Allahs. Sie müssen davon ausgehe, dass die Jesus-Anhänger die Einzigartigkeit Gottes nicht anerkennen und sie Gott nicht angemessen verehren. Von den Autoren hätte man gerne erfahren, wie sie mit diesem entscheidenden Zusammentreffen umgehen. Der Koran bezieht sich auf den Gott, der Abraham berufen und in dessen Auftrag Moses die Nachkommen Jakobs aus Ägypten herausgeführt hat. Jesus hat sich ebenso wie Moses auf den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs berufen, sich aber als dessen Sohn bezeichnet.

Jesus starb nicht am Kreuz

Wenn der Koran auf die Bibel trifft, gibt es einen weiteren theologischen Konfliktpunkt, der zu einer sehr anderen Gottesvorstellung führt. Für den Koran ist es unvorstellbar, dass Allah seinen Gesandten zu Tode kommen lässt. Auch wenn der Koran das nicht eindeutig feststellt, sind die Muslime davon überzeugt, dass jemand anderes gekreuzigt wurde und Jesus eines natürlichen Todes wie auch Mohammed gestorben ist.
Das Buch weicht auch dieser zentralen Frage zwischen Islam und Christentum aus, indem es Mohammed nicht Jesus gegenüberstellt. Damit fällt auch die zentrale Bedeutung der Erlösung aus. Sie wird von der christlichen Theologin nicht mit dem Kreuzestod Jesu in verbindunggebracht. Im Koran wird die Erlösung bereits im bereits beim Sündenfall abgehandelt.

Der Heilige Geist wird zum Erzengel Gabriel

Ein dritter, für die christliche Spiritualität bedeutsame Tatsache ist die Wirkung des Geistes Gottes. Die Apostelgeschichte handelt von seinem Wirken in der jungen Kirche. Wegen des strikten Monotheismus gibt es keine vergleichbaren Passagen im Koran. In der muslimischen Theologie wird der Geist mit dem Erzengel Gabriel identifiziert.

Die drei Themenbereiche Gottheit Jeus, Hinrichtung am Kreuz, Wirken des Heiligen Geistes beziehen sich auf den Titel, der eigentlich erwarten lässt, dass in diesen zentralen Fragen das Aufeinandertreffen entfaltet wird
Das besagt jedoch nicht, dass die einzelnen Kapitel nicht lesenswert sind. Die Auslegung der biblischen Texte bewegt sich in dem von der Exegese entwickelten Verständnis. Die Auslegung der Koransuren kommt dem neutestamentlichen Verständnis nahe, ist allerdings wie der Autor auch an mehreren Stellen schreibt, die Sicht einer kleinen Gruppe muslimsicher Theologen. Das dürfte nicht unbedingt das sein, was in den Moscheen gepredigt wird.

 Zu den biblischen Wurzeln des Korans:

Den Koran von der Bibel her interpretieren: In der 3. Sure findet sich eine Aufzählung der Propheten, die mit Jesus endet. Ausdrücklich sagt diese Sure, besonders auf ihn zu hören. Dann wäre der Koran von der Bibel her zu verstehen. Der Dialog mit dem Islam kann auf solidere Füße gestellt werden. Hier zum Weiterlesen

Islam-Christentum Der Islam ist wie das Christentum in die Vorstellungswelt der Bibel der Juden hineingeschrieben. Die innere Welt des Korans hat sich in der Auseinandersetzung mit Judentum und Christentum entwickelt. – Das erste repräsentative Gebäude des Islam, der Felsendom, steht auf dem Jerusalemer Tempelberg, von wo Mohammed seine Himmelsreise antrat. Hier zum Weiterlesen

 

 


Kategorie: Gelesen

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