Foto: Der Felsendom auf dem Jerusalemer Tempelberg Foto: hinsehen.net

Islam - Christentum

Der Islam ist wie das Christentum in die Vorstellungswelt der Bibel der Juden hineingeschrieben. Die innere Gedankenwelt des Korans hat sich in Auseinandersetzung mit Judentum und Christentum entwickelt. Jesus wird nicht nur im Koran als von Allah selbst als sein beauftragter Prophet benannt, das erste repräsentative Gebäude steht auf dem Jerusalemer Tempelberg, von wo Mohammed seine Himmelsreise antrat.

Die Vorstellungswelt der Bibel liegt dem Koran zugrunde

In Bezug auf die christliche Bibel, das Neue Testament, ist der Koran zugleich Bestätigung und Kritik. Einerseits wird Jesus als der nach Mohammed größte Prophet bezeichnet, zum anderen werden die Aussagen über Christus, vor allem dass er Gottes Sohn sei, als Verfälschung kritisiert. Der wahre Zugang zu Jesus wird demnach durch den Koran vermittelt.

Der Islam entwickelte sich in Ländern, in denen die Christen noch lange die Mehrheit bildeten. Sie genossen einen besonderen Status. Auch die Juden als eine Gruppe, die eine Schrift zur Grundlage ihrer Existenz hat, waren Bürger der von den Kalifen beherrschten Länder. Die aus Spanien vertriebenen Juden wurden von den Sultanen aufgenommen. Auch während der Judenverfolgung in Deutschland fanden Juden Aufnahme in der Türkei. Auf der einen Seite als ein Neben- und Miteinander, auf der anderen Seite kennt der Islam Verfechter einer strikten Trennung, so Ibn Taimiyyah im 14. Jahrhundert.

Das Verhältnis Europa - Naher Osten

Bei der Begegnung mit dem Islam stößt Europa auf eine Reaktion, die erst einmal schwer einzuordnen ist. Während nämlich Europa den Islam als kämpferisch erlebt, spielen bei den Muslimen die koloniale Vergangenheit wie die Kriegshandlungen in Afghanistan, im Irak und in Syrien eine bestimmende Rolle. Man fühlt sich vom Westen unterworfen und damit in seiner Selbstachtung getroffen. Das ist auf dem Hintergrund nicht nur der politischen und militärischen Macht islamischer Reiche zu sehen, sondern auch im Blick auf die großen kulturellen Leistungen der muslimisch geprägten Länder. So muss die politische Entwicklung in der Türkei auch als eine Bewegung verstanden werden, das Land zu früherer Größe zurückzuführen. Das erklärt die Zustimmung zur jetzigen Präsidentschaft.

Ein vielfältiges Bild des Islam schon im Koran

Der Islam erscheint auf den ersten Blick als eine in sich homogene und konsistente Sicht des Menschen und seiner Bestimmung. Beim zweiten Blick löst sich aber die Eindeutigkeit auf. Für das Verhältnis zu Judentum und Christentum ist davon auszugehen, dass Mohammed den von Juden und Christen verehrten Gott mit Allah identifiziert. Da jedoch sowohl Juden wie Christen die „Wahre Lehre“ verfälscht haben, musste die ursprüngliche Religion Abrahams wieder hergestellt werden. Deshalb gilt der Koran für die Muslime als die abschließende und damit endgültige Aussage über Gott, seine Beziehung zur Schöpfung und die ewige Bestimmung des Menschen. Daraus ergibt sich gleich eine erste Frage:

Juden - Christen – Muslime: Beten sie zum selben Gott?

Nicht wenige Christen sind davon überzeugt, dass Allah nicht der Gott ist, den Jesus mit Abba, Vater angesprochen hat. Für den Koran beten Juden und Christen jedoch zum dem gleichen Gott wie die Muslime. Ausdrücklich erfolgt nach der 20. Sure die Berufung und Beauftragung von Moses durch Allah. Jesus ist wie in der Bibel ohne irdischen Vater geboren, so in Sure 19, und gilt nach Mohammed als der bedeutendste Prophet, Suren 4+5. Gott ist wie in der Bibel der Schöpfer, am Ende der Zeit wird es ein Gericht geben, den Gläubigen ist das Paradies versprochen. Aus der Sicht des Korans gibt es bei den Juden wie bei den Christen erhebliche Abweichungen von der ursprünglichen Offenbarung. Als größte Abweichung gilt die Behauptung der Christen, Jesus sei der Sohn Gottes. Das ist aus Sicht des Korans schon deshalb nicht möglich, weil Gott einzig ist und die schwerste Sünde darin besteht, „Gott jemanden beizugesellen“. Daraus entsteht aber mit Notwendigkeit die Frage, ob Gott etwas beigesellt wird, wenn der Koran mit Gott identifiziert wird. Wie soll die zentrale Schrift des Islam gelesen werden:

Koran: Wort Gottes oder Wort des Propheten

Der Koran ist für den Muslim maßgebend, die gleiche Bedeutung hat die Bibel für den Juden wie für den Christen. Jedoch ist der Zugang zum Verständnis abhängig von dem Status, den das Buch in der jeweiligen Gemeinschaft der Muslime hat.
Für den gläubigen Muslim ist der Koran nicht die Botschaft, die Mohammed vernommen und dann aufgeschrieben hat, sondern direktes Wort Gottes, für das Mohammed die Funktion eines Kanals hat. Da der Koran, anders als die Bibel, kaum von Ereignissen erzählt, sondern allenfalls auf diese verweist, indem er den Leser direkt mit den Worten Allahs anspricht, gibt es auch weniger Spielraum, einen Vers verschieden zu interpretieren. Allerdings entstehen im  Vergleich der Aussagen verschiedener Suren erhebliche Unterschiede über die Geltung von Gesetzen, das Verhältnis zu Juden und Christen und über die Notwendigkeit, mit militärischen Mittel für die Sache Allahs einzutreten.
Für die Juden wie die Christen ist die Bibel Wort von Menschen, in dem jedoch die Botschaft Gottes erkannt werden kann. Im Unterschied zu diesem Schrift-Verständnis entsteht im Islam ein theologisch-philosophisches Problem, das in der kulturellen Blütezeit dieser Religion bis ins 13. Jahrhundert diskutiert wurde, nämlich ob es etwas Göttliches außerhalb Gottes geben kann. Denn wenn der Text des Korans „göttlich“ ist, dann gibt es ja etwas in der Hand des Menschen, das eigentlich nicht Gott sein kann. Bereits im Judentum und dann noch deutlicher im Christentum ist das „Wort“, das Gott ausspricht, eben nicht Gott selbst, sondern in der jüdischen Bibel die Weisheit, in der christlichen Bibel der Sohn. So einfach und gradlinig der Koran konzipiert ist, es entstehen sofort Fragen, wenn es Nicht-Göttliches, eben die Welt und den Menschen gibt, die von Gott geschaffen wurden und von ihm vollendet werden.

Koran: Gottes Wort in Menschenwort

Die Identifizierung des Korans mit dem Wort Gottes lässt keine historisch-literarische Beschäftigung mit dem Textcorpus zu. Jedoch gibt es an den Islam Fakultäten das wissenschaftliche Herangehen an den Koran. Inzwischen ist auch in Tunesien eine kritische Ausgabe des Korans erarbeitet worden, die Varianten der Überlieferung in den Anmerkungen anführt und auch ermöglicht, die Entstehungsgeschichte des heutigen Textes nachzuvollziehen.
Die jüdische Theologie geht mit der auch für sie von Gott geoffenbarten Schrift so um, dass es jeweils an die jetzige Zuhörerschaft gesprochen wird. Ein Vers sollte 70 verschiedene Auslegungen haben. Das Christentum stellt die Person Jesu in den Mittelpunkt, um ihr gerecht zu werden, gibt es bereits 4 Evangelien. Mehrere Texte des Neuen Testaments sind bereits Interpretationen des Lebensschicksals Jesu und seiner Botschaft.
Ein anderer Zugang, den Koran nicht als unmittelbares Wort Gottes, sondern als Wort des Propheten auszulegen, findet sich u.a. in dem Buch des Ägypters Hamed Abdel-Samad. Der Koran, Botschaft der Liebe, Botschaft des Hasses. Dieser Sohn eines Imams erklärt den Koran aus der Biographie des Propheten Mohameds. Das Thema Gewalt findet sich erst in den späteren Suren, die in Medina entstanden sind. Da der Koran die Suren nicht in der Reihenfolge ihrer Entstehung, sondern entsprechend ihrer Länge ordnet, stehen für den Leser sehr unterschiedliche Aussagen zur Gewalt nebeneinander. Abdel-Samad sieht in der Biographie Mohammeds eine deutliche Hinwendung zur Anwendung der Gewalt, als dieser nicht mehr wie in Mekka als Prediger auftrat, sondern in Medina die politische Führung übernehmen konnte.

Das Bild des Propheten

Es sind von Mohammed viele Darstellungen entworfen. Er kann als religiöser Mensch herausgestellt werden, weil er viel Zeit im Gebet verbrachte, mehr als die 5 Gebetszeiten, die für den Muslim vorgeschrieben sind.
Anders sieht ihn der politische Islam, nämlich  als den erfolgreichen Stammesführer

Jesus im Koran

Eine sorgfältige Arbeit über Jesus im Koran wurde von einem katholischen und einem muslimischen Theologen vorgelegt Mouhanad Khorchide, Klaus v. Stosch, Der andere Prophet, Jesus im Koran    
Auf nur einige Ergebnisse dieser Studie sei hingewiesen:
1. Jesus verliert sein Rolle als Erlöser und wird nach Mohammed zum wichtigsten Propheten
2. Wie in der Bibel wird Jesus jungfräulich geboren, indem Allah ihn wie Adam erschafft.
3. Anders als in der aktuellen Predigt des Islam kann im Koran keine Stelle aufgezeigt werden, nach der Jesus durch Gott vom Kreuzestod bewahrt wurde, vielmehr scheint der Koran seinen Tod in Jerusalem vorauszusetzen.
4. Allerdings umgeht der Koran das Kreuz.

Verhältnis Gottes zu seiner Schöpfung

Zwischen Christentum und Islam gibt es eine weitere Differenz. Es geht grundsätzlich darum, wie Gott sich zur Welt verhält und wie er seine Macht ausübt. Oben wurde schon darauf hingewiesen, dass der Koran zwar nicht den Kreuzestod Jesu infrage stellt, jedoch die zentrale Bedeutung des Kreuzes nicht aufgreift, nämlich dass Gott durch Machtverzicht göttliche Macht ausübt.
Für beide Religionen gilt: sie sehen Gott nicht als Teil der Welt. Deshalb kann der Mensch nicht sagen, wie Gott sich letztlich zur Welt verhält. Für beide ist jedoch die Barmherzigkeit Gottes die Beziehung, auf die der Mensch vertrauen kann.

Diese kurzen Skizzen ihrer religiösen Welt sind für das Verständnis der Muslime deshalb wichtig, weil sie, anders als die Bewohner westlicher Demokratien, nicht nur sehr viel stärker durch die Religion geprägt sind, sondern auch den muslimischen Staat als eine Stiftung Gottes verstehen. Die gewünschte Integration ist deshalb nicht so einfach möglich, vor allem die Anerkennung einer Verfassung, die von Menschen gemacht ist. Für viele Muslime sind die größeren Freiheitsräume westlicher Gesellschaften verlockend, für andere bedrohen sie nicht nur deren religiöse Identität, sondern auch ihr Verständnis von Staat und Gesellschaft. 

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