Foto: Jutta Mügge

Glaube, der reift - Spiritualität im Alter

Leo Karrer schreibt von seinem eigenen Älterwerden, von der Dankbarkeit, die er für das Geschenkte in seinem Leben empfindet. Er nimmt Bezug zu der jetzt freien Zeit für Dinge, zu denen er früher nicht gekommen ist. Er spürt aber auch die gesellschaftliche Stellung der Senioren, nicht mehr zu den Stoßtrupps der Zukunft zu gehören.

Geburt und Sterben

Im Alter tauchen immer wieder Fragen an das Leben und den Tod auf. Er sieht das Sterben als einen lebenslangen Prozess, der ihn schon in jungen Jahren beschäftigte. Sterben zu verstehen als Abschiednehmen in den verschiedenen Phasen des Lebens. Sich in jedem Altersabschnitt in ein neues Werden einüben. Er greift auf Karl Rahners Aussage zurück, Leben ist „lebenslange Geburt die im Sterben zur Erfüllung kommt“. Dieser ist keine Überraschung wir können uns darauf vorbereiten. Er sieht aber auch, dass der Tod eine ungeheuerliche Zumutung und Herausforderung darstellt.

Die 3. und 4. Lebensphase

Im Blick auf die gesellschaftliche Stellung der Alten beschreibt er die unausgeglichene Balance, die Pyramide der vielen Alten und wenigen Jungen,  und der Konsequenzen. Wie werden die Jungen mit den Alten umgehen? Er selbst sieht sich zwischen dem 3. und 4. Lebensabschnitt. Sie unterscheiden sich weniger im großen Altersabstand, sondern eher in der unterschiedlichen Möglichkeit, noch aktiv zu sein. In der 3. Lebensphase, also nach dem Renteneintritt, haben viele noch die Kraft, sich ehrenamtlich zu betätigen, die Aufgaben als Großeltern wahrzunehmen, sich  in Vereinen und Kirchengemeinden persönlich zu engagieren. In der 4. Lebensphase ändert sich das in ein Angewiesensein auf andere. Da ist es wichtig, sich auf gute Nachbarschaft, Familie, Freunde beziehen zu können, um nicht in der Einsamkeit zu versinken. Dabei ist auch die eigene Spiritualität hilfreich. Für ihn hat Altersspiritualität und Unterwegssein mit anderen einen großen Stellenwert, um der Altersweisheit ein wenig näher zu kommen und die Vereinzelung und Vereinsamung zu verhindern. Er sieht aber auch die Verluste von Zugehörigkeit zu dieser Kirche, die Sehnsüchte die sich nicht mehr beheimaten können. 

Zu wenig Spiritualität der Kirche

Da gibt es auch Kritik an der Kirche, wie sie mit den Erwartungen nach spirituellem Hunger umgeht, nicht nur bei den Alten, sondern auch im Besonderen bei den Jungen. Überhaupt stellt er viele Fragen an das Leben. Christliches Leben ist zunehmend in Frage gestellt. Karrer versucht, in tiefere Dimensionen vorzudringen, zu beschreiben, wie Christsein zu Sinnerfüllung, Friede und Freude führen kann. Er beschreibt am Leben Jesus, wie es für unser Leben und im Besonderen für das Werden im Alter und die Auseinandersetzung mit dem Sterben gelten kann. Hoffnung ist sein Stichwort mit Blick auf Jesus. Das Ostergeschehen deutet er in einem besonderen Licht neu, stellt Fragen, die nachdenklich machen.

Alterskultur

Im vorletzten Kapitel seines Buches geht er auf die Alterskulturen ein. Er gibt viele Anregungen, sich beweglich zu halten und dem sozialen Anspruch eines Christen gerecht zu werden. Er greift die Problematik der Sterbehilfe auf, die er kritisch sieht. Die Gefahr des willkürlichen Umgangs  sei schon heute zu beobachten. Es sei unter anderem eine Frage der Würde, die eine aktive Sterbehilfe stellt. Er weiß um die Not von Sterbenden und plädiert für Hilfe beim Sterben statt für Hilfe zum Sterben.

Das Zeitliche hinter uns lassen

In seinem Letzten Teil greift er den Satz auf das "Zeitliche segnen". Er entwickelt daraus die Hoffnung, dass unsere begrenzte Zeit in einem ewigen Jetzt zu sich selber heimkehrt. Das Jetzt ist nicht als vergänglich zu verstehen, sondern als Erfahrungsdimension, die nicht verloren geht, die in etwas Größerem aufgehoben ist.
Das Buch stellt viele Fragen, die den Leser nachdenklich machen, die ihm aber auch in der Reflexion seines eigenen Lebens hilfreiche Orientierung sein können. Der Leser bekommt keine simplen fertigen Antworten aufgetischt, sondern lernt sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, sie zuzulassen, um mehr vom eigenen Leben zu verstehen. Das Buch ist verständlich geschrieben, lässt sich trotz des tiefgehenden Themas leicht lesen. Es spricht die tiefen Schichten in uns an, die im Alltag allzu schnell übergangen werden. Besonders schön zu lesen sind die biografischen Abschnitte.
Praktische Beispiele im 2. Teil des Buches geben suchenden Rentnern neue Anregungen und Rückenstärkung für persönliches Engagement im Alter, das ihnen beim „Älter „ Werden“ hilfreich sein kann. Als alter Mensch für andere zum Hoffnungsträger und Segen werden.
Zwischen den einzelnen Kapiteln unterstützen anrührende, tiefgehende, einfühlsame Gedichte von Maria - Christina Fernández die Inhalte auf eine besonders lyrische Weise.
Ein anregendes Buch, auch weil es mit eigenen biografischen Erkenntnissen angereichert ist. Ein Buch zum Verschenken

Leo Karrer, Glaube, der reift; Spiritualität im Alter. Mit Gedichten von Maria-Christina Fernández, Herder   144 €S., € 14.-

 

 


Kategorie: Gelesen

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