Zuerst eine Vorbemerkung: Für Außenstehende nicht direkt erkennbar ist die Zweiteilung der Frankfurter Buchmesse. Bis Freitagnachmittag treffen sich diejenigen, die beruflich mit dem Buch zu tun haben. Das ermöglicht unzählbar viele Gespräche zwischen Verlagen verschiedener Sprachgruppen, zwischen Autoren und Lektoren und zwischendrin die Journalisten, die Personen suchen, die etwas Interessantes erzählen können. Erst zum Wochenende hat das lesende Publikum Zugang. Vorher wird es durch einen Ticketpreis von € 75.- für eine Tageskarte abgeschreckt.
Handke fand keine Aufmerksamkeit
Pünktlich zum Messetermin hatte das Nobelpreiskomitee einen deutschsprachigen Autor aufs Schild gehoben. Auf das Messegeschehen hatte das fast keinen Einfluss. Offensichtlich lässt seine Unterstützung für Serbien es nicht zu, um diesen Autor eine leuchtende Aura zu erzeugen.
Viel Bewegung
Trotz des hohen Eintrittspreises waren die Gänge zwischen den Ständen sehr belebt. Das ermöglicht die Regelung, dass die Verlage Tickets an ihre Autoren ausgeben können und Journalisten mit ihrem Presseausweis Zugang erhalten. Dann sind die Mitarbeiter der Verlage unterwegs, um sich bei der Konkurrenz umzuschauen und mit Serviceunternehmen der Verlagsbranche zu verhandeln.
Zuviel Angebote ohne Rückkanal
So lebendig die Messe auch wirkt, sie nutzt ihre Potentiale nur oberflächlich. Sie wird von den Verlagen genutzt, direkt mit ihren Partnern, vor allem mit den Autoren sowie mit den Serviceunternehmen zu verhandeln. Da die Buchhändler weitgehend ausbleiben, die früher die Bestellungen für das Weihnachtsgeschäft getätigt haben, vermittelt die Messe sehr viel weniger Verkaufserfolge. Die Journalisten, denen in den Print- wie elektronischen Medien Platz zur Verfügung steht, werden an den Ständen aktiv informiert. Die Damen aus der Presse- wie der Marketingabteilung machen mehr oder weniger geschickt die Neuerscheinungen interessant. Das muss sein, denn bei dem riesigen Titelangebot will der Journalist etwas herauspicken, um pointiert schreiben zu können. Wer jedoch mit dem Background der Social Media auf die Informationsangebote zugeht, fragt sich spätestens nach dem 5. Gespräch, warum niemand etwas über die Planungen erzählt. Da ist sogar die Autoindustrie weiter, denn sie stellt Modelle vor, mit deren Marktreife man rechnen kann. Bei Apple kann man sich ansehen, wie man Erwartungen so stark macht, dass die Menschen vor den Geschäften Schlange stehen. Das müsste doch mit einem Buchtitel noch besser funktionieren. Die Verlage, die ja den Raum besetzen und mit den Messebesuchern sprechen wollen, brauchten doch nur zu fragen. Aber es ist kein Interesse spürbar, den Wünschen der Leser auf die Spur zu kommen.
Einwegkommunikation erzeugt eine spezifische Langweile
Überhaupt wird die Messe nicht systematisch genutzt, Kundeninteresse zu erfragen. Bücher werden immer noch im Zwiegespräch zwischen Autor und Lektor verabredet. Ist der Titel dann gedrückt, scheint er auch im Internet auf - und ein Teil der Spannung ist weg. Gäbe es vorher Kommunikation mit der Lesergemeinde, wären auch die Fragen lebendiger: Welche Geschichte hat die Autorin diesmal entwickelt, auf welche Fragen gibt das in Arbeit befindliche Sachbuch Antwort? Die Messe müsste doch exemplarisch zeigen, wie der Leser gewonnen werden kann. Er hat ja die zeitraubende Aufgabe, sich den Text anzueignen. Dafür muss er einen Anlauf nehmen, denn er braucht ja Zeit, wenn er das Buch aufschlägt. Das ist die spezifische Langweile, die man als Eindruck von der Messe mitnimmt: Es ist alles so fertig. Dann meldet sich die Frage: Muss ich dann tatsächlich das Sachbuch lesen oder genügt nicht die Besprechung. Bei Romanen kommt das Zögern ebenso auf. Muss ich mich an die mühsame Lektüre machen, wenn der gute Roman sowieso verfilmt und damit auf zwei Stunden komprimiert wird. Bei allem Austausch gelingt es der Messe zu wenig, die Sprachkunstwerke erlebbar zu machen. Es gibt zwar Autorenlesungen, bei denen oft keine 10 Leute zuhören. Beim Schreiber dieser Zeilen bleiben die guten Gespräche im Gedächtnis aber ihm ist kein Titel in seine Sprachkraft nahegebracht worden.
Die Fokussierung auf Verkaufszahlen macht dem Buch den Garaus
Die nicht genutzten Chancen der Messe entstehen auch dadurch, dass hier die Betriebswirtschaft dem Buch den kulturellen Appeal zu einem guten Teil ausgetrieben hat. Irgendwie scheint Lesen wichtig, aber in den Zeitungen wird über das Buch und sein Status als Kulturträger im Feuilleton meist mit dem Ton berichtet, dass es mit dem Lesen weiter abwärtsgeht. Im Wirtschaftsteil wird weniger tendenziell informiert, das Buch aber nur als Verkaufsprodukt gesehen. Ein Buch ist aber kein Bügeleisen, sondern es tritt eine Reise durch die Köpfe an. Deshalb braucht das Buch mehr Platz als das Bügeleisen im Regal eines Haushaltswarengeschäfts. Bügeleisen müssen nur in der Menge produziert werden, als es Menschen gibt, die bügeln. Das Buch unterliegt nicht solchen Begrenzungen. Nur ein kurzes Nachdenken über den öffentlichen Auftritt des Buchmediums macht deutlich, dass die Betriebswirtschaft über kein Instrumentarium verfügt, um das Buch allein volkswirtschaftlich oder gar kulturell zu erfassen. Es ist eben für die gesamte Gesellschaft und für die Zukunft von weitaus größerer Relevanz, wieviel Bücher sich nicht nur rechnerisch umsetzen, sondern Ideen transportieren und freisetzen. Natürlich braucht ein Verlag eine Buchhaltung und genügend wirtschaftlichen Erfolg. Aber das Buch hat für eine Gesellschaft eine wesentlich gewichtigere Zukunftsaufgabe als der Verkauf von Bügeleisen oder Kaffeemaschinen. Die Branche muss sich gründlicher überlegen, wie sie kulturell wahrgenommen werden will.
Dann käme bei der Messe auch die Frage auf, welchen Wirkung ein Titel ausgeübt hat. Wer fragt schon nach dem Einfluss einzelner Titel. Welche Autorin, welcher Autor haben dem Land am meisten gegeben? Das würde der Börsenverein, der die Messe ausrichtet, von den Besuchern doch herausfinden können. Der Friedenspreis hebt einen Autor hervor, warum nicht weitere auszeichnen, die z.B. in der Umwelt- oder Europafrage etwas bewirkt haben. Das würde dem Sachbuch neuen Aufwind geben. Für die Romanliteratur könnte man sich auch mehr ausdenken als dass eine Jury sich für einen Autor, eine Autorin entschieden hat. Und wo werden Geschichtswerke herausgestellt, die doch entscheidend zur kulturellen Identität beitragen. Dafür ist die Frankfurter Inszenierung des Buches zu simpel gestrickt.
Der Börsenverein sollte nicht so lange wie die Autoindustrie warten, um sich von einem langweilig gewordenen Messekonzept zu verabschieden. Die Messe ist schon genügend geschrumpft und wird, wenn Frankfurt so weiter macht, von Leipzig überholt. Kurzfristig lässt sich einiges umsetzen
- Es gibt immer noch jeden Tag eine Messezeitung. Sie berichtet, was gestern war. Warum keine App, die mit der Eintrittskarte aufgespielt werden kann, die fließend zum Messegeschehen informiert.
- Kundenbefragungen wären einfach zu machen, denn die Besucher würden gerne mehr zu ihren Leseinteressen loswerden.
- Leseförderung könnte ein viel größeres Thema sein.
- Nicht nur Autoren eine, meist zu kleine Bühne bieten, sondern die Leser eines Buches einladen, den Autor, die Autorin, deren Werk sie gelesen haben, live zu erleben.
- Titel zur Subskription anbieten. Wenn die Verlage zugleich die Eamiladresse der Subskribenten erhalten, können sie ihren Leserkreis sehr viel gezielter informieren.
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