Warum ärgere ich mich darüber, wie meine Generation wahrgenommen wird? Sich beschweren ist nicht die richtige Antwort. Ich will ja ernst genommen werden. Muss ich mich rechtfertigen, warum ich mich so fühle? Als wäre „Millennial“-Sein nur eine Phase, wie die Pubertät. „Die geht vorbei, das darf man nicht zu ernst nehmen.“ Bald, so schätze ich die Erwartung ein, werden wir Millennials auch zu den normalen Erwachsenen, die dann auch wieder die Jüngeren mit ihrer Digitalisierung nicht verstehen.
Bei den vorausgehenden Generationen fehlt mir deren Verständnis. Ich will kein Mitleid. Aber das Zugeständnis: Eure Generation hat andere Vorstellungen und Bedürfnisse. So wie es bisher ging, geht es nicht weiter. Wir brauchen Euch, Ihr seid die Zukunft.
Es gibt keinen Abschluss des Gelingens
Studiere, was Dich wirklich interessiert, mach, was Du liebst, dann bekommst Du auch einen guten Job. „Do your best, leave the rest“, sagt mein Vater. Aufhören, wenn ich mein Bestes getan habe. Aber dieses Gefühl habe ich so gut wie nie. Ich will, dass alles sofort fertig ist. Meine Lebens- und Arbeitswelt ist online. Da hört nie etwas auf. Es geht immer noch besser. Zu jeder Uhrzeit. Das bin ich aus dem Internet gewöhnt, Amazon Prime liefert bis zum nächsten Tag. Beim Online-Banking gibt es jetzt „Echtzeit-Überweisung“ (endlich!), alles geht unmittelbar. Diesen Anspruch habe ich an mich selbst und an andere.
Bin nur auf mich gestellt
Ich vereinsame den Tag über vor meinen Bildschirmen, Computer und Smartphone. Ich muss alles alleine schaffen. Ich bin so viel unterwegs, versuche, jede Gelegenheit wahrzunehmen, getrieben von dem Wunsch, endlich meinen beruflichen „Durchbruch“ zu schaffen. Bevor ich des Nachts völlig erschöpft vor dem Bildschirm hänge, ruhe ich nicht. Ich habe weder Zeit noch Ruhe, um Kontakte in der Stadt zu knüpfen, in der ich hauptsächlich wohne. Die wenigen Freunde, die ich habe, sehe ich viel zu selten. Müsste nicht langsam mal der Punkt kommen, an dem ich in einen gleichmäßigen Tages- und Arbeitsrhythmus komme? Auch in meinem Leben müsste sich doch endlich einmal eine gewisse Ruhe und Zufriedenheit einstellen.
In ruhigere Gewässer kommen
Ich habe ständig das Gefühl von Ungenügen und Vorläufigkeit. Ich bin 33 und mein Leben fühlt sich immer noch total provisorisch an. Müsste ich jetzt nicht langsam mal erwachsen sein, mich so fühlen? Kürzlich war ich beim Steuerberater, das fühlte sich ein bisschen erwachsen an. In den letzten vier Jahren – seit Ende meines Erststudiums – bin ich fünfmal umgezogen. Ich habe kaum soziale Kontakte an dem Ort, an dem ich jetzt wohne. Woher auch? Die Mobilität und Flexibilität waren wichtiger. Erst letztes Jahr hatte ich meine allererste Festanstellung als Redakteur in einem Verlag. Vor Ende der Probezeit habe ich wieder gekündigt.
Digital, um weniger reguliert zu leben
Ich möchte keine 40-Stunden-Woche mit einer strengen Hierarchie. Wo noch alles ausgedruckt werden muss, damit es einen Wert hat. Dass es so etwas überhaupt noch gibt, hätte ich mir nicht träumen lassen. Ohne redaktionelles Volontariat gilt immer noch: Du bist kein richtiger Journalist. Obwohl ich seit fast 10 Jahren journalistisch arbeite, sogar Beiträge im Deutschlandfunk veröffentlicht habe, schon seit dem Studium als Chefredakteur eine Online-Nachrichten-Redaktion geleitet habe. Grundlos ein auf zwei Jahre befristeter Vertrag. Es gelten die Standards einer „echten“, alten Print-Redaktion. Obwohl die Leserschaft 70 und älter ist, ausstirbt. Am seidenen Faden hängen die alten Modelle.
Warum es so machen wie bisher?
In den meisten Institutionen wird so weiter gemacht wie bisher. Als ob es meine Generation gar nicht gibt. Oder man uns nicht bräuchte. Als wären wir nicht die Zukunft von Unternehmen, Kirchen, Bildungseinrichtungen, von Medien und Gesellschaft. Die kommende Generation von Entscheidern. Die Erwachsenen, das sind immer die anderen, die Älteren. Die, die schon länger da sind. Die es schon immer so gemacht haben.
Wie können es sich die Älteren und die Institutionen leisten, uns Jungen das Gefühl zu geben, dass wir es nicht richtig können? Glaubt Ihr, uns bedeutet die Aussicht auf eine 25-Jahre-Betriebszugehörigkeit-Urkunde an der Bürowand etwas? Erwartet Ihr ernsthaft, dass wir Millennials in fünf, zehn, 15 Jahren genauso weitermachen wie bisher, den Laden auffangen und weiterführen, wenn Ihr uns jetzt nicht fördert, sondern uns vorgebt, wie es zu laufen hat?
Als Millennial vermitteln mir die Institutionen und die Älteren, dass ich nur erfolgreich bin, wenn ich so arbeite, denke und fühle wie sie. Ich soll mich also an die alten Muster anpassen. Wenn ich gegen meinen Biorhythmus morgens früh aufstehe und zu einem festen Zeitpunkt im Büro erscheine. Du musst doch jetzt mal heiraten, du musst doch jetzt mal einen festen Job haben, um bald mal eine Familie gründen und versorgen zu können. Bilde ich mir diese Imperative nur ein? Eigentlich möchte ich diese und andere Dinge ja auch selbst gerne erreichen, oder? Muss ich dafür mein Beweglichkeitsideal aufgeben und mich an die alte Arbeitswelt anpassen? Was will ich, also wirklich ich eigentlich vom Leben? Wo sind meine Prioritäten, was ist meine „Berufung“?
Zu Vieles ist wichtig
Von den tausend „Projekten“, die alle bei mir oben auf liegen, was ist davon das Wichtige, das ich tun muss, damit ich meine Sehnsucht und meine „Berufung“ erfülle, damit ich abends regelmäßig zufrieden und ruhig ins Bett gehen, ein- und durchschlafen kann?
Muss ich zu einem Minimalgehalt 40 Stunden pro Woche in einem Büro sitzen, um im Leben voranzukommen, und irgendwann glücklich und zufrieden zu werden? Um eine Regelmäßigkeit in mein Leben zu bekommen? Und warum ist eigentlich Erwerbsarbeit immer noch so viel wert? Irgendwie glaube ich noch an den Mythos, dass ich nur dann etwas wert bin, wenn ich Geld verdiene.
Ich will nicht mehr alles in meinem Leben als Provisorium sehen, alles hinterfragen. Denn das ist mein Gefühl. Ich sehne mich nach so etwas wie Stabilität, nach Gleichmäßigkeit, nach einem Gefühl der Zufriedenheit. Gleichzeitig habe ich riesige Angst, Gelegenheiten nicht wahrzunehmen, mich durch Entscheidungen so festzulegen, dass ich etwas verpassen könnte. Nicht noch mehr ausprobiert, versucht zu haben.
Zufrieden bin ich nie. Es bleibt immer etwas zu tun. Der nächste Schritt könnte mich zufrieden machen. Das bringt mich nicht selten in lähmende Lethargie und Nichts-Tun. Ich versinke im Internet und weiß am Ende des Tages nicht, was ich gemacht habe. Dann fange ich spät abends an, Dinge zu erledigen, noch etwas anzufangen, bis spät in die Nacht.
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