Abtei Senanque, Provence; Foto: hinsehen.net E.B.

Gehört das Böse zur Evolution?

Das Böse zeigt sich immer wieder in neuer Gestalt als Betrug, Treulosigkeit, im Terrorismus und im Krieg. Es gehört offensichtlich zur Geschichte. Ist es vielleicht sogar Teil der Evolution? Es wird zumindest durch die Evolution ermöglicht. Denn die gibt es nicht ohne Tod.

Böses zur Herbeiführung einer besseren Welt?
Das 20 Jahrhundert hat versucht, eine in sich befriedete Gesellschaft zu schaffen. Ob in Deutschland/Italien oder Russland führte das zu noch mehr Gewalt. Als die Reformer zu Revolutionären wurden, erklären sie nämlich die beharrenden Kräfte zu Feinden. Im Sinne der Evolution durften diese dann ausgeschaltet werden, um die sehr viel bessere Welt herbeizuführen. Ob Nationalsozialismus oder Leninismus – die zukünftige glückliche Gesellschaft rechtfertig den Tod ihrer Gegner. Zu diesen Revolutionskonzepten gehörte der Tod derjenigen, die der neuen Gesellschaft nicht würdig waren. Das 20. Jahrhundert hat diese Konzeption widerlegt. Die Gewalt, zu der sich die Revolutionäre berechtigt fühlten, setzte sich in ihrer Innenpolitik fort. Sie eskalierte in den Schauprozessen Stalins, im Holocaust, der „Vernichtung unwerten Lebens“ und in diesen Jahren durch den Islamismus. Viel mehr Muslime als die Nicht-Muslime, die zu Feinden der Religion erklärt wurden, kommen um. Warum gibt es aber dann das Böse in der Form der Gewalt? Dazu ein erster Schritt

Der Tod wird durch die Evolution zwingend
Die Menschen werden mit dem Tod konfrontiert. Dieser liegt nicht in der Natur, vielmehr suchen wir wie andere Lebewesen dem drohenden Tod zu entkommen. Deshalb müssen wir erst lernen, mit dem Tod zu rechnen. Wir sollen unsere Tage zählen, um weise zu werden - so ein Psalm. Evolution, also eine Höherentwicklung der Lebewesen, ist jedoch nur möglich, wenn neue Generationen an die Stelle der Vorausgehenden treten können. Diese Aussage steht hinter der biblischen Erzählung vom Biss in den Apfel. Wenn der Mensch die Sexualität entdeckt, entscheidet er sich für den Tod, denn er muss seinen Nachkommen Raum geben.

Der Tod öffnet dem Bösen die Tür
Schauen wir auf die Erkenntnis, dass sich das Leben in vielen Generationen höher entwickelt hat, dann tritt der Tod nicht erst mit dem Menschen in die Welt ein, sondern schon vorher bei den Pflanzen und den Tieren. Wir verstehen uns heute als Ergebnis von Milliarden Entwicklungs­schritten. Diese Erkenntnis setzt auch die biblische Vorstellung außer Kraft, Gott habe den Menschen eigens geformt. Er hat ihn entstehen lassen. Schöpfung ist anders verlaufen als sie in den biblischen Erzählungen und in ähnlichen Mythen vieler Völker beschrieben wird. Wir können das neue Wissen deshalb übernehmen, weil die Bibel gleich am Anfang zwei Schöpfungs­berichte hat, einmal den nach der Siebtagewoche und direkt folgend die Erzählung, in der Gott den Menschen aus Lehm formt und mit seinem Atem belebt. Die Evolutionstheorie lässt allerdings anders als die Bibel im Dunkeln, warum es immer neue Kriege und die Drohung mit der Atombombe gibt. Die Biologie kann nur erklären, dass die Tiere eine instinktbasierte Hemmung haben, sich gegenseitig umzubringen. Diese Instinkte funktionieren allerdings auch nicht lückenlos, so überleben nur zwei von 10 Löwenjungen, sie kommen nicht durch äußere Feinde, sondern durch Artgenossen um. Die Naturwissenschaften, die die Schritte der Evolution durch viele Funde immer wieder bestätigen, haben bisher noch keine Anhaltspunkte gefunden, wie die Aggressivität und anderes Schädliche, das wir mit dem Begriff „das Böse“ belegen, immer wieder auftreten können. Wieder lässt uns ein Jahr mit einem neuen Krieg ratlos zurück.  

Entwicklung braucht Korrektur
Wenn die Entwicklung nicht gradlinig verläuft, muss mit jedem Entwicklungsschritt geklärt werden, ob dieser in die positive Richtung geht. Darwin hat dafür das Prinzip der Selektion eingeführt. Es gibt viele Mutationen, von denen nur einige überlebensfähig sind. Damit hat er es der Natur überantwortet, was als wertvoll ausgewählt wird, um weiterleben zu dürfen. Auch in der Geschichte der Menschheit hat sich herausgestellt, was überlebensfähig ist. Dazu gehören die Hochreligionen. Sie haben den Krieg nicht abgeschafft. Wäre das von noch ausstehenden Entwicklungsschritten zu erwarten? Zumindest ist das Friedensversprechen in den Hochreligionen angelegt.

Der Entwicklungssprung 500 v. Chr.
So fundamental sich unser Vorstellung vom Kosmos und der Entstehung der Lebewesen geändert hat, so wenig sind die Weisheitslehrer überholt, die um 500 v.Chr. unabhängig voneinander eine radikale Neubesinnung gepredigt haben. Ob Sokrates, Buddha, Laotse oder die jüdischen Propheten – ihre Aufforderung, auf Gewalt zu verzichten, sich den tieferen, den geistigen Schichten, die die Laster außer Kraft setzen, zuzuwenden, sind weiterhin aktuell. Die Würde jedes einzelnen Menschen wird vorausgesetzt, der Mensch erhält sie nicht zuge­sprochen, kein König oder Präsident ist dazu in der Lage. Die Machthaber können sie nur anerkennen. Weil Gott sich treu bleibt, kann er sein Geschöpf nicht verachten. Das als dunkel missverstandene Mittelalter hat nicht nur die gotischen Lichttempel gebaut, sondern es als Gerechtigkeit Gottes erklärt, den Menschen aus der Verstrickung des Bösen zu befreien. Das geschieht nicht blind, an der Freiheit des Einzelnen vorbei. Vielmehr ist der Mensch mit der Fähigkeit ausgestattet, Gut und Böse zu unterscheiden. Wenn Russland sich der Entwicklung verschreiben und die Russisch-Orthodoxe Kirche ihrem Gründer folgen würde, gäbe es die Möglichkeit, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Da die Evolution durch den Krieg nicht weitergetrieben wird, bleibt am Ende dieser Bestands­aufnahme nur die Entwicklungsrichtung, den Krieg überflüssig zu machen. Dazu zwei Fragen:
1. Warum haben die Hochreligionen dazu nicht, noch nicht die Überzeugungskraft? Anfangen
   könnte man bei der Herausforderung, Krieg beenden zu können. Das wäre schon im Ersten
   Weltkrieg möglich gewesen.
2. Was wäre der nächste Entwicklungsschritt innerhalb der Christenheit. Die Päpste zumindest
   sind seit Benedikt XV., der während des Ersten Weltkriegs eine Friedensinitiative startete, von
   jeder Rechtfertigung eines Krieges abgekommen.

Links
200 Jahre und mehr: Karneval
René Girard erklärt das Böse aus der Eifersucht: Das Glück des anderen führt zu Mord.
Weitere Beiträge über das Böse – Krimi, Begehren, Missmut


Kategorie: Analysiert

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