Religion versteht sich nicht als Ergebnis von biologischen Entwicklungen. Man wird nicht durch Geburt Christ oder Buddhist, sondern durch einen Aufnahmeritus. Der Islam hat die jüdische Beschneidung übernommen. Religionen verstehen sich als eine Größe, die aus einer anderen Sphäre hinzukommt. Sie wollen das naturhaft entstandene Leben weiterentwickeln. Für Hindusims, Buddhismus, Christentum ist Friede der Zustand, in den die Religion führen will. Das gilt auch für den Islam. Salam aleikum bedeutet als Gruß „Heil, Friede sei mit Dir“. Islam als Hingabe an Gott und Salam – Friede haben mit dem jüdischen Shalom die gleiche Wortwurzel. Wenn die Religionen für sich beanspruchen, den Frieden herbeizuführen, dann wäre das als weiterer Schritt der Evolution zu verstehen. Mit diesem Vorhaben sind die Religionen allerdings mit den emotionalen und Verhaltens-Dispositionen konfrontiert, die wir, aus der Evolution kommend, in uns tragen. Sie können nicht einfach einen Neuen Menschen konstruieren, sondern müssen entsprechende Verhaltensweisen auf diese auf das aufsetzen, was der Mensch als eine Unterart der Menschenaffen in sich trägt. Das ist möglich. Die Sprache ist hinzugekommen, der Mensch kann sich für sein Handeln eine Ethik vorgeben. Er ist inzwischen in der Lage, zum Mond zu fliegen und hat die Welt mit einem digitalen Netz, Flug- und Schiffsrouten umspannt. Sprache ermöglichen ihm, sich Regeln zugeben, die nicht im Genom verankert sein müssen. So wie er ein Gesundheitssystem aufgebaut hat, muss er auch eine Friedensordnung entwickeln können. Das bleibt dann nicht eine Utopie, wenn das als Fortführung der Evolution angelegt wird und die Ergebnisse der Hirnforschung genutzt werden. Das Projekt kann auch deshalb angegangen werden, weil die Religionen selbst eine Friedenspraxis entwickelt haben.
Jahwe war ein Kriegsgott
Im Alten Testament sind viele Entwicklungsstufen der religiösen Vorstellungen eines kleinen Volkes abzulesen, deren Ergebnis durch das Christentum dann in die Welt getragen wurde. Die Volksgruppe, die aus der Wüste in das fruchtbare Palästina einsickert und sich organisierte, war auf Kampf eingestellt. Einer ihrer großen Helden, David, wurde nach einer Schlacht gegen die Philister von den Frauen so besungen: „Saul hat Tausend, David Zwanzigtausend geschlagen.“ Ganz menschlich übermannt Saul, den König, Eifersucht und er will David umbringen. Eifersucht ist bis heute ein Impuls für Gewalt. Übertragen auf heute verhalten wir uns in Bezug auf Putin und Selensky nach dem gleichen Muster. Putin rächt sich in seiner nicht auf Frieden hin Emotionalität an der Zivilbevölkerung und damit an den Frauen in der Ostukraine, die ihm nicht zujubeln, sondern ihre Sympathien dem jungen Aufsteiger schenken.
Das Alte Testament bleibt gegenüber David einerseits bewundernd, es sieht ihn als Autor der Psalmen und berichtet zugleich von einem Ehebruch und stellt das Königtum infrage. Jesus wird als Nachkomme Davids in seiner Geburt mit Bethlehem, der Davisstadt verbunden. Er lebt in einer Besatzungszeit, seine Jünger hoffen, dass er die Römer vertreibt und das Reich Davids wiederaufrichtet. Als er direkt mit Gewaltkonfrontiert wird, nimmt er das Todesurteil ohne Rebellion hin. Der Kreuzestod wird meist als Opfer interpretiert. Es ist zuerst einmal der Verzicht auf gewaltsame Befreiung, die sich auch auf seine Anhänger übertragen hat. Anders als heute auf den vielen Kriegsschauplätzen im Nahen Osten haben seine Anhänger ihn nicht gerächt. Die Überwindung der Gewalt durch Hinnehmen eines Justiz-Mordes ist dem Christentum der Gewaltverzicht durch seinen Gründer eingeprägt. Das Judentum selber hatte bereits mit der Okkupation durch die Assyrer und dann die Neubabylonier eine Kehrwende vollzogen. Jahwe ist nicht mehr derjenige, der Israel von seinen Feinden befreit, sondern der sein Volk aus dem Polytheismus herausruft und der durch seine Propheten Gerechtigkeit einfordert. Gerechtigkeit als Voraussetzung für Frieden verstanden. Durch die Propheten findet Israel zum Monotheismus.
Monotheismus zu Ende gedacht
Die Logik des Monotheismus führt zu der Erkenntnis, dass alle Menschen auf den einen Gott bezogen sind und jede persönliche Attacke wie auch jeder Krieg Kinder Gottes zu Feinden macht. Zugleich ist der Monotheismus keine Stammesreligion mehr, sondern wird aus sich heraus missionarisch. Der Islam ist von seinen Ursprüngen her durch Eroberung verbreitet worden. Er konnte meist ohne große Schlachten die Herrschaft übernehmen, so über Syrien und den Iran, da Byzanz und Persien sich in vielen Kriegen gegenseitig geschwächt hatten. Das Christentum setze sich im Römischen Reich deshalb durch, weil die Götterwelt durch die Philosophen erschüttert war. Bei Germanen und Slawen war der christliche Monotheismus deshalb kulturell zwingend, weil mit den vielen Stammesgottheiten die Religion nur für ein begrenztes Territorium wirksam war. Das Reich der Franken brauchte einen viel größeren religiösen Rahmen. Der Monotheismus mit schriftlichen Quellen als kulturelle Entwicklung kann in den größeren Rahmen der Evolution eingelesen werden. Er bedeutet aber bis heute nicht, dass er seine Friedensperspektive verwirklicht hat. Ein christlicher Patriarch kann einen Krieg unterstützen, Schia und Sunna Kriege, in denen es um die Vorherrschaft über eine Region geht, intensivieren und verlängern. Die Konfessionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts in Westeuropa haben nicht zu der Einsicht geführt, dass Kriege „sich nicht lohnen“. Vielmehr ließen Deutsche, Österreicher und Franzosen l1914 ihre Waffen mit Berufung auf denselben Gott segnen. Evolution ist gefragt und muss sich mit dem biologischen Erbe auseinandersetzen. Denn der Mensch trägt als Erblast Rivalität, Aggressivität, Neid mit sich. Krieg ist dann aus evolutionärer Sicht eine Entwicklungsstufe, die überwunden werden kann. Dazu sind die Religionen, die sich in der Achsenzeit um 500 v.Chr. entwickelt haben und heute als Weltreligionen bezeichnet werden, aus ihrem Selbstverständnis heraus angetreten. Dazu drei Beobachtungen und Erkenntnisse:
- Weil der Mensch aus der Evolution kommt, trägt er Reaktionsmuster mit sich. Betimmend sind nicht direkte Wirkungen der Gene, sondern werden über die älteren Regionen des Gehirns wirksam. Wolfgang Schreiner nennt das die Erblast der Evolution. Wie das Christentum die Evolution vorangetrieben hat, beschreibt er in seinem Beitrag: Die Evolutionskomponente der Auferstehun
- Die Religionen selbst haben jeweils ein Programm der Persönlichkeitsentwicklung. Der Mensch soll erst noch Hindu, Buddhist, Christ, Muslim werden. Sie rechnen also mit der Erblast der Evolution.
- Die Hirnforschung kann die Regionen im Gehirn identifizieren, die das Verhalten organisieren. Sie kennt nicht nur die aus der Evolution stammenden Regionen des Hypothalamus u.a. Zentren, die direkt reagieren, sondern unterscheidet im Großhirn die rechte und die linke Seite. Diese reagieren nicht so schnell und brauchen auch länger, um ein strategisches Verhalten zu entwickeln. Abwehr und aggressive Reaktionen müssen durch das Vorderhirn eingefangen werden. Zwischenglied in den Abläufen ist die recht Hirnhälfte, sie ist offener als die linke und kann Lösungen entwickeln, die dann von der linken Hälfte kontrolliert werden. Wichtig ist auch das Zentrum über der Stirn, in dem das Selbstbild der Person nicht nur gespeichert ist, sondern auf das Fühlen, Denken und Handeln einwirkt. Die Vernetzung und die Abläufe im Gehirn sind nach dem aktuellen Wissenstand für Führungskräfte und Sozialberufe beschrieben von Joachim Bauer, Das empathische Gen
Die Evolution nicht dem Zufall überlassen
Es ist nicht aussichtslos, auf eine Welt zu bauen, in der Kriege ihren Reiz verloren haben. Mit der Montanunion hat Westeuropa eine Rüstungskontrolle eingeführt, indem die Kohle- und Stahlindustrie der übernationalen Behörde in Luxemburg unterstellt wurde. Die Wirtschaftsgemeinschaft EU ist deshalb auf einem solideren Fundament als den wirtschaftlichen Zwängen und Vorteilen gebaut, nämlich für die Zukunft Kriege zwischen europäischen Ländern zu vermeiden.
Wenn die Staaten daran gehen, eine nachhaltige Friedenspolitik nicht wie Deutschland durch Aufrüstung zu entwickeln, dann müssen sich Pädagogik, Philosophie und Theologie ernsthaft mit der Evolution auseinandersetzen. Das naturwissenschaftliche Denkmodell, die Lebewesen hätten sich durch Milliarden Zufälle entwickelt und daraus sei das menschliche Genom entstanden, führt nur zu der Haltung, „doch nichts machen zu können“ und auf den Zufall zu warten, der das Friedensgen hervorzaubert. Aber wie kann der Zufall mehr als Zufälliges hervorbringen. Zudem wären die 3 Milliarden Jahre für die Entwicklung des menschlichen Genoms zu kurz, wenn wirklich der Zufall die Genetik allein gesteuert hätte. Inzwischen wird auch schon anders gedacht. So kann man die Entwicklung der menschlichen Sprache aus den Lauten und Signalen, mit denen eine Herde oder eine Affenhorde sich verständigen, aus der Intention heraus deuten, nicht nur 50 Mitglieder einer Gruppe, sondern 200 und mehr zu koordinieren und zusammenzuhalten. Wenn eine starke Intention die Entwicklung vorantreibt, dann können die Erkenntnisse aus der Biologie wie der Kulturanthropologie den Weg weisen, wie die Menschheit die Evolution weitertreibt. Erst wenn Frieden ein gesellschaftlicher Trend wird und nicht nur ein Gebet bleibt, wird der Mensch einen weiteren Entwicklungsschritt machen können. Das kann man nicht von der Politik erwarten, es ist vielmehr Aufgabe der Wähler, nicht mehr die Machthaber, sondern die Friedensmacher an die bestimmenden Positionen zu bringen. Die Regierung in Deutschland ist es nicht, denn sie setzt auf Rüstung, nicht auf eine Kommunikationsstrategie gegenüber Russland, um die Aversion der Bevölkerung gegenüber den Westen abzubauen.
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