Christus schaut aus dem Himmel auf die Gemeinde, f: explizit.net

Fehlender Osterglaube - fehlende Kirchgänger

Die Kirchenbänke füllen sich sonntags mit Senioren. Diese sehen das als Sonntagspflicht. Man ist Gott die Ehrerbietung schuldig. Glaubensüberzeugungen sind für diese Generation keine Frage. Aber anders die Jüngeren. Wenn 50% der Deutschen nicht mehr mit einem Leben nach dem Tod rechnen, macht einen Gottesdienstbesuch für diese Menschen keinen Sinn. Ist doch der Sonntag der Tag der Auferstehung und gibt es eine christlichen Praxis, weil man der Überwindung des Todes nicht nur gedenkt, sondern an ihr teilhaben will. Die Generation, die jetzt in den Kirchbänken sitzt, hat sich um Kirchenfragen gekümmert, die Kernbestände des Glaubens sind liegen geblieben.

Religiöse Praxis war bis in die sechziger Jahre nicht nur für die Katholiken aus der Disziplin gespeist. Weil die ganze Gesellschaft, von der Schule bis zum Arbeitsplatz auf Disziplin aufgebaut war, schwamm die Religion in diesem Strom mit. Als dann die Achtundsechziger die Sekundärtugenden, Gehorsam und Disziplin, für die fehlende Widerstandskraft gegen die Naziideologie ausmachten, kam es zu einem tiefen kulturellen Umbruch. Die Theologen stellten dann fest, dass die Disziplin eher eine Forderung der Kirchenoberen war und sich gar nicht von Jesus herleiten ließ. Es war keine schwere Sünde mehr, wenn man sonntags der Kirche fernblieb. Allerdings kam jedoch kein zugkräftiges Motiv auf, das anstelle der Disziplin den Gottesdienstbesuch stütz. Es blieb bei einigen die Disziplin. Diese war zwar nicht mehr äußerlich auferlegt, sondern wurde von denen fortgeführt, die den Gang zur Kirche als Selbstverpflichtung verinnerlicht hatten. Die anderen konnten ohne schlechtes Gewissen den Kirchgang auf Feiertage und wenige Sonntage des Jahres reduzieren. So scheint bis heute der regelmäßige Kirchgang eine Frage der Selbstdisziplin zu sein. Aber ist dann nicht für diejenigen, die nicht mit einem Leben nach dem Tod rechnen, ein Frühstück mit frischen Brötchen die angemessenere Sonntagsfeier? Deshalb die These: Der sonntägliche Gottesdienstbesuch ist zuerst eine Glaubensfrage und erst in zweiter Linie Resultat eine internalisierten Disziplin.

Die Theologie leistet dem Verfall der Auferstehungshoffnung Vorschub

Warum soll ich zu einer Feier gehen, in der ich für die Erlösung Danke und mich mit meiner Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod aufgehoben fühle, wenn das auch von den heutigen Schriftgelehrten kritisch diskutiert wird. Es ist wie zur Zeit Jesu, als die Sadduzäer die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod für ein Märchen hielten, die Pharisäer aber davon überzeugt waren. Von der christlichen Gemeinde heißt es in der Apostelgeschichte:


Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Kap. 4, 32-34

Von einer solchen Macht spürt der Kirchgänger heute kaum etwas. Da die Prediger strittige Themen lieber auslassen, hören die Gläubigen auch nur an Ostern, was die Auferweckung Jesu bedeutet. Jedoch ist der Sonntag für die ersten christlichen Gemeinden der Gedächtnistag der Auferstehung. Ostern wurde später herausgehoben und nicht wie das jüdische Paschafest an dem Tag des ersten Frühlingsmondes gefeiert, sondern am Sonntag nach diesem Datum des Himmelskalenders. Es geht ja in jeder Eucharistiefeier um Tod und Auferstehung Jesu, nicht nur an Ostern.

Den Menschen nicht von der Materie her denken

Wie kommt es aber, dass im Westen der Auferstehungsglaube so infrage steht, für die Orthodoxen Kirchen Ostern jedoch das zentrale Fest geblieben und ihre Liturgie viel stärker von der Auferstehungsüberzeugung getragen ist? Das galt auch einmal für den Westen, was noch am Kirchbau abzulesen ist. Bis zum Barock sind die Kirchen als himmlischer Festsaal konzipiert,. Man geht unter dem Tympanon mit dem Weltgericht in den himmlischen Bereich, wo Engel und Heilige auf einen warten.
Der Barock war die letzte Epoche, die den Menschen vom Himmel her dachte, weil der Himmel für den Menschen das Ziel des Lebens ist. Die Tore zu dieser eigentlichen Heimat hat Jesus geöffnet. Gerade am Sonntag öffnet sich dieser Himmel, so dass jeder aus seiner irdischen Pilgerschaft aufblicken kann. Der Barock stellt, auch als Reaktion auf den Dreißigjährigen Krieg, den Glaubenden Maria als Hoffnungsbild vor Augen, indem über dem Hauptaltar die leibliche Aufnahme Maris in den Himmel dargestellt wird.
Im 18. Jahrhundert wurde diese Sichtweise umgedreht. Der Mensch wird von Materiellen her gedacht. Die Evolutionstheorie hat diese Sicht bestätigt. Inzwischen scheint das Geistige nur eine Hirnfunktion zu sein. Wenn der Mensch nur Materie ist und das Gehirn die komplexeste Ausformung des Materiellen, dann ist ein Leben nach dem Tod nichts weiter als eine Phantasie. Die Materie umschreibt, was möglich ist, das Geistige ist dann nur wie die Mathematik. Es dient dazu, das Materielle zu beschreiben. Der Denkhorizont, wie er mit den Naturwissenschaften auch von den Philosophen übernommen wurde, gibt dem Geistigen, dem Seelischen keinen anderen Raum, als Funktion der Neuronen zu sein.

Die Theologie setzt dem begrenzten Denken zu wenig entgegen

Dieses Denken von der Materie her setzt dem Glauben an Wunder und an eine leibliche Auferstehung zu. So willkommen Jesus als moralische Instanz sein mag, mit den Berichten der Bibel über Wunder und das leere Grab steht er dem materialistischen Weltbild diametral gegenüber. In diesem Weltbild kann man diese Phänomene nur als abwegig einstufen. Weil aber in diesem Weltbild außerhalb des Materiellen keine Realität möglich scheint, sind nicht wenige Theologen des 19. Jahrhunderts und das katholische Lehramt bis in die Nachkriegsjahre darauf hereingefallen, Wunder und Auferstehung innerhalb des materialistischen Weltbildes als real zu erweisen. Die Folge war, dass die Naturwissenschaftler die Beweise als Schein hinstellen konnten und gerade die katholische Kirche sich den Ruf einhandelte, wissenschaftsfeindlich zu sein. Damit wurde zugleich die Glaubwürdigkeit ihrer theologischen Aussagen erschüttert. Die Naturwissenschaften stehen für Logik, Stringenz, Transparenz und absolute Verpflichtung der Wahrheit gegenüber. Viele Theologen ließen sich dazu verführen, ihre Aussagen, die sich ja nicht auf physikalische Zusammenhänge wie Lichtgeschwindigkeit, elektromagnetische Wellen, das Hicks-Teilchen, sondern auf das Personale, nämlich Freiheit, Verantwortung, Schuld und Vergebung, auf Tod und Leben beziehen, in das materialistische Weltbild einzulesen. Der Kampf, aus welchem Weltbild der Mensch zu verstehen ist, scheint aufgegeben. Dass in einem von Physik und Biologie bestimmten Weltbild, das gänzlich an diesen Kosmos gebunden ist, die Berichte vom Handeln und Leiden Jesu diesen Interpretationsrahmen sprengen, wird nur sehr unbeholfen dargestellt. Es bleibt immer der Eindruck, es handele sich um etwas in den Köpfen der Glaubenden, das einer externen Überprüfung nicht standhält.

Die Physik und die Medizin sprengen den engen Horizont des Materialismus

Anders als im 19. Jahrhundert entwerfen die Naturwissenschaften mit der Relativitätstheorie und dem Eindringen in den atomaren Bereich ein Bild der Welt, das nicht mehr eine Reduktion auf das Materielle erzwingt. Es gibt neuen Raum, um wieder meta-physisch, also über das Physikalische hinaus zu denken. So hat die Relativitätstheorie aufgezeigt, dass dieser Kosmos die Grenze der naturwissenschaftlichen Instrumentarien bestimmt. Ob es außerhalb des Weltalls etwas gibt, kann mit den Instrumenten der Naturwissenschaften nicht erforscht werden. Zudem existiert dieses Weltall nicht ewig, sondern erst seit 13,5 Milliarden Jahren. Was für uns schwer vorstellbar ist: Raum und Zeit gibt es erst mit dem Urknall. Es gibt also vorher keine Zeit. In was dieses Weltall eingebunden ist, was den Kosmos umgibt, das ist den Naturwissenschaften unzugänglich. Aber der menschliche Geist scheint offensichtlich nicht so begrenzt zu sein wie die Erkenntnismöglichkeiten der Naturwissenschaften.
Es gibt nämlich eine weitere empirische Tatsache, dass dieser Kosmos nicht alles umfasst, wozu der Mensch Zugang hat. Nicht wenige Menschen hatten und haben immer wieder Kontakt mit Toten. Nahtoderfahrungen, wenn Menschen bei Herzstillstand oder im Koma ihren Körper verlassen, sind vielfältig dokumentiert. Von diesen Erfahrungen her und mit den physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts gewinnen Philosophie und Theologie neue Denkmöglichkeiten. In diesen, durch Physik und Medizin neu eröffneten Räumen erscheint dann die Auferstehung Jesu nicht mehr als bloße Kopfgeburt seiner Anhänger, sondern als das, was sie historisch war: Sie bewirkte eine Umkehrung des Erwartungshorizonts der Jünger. Sie hatten auf eine Machtergreifung des vom Volk getragenen Messias gehofft und mussten erst langsam verstehen, dass das Reich Gottes ganz andere als politische Kräfte freisetzt. Die Frauen hatten das wohl schon vorher geahnt. Es ist also etwas Entscheidendes passiert. Jesus ist nicht in dieses Leben zurückgekehrt, sondern aus einer anderen Dimension heraus in Erscheinung getreten. Aus dieser anderen Dimension heraus muss der Mensch verstanden werden. Das macht Physik und Biologie nicht hinfällig, aber gibt erst dem Gottesdienst Sinn: Sich auf etwas Größeres einstellen, was den Tod nicht allein auf das Verlöschen der Gehirnströme reduziert. Wenn diese Dimension im Gottesdienst nicht mehr erfahrbar wird, dann reicht sonntags der Gang zum Bäcker.

Links
Jesus ist nicht der einzige, der nach seinem Tod erschienen ist 

Ob das Grab Jesu Ostern leer war 

Das neue Weltbild der Physik setzt den bisherigen Materialismus matt



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