Auch im Ukrainekrieg müssen noch Viele sterben. Es sind mehr Russen, die ihr Leben lassen müssen, trotzdem ist die Mehrheit der Russen für "Weiter kämpfen". Ehe die Deutschen darüber den Kopf schütteln, sollten sie an die Kriegsjahre nach Stalingrad erinnern. Am 2. Februar vor 80 Jahren hat Feldmarschall Paulus gegen den Befehl Hitlers kapituliert und ist selbst in Gefangenschaft gegangen. Warum kämpften die anderen deutschen Truppen so lange weiter, bis Berlin gefallen war. In einem Interview hat die russische Politologin Tatjana Stanowaja folgende Beobachtung genannt:
Die Russen befürchten Schlimmeres als dass in der Ukraine gekämpft wird. Sie haben unter Gorbatschow und dann unter Jelzin Chaos erlebt. Da es zur jetzigen Regierung keine Alternative gibt und ein Ende des Krieges wahrscheinlich auch das Ende dieser Regierung sein wird, gibt es keine Alternative zum Weiterkämpfen. Chaos heißt ja, dass niemand mehr niemand mehr steuernd eingreifen kann. Solange Russland Krieg führt, bleibt es in einer vorgegebenen Ordnung.
Deutschland hat erst kapituliert, als Hitler tot war
Es war nach Stalingrad die gleiche Grundhaltung der Deutschen. Der Führer, Hitler, wäre nicht Regierungschef und Oberbefehlshaber geblieben, wenn er den Krieg beendet hätte. Wer hätte sein Nachfolger werden können? Und hätten die Alliierten ihn als Verhandlungspartner akzeptiert. Es gab Versuche, Hitler aus seiner Machtstellung zu vertrieben. Es waren Einzelne, die haben fast keine Zustimmung gefunden. Die Absetzung Hitlers, so auch die Angst, hätte die deutschen Soldaten geschwächt. Wer wollte den eigenen Leuten in den Rücken fallen. Die russische Politologin beobachtet Gleiches für die Russen und stelltfest: „Putin kämpft nicht um den Sieg.“
Waffen verlängern den Krieg
Weitere Faktoren lassen wenig Hoffnung aufkommen, dass die Russen den Krieg beenden:
Jede Waffenlieferung an ihren Gegner wird als Bedrohung des eigenen Landes empfunden. Die Waffen wirken einfach stärker als die Beteuerung der NATO, sie werde Russland nicht angreifen. Die Russen sind überzeugt worden, dass ihr Land kurz davor stand, angegriffen zu werden. Denn warum beginnt unsre Regierung einen Krieg. Doch wohl, um die eigene Bevölkerung zu schützen. Das kann man sich damit klarmachen, dass die Russen sich umzingelt fühlen. Die Raketen, die Flugzeuge und die Manöver der NATO zielen auf Russland. Dafür hat Russland auch selbst gesorgt, hat das staatlich Fernsehen Angriffsszenarien beschwören lassen und die Bevölkerung von einer akuten Bedrohung überzeugt. Da die Armee des Landes der NATO weit unterlegen ist, kann die Regierung nur mit Atombomben zeigen, dass Russland unbesiegbar bleibt.
Die Sanktionen schweißen Volk und Regierung zusammen
Die zunehmende Bombardierung deutscher Städte hat den Zweiten Weltkrieg nicht verkürzt. Die Eisenbahner haben die meisten zerstörten Bahnhöfe und Gleise wieder betriebsfähig gemacht. Die meisten Brücken haben die Deutschen selbst gesprengt. Ähnlich hält die russische Bevölkerung den Sanktionen stand. Je mehr ihr Land bedrängt wird, desto näher rücken sie ihrer Regierung.
Die Logik der Gewalt
Der Krieg zeigt die fatale Eigendynamik der Gewalt. Sie steigert sich. Jede neue Waffe des Gegners bewirkt noch größere Entschlossenheit, diesem zu widerstehen. Denn hört man auf zu kämpfen, liefert man sich ihm aus. Insofern ist die Forderung begründet, keine Waffen zu liefern. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Ukraine ist deshalb angreifbar geworden, weil sie mit Belarus und Kasachstan ihre Atomwaffen an Russland abgegeben hat. Russland hat sich 1994 mit den USA und England verpflichtet, die Grenzen der drei Länder zu garantieren. Es fehlt die Regelung für den Fall, dass eines der Länder sich nicht an die Vereinbarung hält. Hätte die Ukraine noch Atomwaffen, wäre ein Angriff Russlands noch viel riskanter gewesen und wohl unterblieben. Trotz allem stimmen Waffen den Gegner nicht zum Frieden um.
Schlussfolgerung: Die Russen müssen dem Westen trauen
Die Russen können erst aufhören, wenn sie wissen, was nachher kommen wird. Die Westdeutschen sind mit ihren drei Besatzungsmächten sehr gut gefahren. Diese haben aufgeräumt, die Verantwortlichen vor Gericht gestellt. Pressefreiheit eingeführt und demokratische Institutionen auf den Weg gebracht. Deutschland wurde sogar Mitbegründer eines neuen Europa. Hätten die Deutschen das absehen können, wären sie wahrscheinlich eher aus dem Krieg ausgestiegen. Eine Verfolgungswelle wie die Todesmaschine, die Stalin ab 1937 gegen die Eliten Russlands und der Ukraine in Gang gesetzt hatte, mussten die Deutschen nicht über sich ergehen lassen. Der bald nach 45 beginnende Kalte Krieg hat sie wahrscheinlich davor bewahrt.
US und Europa müssen wegen der Geltung von Verträgen die Ukraine unterstützen
Die Waffenlieferungen an die Ukraine sind geboten, denn die USA und England müssen die Grenzen des Landes garantieren. Sie hätten bei der Annexion der Krim bereits handeln müssen. Russland ist verantwortlich, aber der Westen hätte den Ukrainekrieg verhindern müssen. Militärisch wäre er dazu in der Lage.
Aber das alles ist nicht entscheidend, sondern dass die Russen ihre Ängste loswerden, es würde noch schlimmer, chaotischer, wenn ihre Truppen die Waffen niederlegen. Wenn Deutschland nicht nur Leoparden losschickt, sondern den Russen erklärt, wie viel besser es sich in einem Europa lebt, in dem keine Kriege mehr den Wohlstand vernichten, würde etwas für den Frieden geschehen. Die Deutschen haben sich ja nach dem Krieg für das westliche Demokratiemodell entschieden, weil es nicht nur mehr Wohlstand bringt, sondern auch die Freiheit besser schmeckt als eine Diktatur. Das haben Putins Oligarchen schon lange herausgefunden. Dann müsste diese Einsicht doch noch eher bei der russischen Bevölkerung andocken.
Wer sich diese Zusammenhänge klarmacht, wird sich fragen, was die wertorientierte neue Außenpolitik der Grünen eigentlich beinhaltet. Wenn die Außenministerin eine Diskussion auslöst, ob sie Russland den Krieg erklärt, dann verlängert grüne Außenpolitik diesen Krieg auch noch mal. Mit Verurteilung gewinnt man kein Vertrauen. Ohne Vertrauen kein Frieden, sondern allenfalls Waffenstillstand.
Tatjana Stanowaja: Putin kämpft nicht um den Sieg
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