Die Christen sind auch nicht leibliche Nachkommen Jesu, wie die 12 Stämme Israels sich von Jakob herleiten. Die Christen sehen sich auch nicht nur durch einen Propheten auf Gott hingelenkt wie die Muslime. Sie werden innerlich mit Gott verbunden unds o mit Jesus in ihrer Würde gesichert und mit einem neuen Blick auf den Mitmenschen begabt. Damit ist das Gebot „Du sollst Gott lieben und in gleicher Weise den Nächsten“ ausgestattet. "Der der Nächste ist von gleicher Würde wie Du, er ist Gottes Kind." Das gilt nicht nur der Seele, sondern genauso dem Leibe, denn der Sohn Gottes hat „Fleisch angenommen“ und ist seinen Anhängern in seinem Leibe mit den Wundmalen erschienen. Weil in der Person Jesu die Leiblichkeit und die geistige Seite des Menschen zusammengeführtsind, bedeutet Freiheit nicht nur geistige Freiheit, sondern im Leib wirklich werdende. Denn wenn das Materielle den Menschen nur aus seiner Geistigkeit herauszieht, dann wäre er erst frei, wenn er den Körper abgeschüttelt hat. So haben die Griechen es gesehen. Die Würde des Menschen ist jedoch nicht nur der Seele zuzuschreiben. Die frühe Kirche hat in langen Diskussionen zu einem tieferen Verständnis des Menschen gefunden. Dem ging eine Entwicklung von Milliarden Jahren voraus.
Die Ahnung einer evolutiven Entwicklung war früh da
Die Autoren der Schöpfungsmythen und der biblischen Schöpfungsberichte hatten bereits eine Ahnung, dass der Mensch am Ende einer Entwicklung steht. Diese kennen wir heute sehr viel besser und haben wichtige Dimensionen hinzufügen können, von der die Menschen bis ins 19. Jahrhundert kam etwas ahnten.
- Alles Leben ist nach der gleichen Genetik gebaut.
- Die Verbindung allen Lebens untereinander wird weiter durch die Erkenntnis vertieft, dass die Lebewesen auseinander hervorgegangen sind.
- Die ökologische Sicht weitet den Blick ins Universelle: Das Leben, alle Pflanzen- und Tierarten, überleben nur gemeinsam.
Der Mensch steht vor einem nächsten Entwicklungssprung, um seine Position innerhalb des Lebendigen lebensfreundlicher und globalisierter zu entwerfen. Das beinhaltet das Versprechen einer höheren Lebensqualität. Das ist weit mehr, als die Autos auf Elektroantrieb umzurüsten. Durch Jesus erhält diese Entwicklungsperspektive eine noch weitergehende Dimension. Sie führt näher an die Frage, auf welches Ziel die Evolution eigentlich angelegt ist.
Die Naturwissenschaften: wichtiger Entwicklungsschritt innerhalb der Evolution
Die Evolution hat das Ziel, ein Wesen hervorzubringen, das mit Intellekt ausgestattet ist und damit nicht mehr allein durch Naturgesetze gelenkt wird, sondern diese selbst entdecken und in Technik umsetzen kann. Diese Erkenntnis ist nach Jahrhunderten der Forschung selbst ein Entwicklungssprung der Evolution. Dieser hat zu einer Beherrschung der Natur und zur intensiven Nutzung der Pflanzen und Tiere sowie den in Ablagerungen gespeicherten Bodenschätzen geführt. Der Verbrauch eines großen Teils der Ressourcen erzwingt eine neue Selbstbestimmung, welche Rolle der Mensch gegenüber der Atmosphäre wie gegenüber den anderen Lebewesen insgesamt einnehmen will. Das zeigt, dass die Evolution noch lange nicht an ihrem Ziel ist. Das resignierende „postfaktisch“ ist eine Täuschung. Wir können und müssen die nächsten Schritte der Evolution angehen, denn nach der Inbesitznahme der Erde, die durch die Wissenschaften ermöglicht ist, ist die weitere Evolution den Menschen in die Hände gelegt. Jedoch nur zu einem Teil, wie das Coronavirus demonstriert, das innerhalb eines Jahres bereits mehrere Entwicklungsschritte absolviert hat.
Die Bibel bestimmt bereits die Beziehung des Menschen zu Pflanzen und Tieren
Für die Fortführung der Evolution findet sich in der Bibel bereits eine Vorgabe, nämlich dass der Mensch in dem Sinne Abbild Gottes ist, als er wie eine Statue Gott gegenüber den anderen Geschöpfen repräsentiert. Das ist die Konzeption, die Hildegard v. Bingen vom Menschen entworfen hat und was wohl ihre Anziehungskraft erklärt.
Bereits die Schöpfungsberichte und dann der Durchbruch zum Monotheismus um 500 v.Chr. durch die griechische Philosophie und die jüdischen Propheten haben den Menschen aus der Abhängigkeit von Dämonen und anderen Geistern herausgelöst und ihn in eine neue Beziehung zu der Sphäre gesetzt, in der er seine Vernunft wie auch seine Sehnsucht festmachen kann. Zugleich wurde die Welt in ihr Eigenes gesetzt, indem die Götter nicht mehr nebenan auf einem Berg wohnen und die Toten nicht in ein irdisches Schattenreich geführt werden, sondern in eine ganz andere Sphäre, die nicht so funktioniert wie diese Welt. Dieser Entwicklungssprung wird Achsenzeit genannt. Mit dieser völlig neuen Sicht der Welt und des Menschen setzte sich auch der Monotheismus durch. Die chinesischen Lehrer Laotse und Konfuzius wie die indischen Upanischaden und die jüdischen Propheten haben den Horizont des Religiösen ganz neu und viel weiter beschrieben. Der Entwicklungssprung der Achsenzeit hat Wissenschaft freigesetzt. Wenn nur ein Gott den Kosmos geschaffen hat, aber nicht wie die Götter Teil dieses Kosmos‘ ist, werden das Stoffliche und die Lebewesen freigesetzt. Sie haben aus sich Existenz und Lebendigkeit, nicht erst durch göttliche oder dämonische Kräfte. Wer Naturwissenschaft betreibt, muss nicht mehr damit rechnen, auf Geister oder Dämonen zu treffen und von ihnen mit unangenehmen Reaktionen bestraft zu werden.
Die Ökologie eröffnet den nächsten Entwicklungsschritt
Durch die ökologische Krise ist der Mensch zu einem nächsten evolutiven Schritt herausgefordert. Es muss die Grenze des Technischen überschreiten, denn weder Maschinen noch Computer-Chips halten das Artensterben auf. Auch das Impfen wird nicht reichen, um das Corona-Virus zurückzudrängen. Die schnelle Verbreitung seiner jeweils neuesten Variante zeigt, dass die biologisch-technische Lösung, nämlich Impfen, nicht reicht. Es ist gerade unsere globale Zivilisation, die nicht nur im Internet den Viren eine rasante Verbreitung, sondern den biologischen Viren die Verbesserung ihrer Technik, in die Zelle einzudringen, ermöglicht. Globalisierung und Covid-19 bedingen sich gegenseitig. Wie hält die Religion damit Schritt oder hat das Jesus-Phänomen die neuen Dimensionen bereits eingebracht?
Ein Entwicklungsschritt, den Jesus bereits gemacht hat und den die Kirchen nach den Weltkriegen erst nachvollzogen haben, ist die Trennung der Religion von der politischen Organisation eines Staates. Das macht die Religion freier, um unabhängig von Machtkonstellationen weiter zu denken. Hier liegt eine besondere Verantwortung der Christenheit. Sie hat, wie auch das Judentum, die Fähigkeit entwickelt, in den unterschiedlichsten Kulturen Gemeinden zu bilden. Beide brauchen nicht wie der Islam ein durch den Koran bestimmtes Rechtssystem, sondern können in jeder Kultur ihre Perspektive einbringen.
Weiter öffnen sich alle monotheistischen Bekenntnisse für jeden Menschen. Das Christentum ist insofern universeller, als es nicht wie bei den Juden eine Nachkommenschaft voraussetzt und nicht wie im Islam die enge Bindung an eine Sprache kennt. Während der Islam den Koran nur in Arabisch als geoffenbarten Text sieht, ist die Person Jesu nicht an eine Herkunft noch an eine bestimmte Schrift-Kultur gebunden. Die katholische Kirche hat ihre Bindung an das Latein gelöst. Das sind nur Ansatzpunkte. Die christliche Theologie muss sich noch bewähren, indem sie mit Jesus von Nazareth eine tiefere Einsicht in die Evolution einbringt, damit der Mensch befähigt wird, die Evolution in ihrer Tiefe zu verstehen.
Evolution: Freisetzung von Entwicklungsschritten
Aktuell geht es um Ökologie und Globalisierung. Wenn die Theologie keinen weiterführenden Beitrag in die ökologische Bewegung einbringt, dann glaubt sie nicht daran, dass es ein Christentum gibt, das sich im Durchgang durch die ökologische Herausforderung weiter entwickeln wird. Zumindest könnte sie den Kirchgängern erschließen, dass die Pflanzen und die Tiere wie auch die Bodenschätze nicht einfach dem Menschen, der gerade Zugriffsrechte auf bestimmte Grundstücke hat, gehören können. Sie gehören sich selbst und Gott wacht darüber, dass seine Schöpfung vom Menschen nicht entstellt wird. Es gibt im Römerbrief des Paulus die Idee, dass nicht nur der Mensch, sondern die vom Menschen beeinträchtigte Schöpfung von Christus erlöst wurde.
Gott „ratifiziert“ die Evolution durch Jesus
Um die Vorstellung über den Menschen mit den Erkenntnissen der Evolution weiterzuführen, kann auf Vorarbeiten bereits der ersten Theologengenerationen zurückgegriffen werden. Die frühen Theologen der Kirche haben die Geburt Jesu als Krönung der bisherigen Geschichte verstanden. Die Evolution ist mit dem Auftreten Jesu nicht additiv, sondern vom Menschen als ihrem Ziel der Milliarden Schritte der Entwicklung zu sehen. Das gelingt, wenn man vom Menschen aus die Evolution rückwärts liest. Was durch den Zufall verursacht wird, nämlich Variation, führt zu immer höheren Stufen des Lebens. Im Unterschied zum Coronavirus, welches wohl keine höheren Lebewesen hervorbringen wird, ordnen sich Milliarden Zufälle zu einer Linie, die ein Wesen hervorbringt, das nicht nur Produkt der Evolution ist. Dieses Wesen kann die Schritte der Evolution zurückverfolgen. Noch mehr: Es ist zwar aus Zufall gezeugt, stößt aber auf Notwendigkeit und Unbedingtheit z.B. der sittlichen Forderungen. Es ist dadurch aus dem physikalisch-biologischen Zusammenhang soweit befreit, als es selbst die Welt gestalten kann. Inzwischen haben die von Menschen geschaffenen Gebäude und Maschinen den Umfang der Biomasse überschritten. Der Mensch des 21. Jahrhunderts findet sich nicht mehr wie seine Vorfahren in der Natur vor, sondern muss lernen, der Natur nicht noch weiter ihren Raum wegzunehmen.
Es ist deutlich: Die Religionen sind noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Weil sie Antworten auf die Herausforderungen der Ökologie wie der Globalisierung in ihren Schriften suchen, können sie nicht das Potential ihrer Propheten und Mystiker aufgreifen. Das haben frühere Genrationen geschafft, indem sie das Alte nicht aufgeben, sondern es in einem neuen geschichtlichen Zusammenhang und mit einer neuen Sicht der Welt fortgeschrieben haben. So die Upanischaden im Hinduismus, bei den Juden das Buch Deuteronomium. Ein Neuentwurf der Theologie würde der der Religion nicht nur helfen, nicht nur die neue Welt zu verstehen, sondern diese mit zu gestalten.
Der Schöpfer verbindet sich nicht nur als Urheber mit dem Menschen
Die Person Jesu ermöglicht einen noch weitere Perspektive. In ihm ist die Sinnerfüllung schon von den ersten Christen als Heimholung verstanden worden. Gott identifiziert sich so mit der Evolution, dass er sich nicht nur als Idee, sondern als Person in diesen großangelegten Prozess einsenkt. Ganz im Unterschied zum Koran und dessen Ideengeber Arius wird Gott nicht in strikter Absonderung von seiner Schöpfung gesehen, sondern als der, der die Schöpfung von innen her durchdringt. Das haben die Mystiker schon immer erfasst. Hier sei auf ein Gebet verwiesen, das Ignatius v. Loyola als Zielpunkt seiner geistlichen Übungen formuliert hat. Er nennt es „Betrachtung zur Erlangung der Liebe“:
Schauen,
wie Gott in den Geschöpfen wohnt:
in den Elementen,
indem er Sein gibt;
in den Pflanzen,
indem er belebt; in den Tieren,
indem er Wahrnehmen schenkt;
in den Menschen,
indem er Verstehen gibt;
und so in mir,
indem er mir Sein gibt;
indem er beseelt;
indem er Wahrnehmen macht
und indem er mich verstehen macht;
ebenso indem er einen Tempel aus mir macht,
da ich nach dem Gleichnis und Bild seiner
göttlichen Majestät geschaffen bin. Exerzitienbuch Nr.235
Unserem Bemühen um Verstehen bietet das die Chance, die Erkenntnisse der Wissenschaft in ihrer Tiefendimension zu erfassen und uns die Furcht vor den notwendigen nächsten Schritten der Evolution zu nehmen.
Die Überlegungen oben sind durch Beiträge von Wolfgang Schreiner angestoßen. Diese finden sich bei hinsehen.net
Die Evolutionskomponente der Auferstehung
Corona, Produkt der Evolution
Roulette im Genom
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