Zwei Boote- zwei Weltsichten auf einem See, Foto: hinsehen.net E.B.

Das Böse – Theisten und Atheisten vor der gleichen Aufgabe

Syrien und die anderen Übel der Welt wie die gezielte Vernichtung ganzer Volksgruppen und Völker lässt die Philosophie ratlos bei der Frage ankommen, warum Gott nicht eingreift, um das Böse auszuschalten. Aber weder Vernunft noch Religion haben das Böse aus der Geschichte herausdividiert. Es begleitet die Menschheit weiter und verlangt eine gemeinsame Anstrengung, ob von Theisten oder Atheisten. Der Schlüssel liegt in der Weiterentwicklung der menschlichen Freiheit

Die menschliche Freiheit ist gefordert, obwohl sie verdächtigt wird, Einfallstor des Bösen zu sein. Da jedoch das Böse die Freiheit des anderen einschränkt, ihn sogar vernichtet und dann auch auf den Täter zurückschlägt, kann die Freiheit nicht der Wurzelgrund des Bösen sein. Auch die Vernunft immunisiert nicht gegen das Böse, denn es ist eine in hohem Maß intelligente Planung notwendig, um einen Völkermord nicht nur zu beschließen, sondern auch zu vollstrecken. Ebenso wie die Vernunft kann auch die Religion für Diskriminierung und die Vernichtung Andersgläubiger instrumentalisiert werden.

Die Philosophie wie die Religionen müssen den Freiheitsmut stärken

Als Ressource im Kampf gegen das Böse bleibt die Freiheit, nicht als stille Ablehnung von übler Nachrede, Mobbing, Verunglimpfung Andersdenkender, sondern als  Freiheitsmut, nämlich sich zusammen mit anderen der Ausbreitung von Verächtlichmachung, Mobbing, Mord, Bürgerkrieg entgegenzustellen.
Weder die Abschaffung Gottes, weil er nicht in der Lage ist, das Böse zu unterbinden, noch die Installierung der Vernunft als oberste Instanz führen in der Auseinandersetzung mit dem Bösen weiter. Es ist unentwirrbar in die Geschichte der Menschheit verflochten und fordert zu einem größeren Einsatz heraus. Die Auseinandersetzung zwischen Theisten und Atheisten und Theisten lenkt nur von der Frage ab, wie mehr Menschen zu dem Freiheitmut finden, übler Nachrede, Verunglimpfung, Mobbing und Krieg entgegenzutreten. Es ist nicht nur mehr Nachdenken gefragt, sondern mehr Einsatz.
Die Religionen sind ebenso mit Gewalt und Krieg konfrontiert, motiviert aus der Überzeugung, mit der Vernichtung anderer dem Willen Gottes zu gehorchen.  Das Böse als Tatbestande fordert eine Rechtfertigung Gottes. Er soll eingreifen, um die Untaten der Menschen nicht zum Exzess werden zu lassen. Aber das würde nicht grundsätzlich etwas ändern. Mit seinem Eingreifen besteht sogar die Gefahr, dass dann das Böse noch mehr um sich greift. Weil ja Gott das Schlimmste verhindert, kann man, ohne die Konsequenzen zu tragen, andere mobben, Gewalt androhen und sogar einen Völkermord organisieren. Schafft man Gott ab, ändert das nicht an der weiteren Wirksamkeit des Bösen. Ob Gottgläubige oder Gottesleugner, beide stehen vor der gleichen Aufgabe: Mehr Friede und weniger Hass und Gewalt.

Warum von Gott ein Eingreifen fordern, wenn der Mensch gefragt ist?

Es hilft nicht, von Gott ein direktes Eingreifen zu erwarten, damit das Böse sich nicht weiter ausbreiten kann. Gott müsste seine Schöpfung anders gestalten, wäre aber immer mit der Möglichkeit konfrontiert, dass etwas vernichtet wird. Gerade der Mensch ist nicht immun gegen Vernichtung. Gott ist damit konfrontiert, dass Geschöpfe anderes, was er auch geschaffen hat und auch die Spitze der Evolution, den Menschen, ins Nichts stoßen können. Die Menschheit insgesamt ist wie keine andere Tierart in der Lage, sich vollständig auszulöschen. Die Atom- bzw. Wasserstoffbomben müssen nicht mehr entwickelt werden. Das Arsenal ist groß genug, um alles Leben auf dem Planeten durch Radioaktivität unmöglich zu machen.  Möglicherweise kann Gott verhindern, dass die Menschheit sich und das Leben insgesamt auslöscht. Erstaunlicherweise ist es nach dem Bombenabwurf über Hiroshima und Nagasaki nicht mehr zum Einsatz einer solchen Waffe gekommen.

Die Freiheit kann nicht verantwortlich gemacht, sondern muss gefördert werden

Die Fähigkeit zum Bösen wird von Philosophen und Theologen der Freiheit „untergeschoben“. Die Freiheit sei das Einfallstor des Bösen.  Das bringt Religionsgemeinschaften wie Staatslenker auf die Idee, die Freiheit einzuschränken. Wenn aber Gott der Urheber der menschlichen Freiheit ist, dann müsste er zumindest auf die Freiheits-Fähigkeit der Menschen setzen. Die Philosophie, die sich doch als Verteidigerin der Freiheit versteht, sollte also überlegen, welche Konsequenzen es hat, wenn sie die Freiheit zum Einfallstor des Bösen erklärt. Staaten, die die Freiheit beschneiden, sind eher in der Gefahr, das Gewaltpotential zu erhöhen, denn sie machen sich nicht die Mühe, durch Bildung, durch kulturelle Ausdrucksformen und durch Religion das Böse zu überwinden, sondern greifen, weil es viel einfacher scheint, auf ihre Geheimdienste und Polizeigewalt zurück. Wie die politische Macht muss auch die Religion an der Überwindung des Bösen intensiver arbeiten. Sie hat zwar den blutigen Opferkult überwunden, aber Menschenopfer in der Form der Selbstmordattentate werden immer noch religiös gerechtfertigt.

Mit oder ohne Gott: Die Menschen müssen mit dem Bösen zurechtkommen

Das Problem wird nicht einfacher, wenn man Gott aus der Gleichung herausnimmt. Die Möglichkeit, etwas oder den anderen zu vernichten, bleibt. Das Böse, die Überantwortung von etwas, das ist, aber nicht notwendig ist und deshalb auch nicht sein könnte, an das Nicht-Sein, bleibt weiter bestehen. In Bezug auf die Überwindung des Bösen ist nichts gewonnen, wenn man Gott ablehnt. Deshalb dürfte es gegenüber dem Bösen keine Differenz zwischen Gottgläubigen und Gottesleugnern geben. Es hängt vom Freiheitsmut der Menschen ab, ob das Böse sich ausbreiten oder eingedämmt werden kann. Je mehr Freiheit, desto größer die Immunität gegenüber Mobbing, Üble Nachrede, Unterdrückung, Genozid.

Das Theodizee-Argument als Entwicklungsstufe des Atheismus

Was soll aber dann das Theodizee-Argument überhaupt: Es ist ja eine naive Vorstellung, dass Gott wie ein Installateur ständig nachbessert, was im Maschinenraum der Geschichte nicht richtig ineinander greift und dann der Ungerechtigkeit, dem Neid, der Eifersucht, dem Hass und der Gewalt den Weg bahnt. Von den Religionen kommt diese Vorstellung, dass Gott nachbessert, nicht. Vielmehr geht es um die Zukunft mit mehr Gerechtigkeit, mit mehr Wohlwollen, mit mehr Frieden. Vielleicht ist der Vorwurf, Gott müsste eingreifen, ein Durchgangsstadium des Atheismus. Es hört sich so ähnlich an, wie wenn der Sohn das Auto des Vaters nimmt und einen Unfall baut. Ist der Vater jetzt verpflichtet, das wieder in Ordnung zu bringen? Solange der Sohn nicht mündig ist, hat er auch in solchen Fällen die Fürsorgepflicht. Ist der Sohn aber 18 Jahre alt, dann muss er für den Unfall gerade stehen. Eigentlich ist das atheistische Experiment inzwischen bei der Situation des Sohnes, der einen schweren Unfall produziert hat, angekommen. Denn man muss die Frage stellen, ob der Atheismus eigentlich für die Todesopfer des Holomodor und des Holocaust die Verantwortung übernehmen sollte. Vor allem muss der Atheist den Theisten erklären, wieso die Kriege nach den Erfahrungen mit den Diktaturen, dem Aufbau einer weltweiten Friedensagentur in Form der UNO immer noch weiter gehen. Eigentlich müsste der säkularisierte Westen die Instrumente entwickelt haben, um dem Konfessionskrieg zwischen Schiiten und Sunniten, der den Irak spaltet, den IS viele Kämpfer zugeführt hat, in Syrien und im Jemen zu unversöhnlichem Dauerkrieg geführt hat, einzudämmen.

Die Vernunft darf nicht auf ein Eingreifen Gottes wartenLinks 

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Gott vor dem Gericht der Vernunft 
Noch mehr Gewalt, wenn Gott eingreift



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