Hand über dem Kreuz, ein noch zurückhaltendes Gottesbild, San Stephano, Rom. Foto: hinsehen net

Bericht über das Beten

Die große Befragung der Evangelischen Kirche registriert einen Rückgang der Gebetspraxis. Bei den Evangelischen in den letzten 10 Jahren um 2,1%, bei den Katholiken um 13,8%. Der Gott, der als Person angesprochen werden kann, ist für Viele kein Gegenüber mehr.

Die evangelischen Christen beten etwas mehr als die katholischen. Wenn man diesen Trend in den Zusammenhang mit der Gottesvorstellung bringt, dann erklärt sich der Rückgang aus den Antworten auf die Frage nach Gott:

19% Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gibt. 

29% Ich glaube, dass es ein höheres Wesen oder eine geistige Macht gibt.

20% Ich weiß nicht richtig, was ich glauben soll.
33% Ich glaube nicht, dass es einen Gott, irgendein höheres Wesen oder eine geistige Macht
        gibt.

Wenn 29% der Befragten ein Höheres Wesen, eine geistige Macht für möglich halten und 20% gar keine Vorstellung entwickelt haben, dann werden diese Menschen auch nicht beten.

23% der Bevölkerung stimmen dem Statement zu: „Ich glaube nicht an Gott, habe aber früher an Gott geglaubt“
20% der evangelischen und 23% der katholischen Kirchenmitglieder kreuzen dies Statement, von den Konfessionslosen 28%. Meinen sie damit, dass es den von den Kirchen verkündeten Gott nicht gibt oder dass tatsächlich alles Materie ist?

Die Antworten der Befragten werden nicht ernstgenommen

Die Befragung wird so interpretiert, dass die Religion verschwindet. Diese Sichtweise wird dann noch einmal verstärkt durch die Behauptung, dass Glaube nur in einer Kirchenbindung möglich sei. Wie die Interpreten das aus der Untersuchung so eindeutig herauslesen wollen, wird nicht belegt. Auch beachten diejenigen, die genau zu wissen scheinen, was hinter dem Rückgang steckt, nicht eine methodische Schwäche der Untersuchung: Sie hat deutlich, auch sprachlich erkennbar, die Kirchen als Absender. Wer den Fragebogen in die Hand bekommt, merkt sofort, dass er zur Gottes- und Weltsicht der Kirche Stellung nehmen soll. Das liegt an der Methodik „Fragebogen“. Die Befragten können nur ausformulierte Statements ankreuzen. Es ist nicht ihre Religiosität, sondern eine offizielle, mit eingespielten Sprachmustern, die die Kirchgänger wiedererkennen sollen. Was die Mehrheit der Bevölkerung wirklich denkt, sich vorstellt, muss mit anderen Methoden, die nicht schon die Antworten vorgeben, erhoben werden. Eines ist nur überdeutlich: Der Großteil der Bevölkerung folgt nicht mehr der Gottesvorstellung ihrer Kirchen. Allein 11% der Konfessionslosen erklären „Ich glaube an Gott und habe immer an Gott geglaubt.“
Auf die Frage, auch ohne Kirche christlich sein zu können, stimmen Katholiken deutlicher zu als Protestanten, auf einer Skala von maximal 7 als höchste Zustimmung liegen die Katholiken bei einem Durchschnittswert von 5,72 die Protestanten bei 5,60, also weit über dem Mittelwert.

Wieder über Gott miteinander sprechen

Die Daten sind für die Prediger beider Kirchen enttäuschend. Ihre „Gottesrede“ wird nicht mehr aufgenommen. Es sind wahrscheinlich andere Formen hilfreicher. Ein Austausch über die Gottesvorstellung der Einzelnen ist ein sinnvoller Zugang. Es stellt sich heraus, dass jeder, jede sich eine andere Vorstellung von Gott macht, diese jedoch nicht in Gegensatz treten, sondern das Gebetsapostolat hat das ausprobiert. als sich ergänzend erfahren werden.

Die Religionspsychologie hilft weiter

Jutta Mügge hat eine Ursache für die Abwendung von dem von den Kirchen verkündeten Gott aufgezeigt: Die Religionspsychologie hat herausgefunden, dass das Gottesbild, das sich bei Kindern in der magischen Phase bildet, mehrerer Entwicklungsstufen vor sich hat, um bei einer Synthese von Freiheit-Selbstverantwortung und Gott anzukommen. Nach ihren Beobachtungen wird Gott oft so verkündet, dass die Menschen nicht in diesen Erwachsenenglauben geführt werden. Symptom dafür ist das Alter, in dem die Firmung zu früh gespendet wird. Sie ist ja deshalb sinnvoll und notwendig, damit die Gottesfragen, die sich erst in der Pubertät mit dem erwachenden Freiheitsbewusstsein gestellt werden, zur Sprache kommen und in eine neue Gottesvorstellung münden.

Die Theologen und Theologinnen sind gefragt

Diese lehren, was in den biblischen und späteren Texten über Gott gesagt wird. Notwendig wäre jedoch, dass sie auch die Gottesvorstellungen der Menschen einbeziehen und vor allem die ernst nehmen, die sagen, sie könnten sich keine näheren Vorstellungen über die größere Macht bilden, die sie über sich vermuten. Es bleiben immer Vorstellungen von Menschen. Diese müssen sich entwickeln und werden herausgefordert durch die Vorstellungen von der Welt und der „Gesellschaft, aus der die Heranwachsenden ihre ersten Vorstellungen gewinnen. Da hat sich sehr viel geändert. Gott regiert nicht aus dem Himmel die irdischen Geschicke. Was der Barock noch malen konnte, ist durch die neue Kosmologie eines riesigen Weltalls nicht mehr denkbar. Zudem kann eine Gesellschaft, die jedem sagt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und so die eigene Freiheit zu verwirklichen, nicht mehr von einem Gott ausgehen, der ständig in das eigene Leben eingreift. Da hier ein entscheidender Unterschied zum Islam besteht, ist diese Sicht Gottes doppelt dringend voranzubringen.

Der Verein zur Förderung des Gebetsapostolates wird sich diesen Fragen stellen und dann erst wieder vom Gebet sprechen. Auf erste Beiträge sei hier verlinkt

Jutta Mügge: Die Kirchenkrise ist eine Freiheits- und Gotteskrise

Zu den Gottesbildern der einzelnen, die sich gegenseitig ergänzen:
Gottesbilder haben ein Verfallsdatum
Welches Gottesbild trägt meinen Glauben?

Die Daten zu Gebet und Gottesbild finden sich in der Umfrage der Evangelischen Kirche bei den Nummern 55+56 
https://kmu.ekd.de/fileadmin/user_upload/kirchenmitgliedschaftsuntersuchung/PDF/Anhang_Tabellen_Grundausz%C3%A4hlungen_der_6._KMU.pdf


Kategorie: Analysiert

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