Die Institution muss modernisiert werden. Die Frage, wie die Menschen wieder in die Gottesdienste finden oder zur Beichte gehen, gelangt nicht auf die Tagesordnung. Woher kommt die Idee, erst die Institution umzubauen, um dann erst das Thema anzugehen, weswegen es die Kirche überhaupt gibt, nämlich eine Beziehung zu Gott zu finden, um aus dieser Beziehung sein Leben besser gestalten zu können. Es ist das Konzept der Achtundsechziger. Gewinnt die Institution aber so ihre Ausstrahlung zurück, dass die Menschen nicht nur ihre Kirchengebäude besichtigen, sondern auch die Gottesdienste feiern?
Mit dem Rückhalt der Medien hat die Katholische Kirche vier Jahre lang auf einem Synodalen Weg eine freudvollere Grundstimmung gesucht. Das Ergebnis hat es nur auf die dritte Seite der Zeitungen geschafft. Das Aufatmen ist ausgeblieben. Irgendwie fehlt der Lichteinfall von oben, die Raupe hat sich nicht verpuppt, um Flügel zu bekommen. Das war beim Konzil vor 65 Jahren anders. Das hat uns beflügelt. In diesen Jahren bleibt die Katholische Kirche in ihren Verwaltungsstrukturen hängen
Reform aus der Kraft der Institution – eine Idee der Achtundsechziger
Brauchen die Bewohner der Postmoderne eine andere Kirchenorganisation oder nicht dringender einen Hoffnungsschimmer, nachdem es nicht mehr vorrangig um das marode Schienennetz oder die 500 Baustellen geht, die auf den Autobahnen für Staus sorgen, sondern etwas, das man der Ohnmacht entgegensetzten kann, in die uns der Krieg der Russen gegen die Ukrainer gestürzt hat. Und wo kommt aus dem modernen Leben der Elan her, die ökologischen Herausforderungen entschiedener aufzunehmen. Die Idee, über die Optimierung der Institution die Kraft zu finden, stammt von den Achtundsechzigern. Sie setzt die Überzeugung voraus, dass mit einer Änderung der Rahmenbedingungen die entscheidenden Lebensthemen ihre Erfüllung finden: Gelingende Beziehungen, ein gutes Miteinander auf dem ganzen Kontinent, Frieden mit Tieren und Pflanzen. Das ist nicht so verschieden von den Zielen der Achtundsechziger. Diese haben, um ihre Vorstellungen umzusetzen, den Marsch durch die Institutionen propagierte. Die Altersgruppe, die sich auf den Synodalen Weg gemacht hat, sah die Chance, die unerledigten Reformideen der siebziger Jahre doch noch zu verwirklichen: Abschaffung des Zölibats, Priesterweihe auch für Frauen. Die Zulassung erneut Verheirateter zur Kommunion war von einer römischen Bischofssynode schon ermöglicht worden. Reicht das angesichts der Bedrohungen? Die Religion nutzt doch andere Quellen als institutionelle Strukturen.
Katholisch geht anders
Ich habe als Mitglied eines religiösen Ordens diesen Weg nicht verstanden. Denn jede Ordensspiritualität fängt mit der Frage an, was Gott von mir persönlich will und wie ich ihm näherkommen kann. Der Synodale Weg wollte zuerst das Wohnzimmer umgestalten, um einladen zu können. Wer jedoch wartet im Wohnzimmer und lädt ein, ihn zu besuchen? Ist es tatsächlich so, dass zuerst die Institution ihrer notwendigen Renovierung unterzogen werden muss, ehe sie sich ihrem Thema wieder widmen kann? Ich habe erst nach Ende dieses Beratungsprozesses verstanden, warum die Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften, Frauen am Altar, eine Beteiligung von Laien am Leitungsamt des Bischofs für die Wanderer auf dem Synodalen Weg unabdingbar sind, ehe sie sich auf den Weg zu Gott machen. Für diese Wanderer müssen wohl erst die Strukturen geregelt sein, ehe man sich auf Gott neu einlassen kann. Das betrifft allerdings nur den Personenkreis, der im Moment die institutionelle Kirche leitet und sich wohl gegenseitig in das Gremium optiert hat. Die Millennials ringen um diese Fragen nicht. Ist nicht die Grundstimmung der Mehrheit inzwischen eine ganz andere, nämlich ausweglos einem Krieg zuschauen müssen. Oder eine Antwort für die jungen Menschen zu finden, die sich als letzte Generation sehen. Bleiben nicht alle guten Vorsätze unwirksam, weil sie in den tausend Zwängen einer Konsumgesellschaft verklebt sind?
Dabei funktioniert katholisch auf allen Kontinetne und sogar in der digitalen Kultur. Die ökologischen Optionen von Laudato si haben weltweit Anerkennung gefunden. Die Caritas ist einer der Hauptakteure in der Bewältigung der Flüchtlingsströme, die Kindergärten sind lebendige Zentren, die Katholischen Schulen sind begehrt. Sie alle sind wohl deshalb nicht von dieser lastenden Schwermut besetzt wie die Pfarreien, weil sie nicht ihre Strukturen optimieren, sondern sich einer Aufgabe stellen.
Marx – Ideengeber des neueren Katholizismus in Deutschland
Die Idee, über die Struktur die Gesellschaft zu optimieren, stammt von Karl Marx. Er wirkt seit der Studentenrevolte in beide Kirchen hinein. Die Älteren hatten in den Siebzigern mit den im Anschluss an das Konzil installierten Gremien und dem neuen Aufschwung der Liturgie auf Demokratisierung gesetzt. Also die Liturgie nicht mehr dem Gestaltungswillen nur der Priester zu überlassen und mehr Einfluss auf die seelsorgerlich und katechetischen Angebote der Pfarrei zu nehmen. Aber weder die Liturgiereform noch die Gremien haben den Auszug aus der Heilsanstalt „Katholische Kirche“ aufgehalten.
Welchen Einfluss hat der Marxismus auf die Katholische Kirche genommen, dass die Struktur der Kirche so wichtig geworden ist? Er ist nicht zur Theologie der Katholischen Kirche geworden. Das hatte der polnische Papst gefürchtet. Jedoch hat Marx den Reformbestrebungen den Weg gewiesen. „Marsch durch die Institutionen“ und Reformen zu versprechen, weil sie einfach deshalb zum Erfolg führen werden, weil eine Reform etwas Besseres hervorbringen wird. Als weiteres Erfolgsversprechen kam die Überzeugung hinzu, dass wenn die Strukturen menschenfreundlich umgebaut werden, auch das Thema, die Anliegen, die Aufgabe, die Zielsetzung der Institution sich dann leicht und wie von selbst umsetzen. Das konnte in den siebziger Jahren noch verlockend sein. Jedoch mit dem Papst aus dem kommunistischen Polen und den Christen in der DDR hätte man sich ein Urteil bilden können. Die kritischen Stimmen gegen die marxistische Konzeption einer Reform wurden als rückschrittlich diskreditiert. Die Konservativen haben sich dann als erste aus dem Katholischen Mainstream gelöst. Jetzt folgen die Generationen, die Religion für ganz andere Probleme brauchen könnten als sie der Synodale Weg behandelt hat.
Karl Marx und in seinem Gefolge Josef Stalin hatten den Umbau der Wirtschaft durch Kollektivierung als den Weg in die Zukunft durchgesetzt. Die beiden Großkirchen wählten sich zwei andere Projekte. Die Evangelische Kirche engagierte sich bei politischen Fragen, die Katholische Kirche baut immer noch ihre Strukturen um. Der marxistische Impuls führte auch in beiden Kirchen zum gleichen Ergebnis, nämlich die Bestimmungsmacht der Funktionsträger zu erhöhen. Die Katholiken, die aus anderen Ländern kommen, sehen den Unterschied zur ihren Bistümern in dem hohen Organisationsgrad des deutschen Katholizismus. Dieser lähmt wie in den kommunistischen Ländern das ganze Gemeinwesen. Wenn Religiosität Objekt von Verwaltungen wird, setzt sie nicht mehr frei.
Die Ideen von Marx haben die Religiosität vergesellschaftet
Die marxistische Idee, die Institution "Kirche" zu optimieren, hat die deutschen Katholiken zu einem guten Teil der persönlichen Religiosität beraubt. Es kam zwar nicht zu der Kollektivierung wie bei der großangelegten Umsetzung im Sowjetsystem, aber zur Auflösung der religiösen Praxis, als erstes der Beichte.
Inzwischen hat die Sitzung den Gottesdienst aus dem Kern des Katholischen verdrängt. Die Sitzung als Instrument, die Strukturen zu ändern und Aktionen zu planen, hat die Religiosität nicht befördert. Das alles mit bester Absicht. Wie dieser Gestaltwandel des Katholischen fast unbemerkt verlaufen ist, wird in einem weiteren Beitrag aufgezeigt.
Erste Beiträge zu einem Porträt der Achtundsechziger und ihrer Wirkungen finden sich hier
Die Achtundsechziger – Erbstücke aussortieren
Kirche wie Demokratie sterben an der Bestimmungsmacht der Verwaltungen
Viel Schatten – aber auch Licht, vor zwei Wochen endete der Synodale Weg
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