Schwäbisch Gmünd; Foto: hinsehen E.B.

Kirche wie Demokratie sterben an der Bestimmungsmacht der Verwaltungen

Nicht nur die groß ausgebauten kirchlichen Verwaltungen lösen die tiefgehenden Probleme nicht. Der Sexuelle Missbrauch ist nur eines, das seit 12 Jahren vor sich hinmodert. Es ist ein Erbe der Achtundsechziger, immer noch von der Institution zu erwarten, was sie nicht leisten kann. Das trifft ebenso auf die Demokratie zu. Ein Abgesang.

Eine Institution Katholische Kirche ist nur ein Beispiel für den Irrtum der Achtundsechziger. Sie kann nur regeln. Jesus hat keine Verwaltung aufgebaut, um sein Evangelium bekannt zu machen. Anders als die Achtundsechziger hat er seine Jünger nicht in eine Tempellaufbahn geschickt. Er hat die damalige jüdische Institution kritisiert und an ihr vorbei sich direkt an die Menschen gewandt. Denn Religion kann nicht von einer Institution "gemacht werden", sie entsteht im Menschen, um zu Gebet, sozialem Einsatz, zu Gottesdienst zu werden. Das gilt für die Demokratie in gleicher Weise. Da unser Leben von wenigen Beziehungen getragen wird, sind diese entscheidend, ob ich zum Christ oder zum Demokraten werde. Gemeinsam Christ bzw. Demokrat werden und das erst einmal selbst praktizieren. Eine Verwaltung betet und ist völlig undemokratisch. 

Die Institution ändert nicht die Einzelnen, manchmal andersherum

Die Achtundsechziger und mit ihnen die Kirchen haben das alte Prinzip aufgegeben, beim Einzelnen anzusetzen. Auch 2023 versucht die Katholische Kirche weiter, die Machtverhältnisse innerhalb der Institution neu ordnen und verspricht den Katholiken eine bessere Kirche. Das ist "modern", allerdings bereits 1968 von Karl Marx noch mal übernommen. Frühere Reformer haben beim Einzelnen angesetzt, so auch Papst Franziskus. Bei der Synode über die Familie mussten die Bischöfe in Sprachgruppen sich zuerst ihre eigene Familiengeschichte erzählen, bevor sie über die anderen geredet haben. Sie hatten dann nicht mehr nur die kirchliche Lehre im Blick, sondern wie Familie gelingt.

Christ- wie Demokrat werden, geht nur Face to Face

Ich selber bin in solchen überschaubaren Gruppen Christ geworden, zuerst als Messdiener, dann als Pfadfinder und habe mich dann einer Ordensgemeinschaft angeschlossen. Mit 30tägigen Exerzitien wird man dort Mitglied und ist mit den anderen zusammen, die mit dem gleichen spirituellen Startkapital ausgestattet wurden. Wie machen das die Demokraten? Die Texte tun des Synodalen Weges tun weiter so, als ginge das von selber, wenn an der Institution die entsprechenden Änderungen vorgenommen werden. Das ist das marxistische Heilsversprechen, dass eine Geheimpolizei braucht und deshalb in der Korruption endet, weil man ja irgendetwas von der Institution bekommen muss. Christlich hieße das Bekommen Wachstum in Glaube, Hoffnung und Liebe. In der Demokratie wären das Freiheiterfahrungen, dass ich wichtig für das Gemeinwesen bin. Dafür gilt das Subsidiaritätsprinzip, dass von Staat und Kirche immer mehr ausgehöhlt wird. Das geschieht nicht wie in der ehemaligen DDR durch Überwachung, sondern durch eine Inflation von Verwaltungsvorschriften und damit immer größeren Bistums- und staatlichen Verwaltungen. Das Leben wird doch erst interessant, wenn ich möglichst große Gestaltungsmöglichkeiten habe. Jede Verwaltungsvorschrift verkleinert diese. Wenn diese entscheidenden Güter nicht in Briefen verschickt oder digital fließen können, sondern von den Menschen selbst gemacht werden müssen, dann kommt diese Gesellschaft heraus. Weil die entscheidenden Werte durch die Verwaltungen abgeschöpft werden, bleibt der Konsum und am besten ein SUV in der Garage. Aber das Seligwerden, welches die Religionen versprechen, kann man nicht kaufen. Das hat Luther deutlich gesehen und Jesus bereits mit dem "Selig seid ihr .." versprochen.

Der Marsch durch die Institutionen

Dass die Katholische Kirche in Deutschland so überdimensionierte Verwaltungen aufgebaut hat, ist nicht aus der Kirchenkonzeption Jesu abgeleitet, sondern aus der Politik. Das kann man aus den damaligen Umfeld erklären. In den sechziger Jahren wurde nämlich deutlich, dass in den Institutionen sehr viel Potential aktiviert werden könnte. Die Schul- und Universitätsgebäude, für diese wie für die Verwaltungen waren die Planstellen eingerichtet. Man brauchte sie nur mit den Leuten besetzen, die das Richtige wollen und vorher marxistisch ausgebildet worden waren. Auch in der Kirche war all das da, die Kirchensteuereinnahmen wuchsen, das Theologiestudium war noch vielversprechend. Es schien ganz einfach, man musste nur die Köpfe umpolen. Wie der ehemaligen DDR und den anderen kommunistischen Ländern ist auch der Katholischen Kirche die marxistische Reform über die Institutionen nicht gut bekommen. Die Katholische Kirche ist im Osten Deutschlands bereits den Weg der Kleinen christlichen Gemeinschaften gegangen. Nicht nur um die Stasi rauszuhalten, sondern um die Katholiken aus der Vereinzelung einer Minderheit herauszuholen, haben sich die Familienkreise in den Privatwohnungen getroffen. Sie waren das Rückgrat in den Gemeinden und haben die Persönlichkeiten hervorgebracht, die politische Verantwortung übernommen haben. Ein entscheidender Faktor war auch die von Rom den Priestern auferlegte Verpflichtung, kein politisches Mandat anzustreben, so dass die Laien, vorbereitet durch die Pfarrgemeinderäte, sich zur Wahl gestellt haben. Den entscheidenden Runden Tisch in Berlin haben zwei Priester geleitet, ohne sich eine politische Karriere daraus zu bauen. Eine Religionsgemeinschaft kann im Minderheitenstatus überleben, eine Demokratie nicht. Umgekehrt ist eine Kirche, deren Mitglieder mit einem Leben nach dem Tod rechnen, für eine Demokratie ein guter Rückhalt, denn sie hält den Staat davon ab, sich zum Sinnstifter seiner Bürger zu machen. Aber ob Kirche oder Demokratie, gegenüber dem Langweilig-Mittel „Verwaltungshandeln“ sind bei nicht immun.

Die Institutionen haben die Achtundsechziger gezähmt

Für die Industrie lässt sich das einfacher beantworten: die Betriebswirte haben den Soziologen und Politologen die Zähne gezogen. Da die Psychologen am Einzelnen orientiert sind, kamen sie hauptsächlich durch die Beratungsunternehmen zum Zuge. Ihre Vorstellungen von Social Skills und Work-Life-Balance sind inzwischen von den Millennials aufgenommen worden. Auch wenn es in den Non-Profit-Institutionen nicht primär über die Finanzen möglich war, die Institutionen haben die Achtundsechziger lahmgelegt. In der Katholischen Kirche einfach dadurch, dass das Kirchenrecht den Pfarrern eine größere Unabhängigkeit und viel mehr Kompetenzen gibt als das Schulamt dem Rektor oder eine Unternehmenszentrale ihren Filialleitern. Entsprechend dem marxistischen Konzept richteten die kirchlichen Verwaltungen über die Bau-, Finanz- und Personalabteilungen hinaus viele Referentenstellen für die Themenfelder Seelsorge, Liturgie und Bildung, Kunst u.a. ein. Diese wurden aber nur mit so viel Geld ausgestattet, dass sie Konzepte entwickeln und vervielfältigen konnten. Da diese Konzepte anders als in Handelsunternehmen nicht verbindlich gemacht wurden, brauchten sie an der Basis Partner, der ihre Ideen umsetzt. Das hing von den Führungskräften vor Ort ab. Diese haben die Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung übernommen. Viele andere gute Konzepte sind Papier geblieben, nicht nur weil die Pfarreien diese nicht übernommen haben, sondern weil die Verwaltungen keine Umsetzungsstrategie, vor allem entsprechende Bildungsmaßnahmen und eine Werbung, die tatsächlich den Erfolg einspielte, aufgebaut haben. Dass das geht, haben Aldi und Lidl gezeigt. Die Verwaltungen haben als Machtmittel die Finanzen und die Vergabe von Planstellen ausgebaut. Ideen bringen sie nicht hervor, sondern verhindern die eher. Die katholischen Verbände waren und sind, soweit es sie noch gibt, sehr viel effektiver als die bischöflichen Referenten. In der Demokratie braucht es daher die Parteien.

Die Verwaltung hat das Geld, aber nicht die Gläubigen

Bis in die achtziger Jahre funktionierte das noch einigermaßen, nämlich so lange die Leitungspositionen Priestern vorbehalten waren. Diese haben die Pfarrer und Dekane als Kollegen behandelt. Zudem sind die meisten Hauptabteilungsleiter wieder zurück in die Seelsorge gegangen. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass kaum noch Priester in leitender Funktion in den Verwaltungen tätig sind, also viele Hauptabteilungsleiter als Laien nicht mehr problemlos auf eine gut ausgebaute Pfarrstelle oder Dekanatsleitung wechseln können Da die Laien nicht eine effektivere und vom Gedanken der Dienstleistung formierte Verwaltung aufgebaut haben und von den Priestern die Überheblichkeit übernommen haben, Social Skills seien angeboren, sind die Aussichten, anderswo eine vergleichbare Position angeboten zu bekommen, sehr gering. Die Konsequenz ist Anpassung und das Pochen auf den vorgegebenen Finanzplänen und den vom Bistum verordneten Regelungen. Da sich kaum jemand in den Pfarreien inhaltlich von einem Fachreferenten in der Verwaltung etwas sagen lässt, wird das Regelungswerk über die Finanzen immer mehr verfeinert. Weil es viel Geld gibt, gibt es auch viele Stellen, die das Geld verwalten. Da ich nicht in diesem System arbeite, weil Orden sich selbst verwalten, kann ich nur eine Entwicklung beobachten, die in den Versicherungen schon lange zu beobachten ist. Die Verwaltung verfügt über das Geld und kommt zu der Überzeugung, dass es „ihr Geld“ ist und dass die in den Pfarreien Tätigen sich an die Vorgaben der Verwaltung zu halten haben. Ich bin noch zu in den Beruf hineingewachsen, dass die Dekane die Personen sind, die zwischen Verwaltung und Basis vermitteln. Ich habe in drei Diözesen beobachtet, dass ein Sachbearbeiter, eine Sachbearbeiterin einem Dekan eine Maßnahme verbieten konnten, einmal sogar Gottesdienste. Wie die theologischen Hochschulen gelten Gottesdienste bei Verwaltungen als zu teuer. Dass junge Männer den Eindruck gewinnen können, nicht ihr Berufungscharisma sei gefragt, sondern die regelgetreue Verwaltung des Geldes, ist seit einigen Jahren zu beobachten. Im Kampf gegen bürokratisches Denken hat der Papst die Referententätigkeit in einem der Dikasterien des Vatikans auf 5 Jahre beschränkt. Der Synodale Weg scheint durch mehr Frauen auf Leitungspositionen die Lösung zu sehen. Dabei hilft ein Begriff, der auch vom Papst für Bürokratisierung genutzt wird. Klerikalisierung nennt er das Verwalten, das nicht auf Glaube, Hoffnung und Liebe, sondern auf Durchsetzung von Regelungen setzt. Diese Fehlorientierung wird nicht in der seelsorglichen Praxis gefördert, sondern in den Verwaltungen.   

Der Marsch durch die Institutionen ist längst zum Erliegen gekommen

Wenn der Synodale Weg auf den Konzepten der Achtundsechziger weiter baut, gibt es bald nur noch das Gehäuse der Institution. Denn es scheint, dass die geistige Struktur des Katholizismus, also das, was Kirchenjahr, Gottesdienst und letztlich die Gottesvorstellung bisher überzeugend gemacht hat, sich aufgelöst. Sowohl die jungen Frauen und Männer wie die Bischöfe machen um die theologischen Fakultäten einen Bogen. Deren Weiterbestehen hat sich auf die Frage reduziert, ob Theologie nicht inzwischen zu teuer geworden ist. Für die Dreißigjährigen und die nachfolgenden Alterskohorten spielt die Katholische Kirche als Institution kaum noch eine Rolle. Glücklicherweise sind die jüngeren Jahrgänge weit genug weg von den marxistischen Heilsversprechen. Sie haben, anders als die Achtundsechziger, keine großen Erwartungen, die enttäuscht werden könnten. Die digitalisierte Nachmoderne erwartet von anderen Institutionen nichts Entscheidendes für ihr Leben. Das hat schon Jesus so gehalten, aber Rom bleibt erstaunlicherweise anziehend.

Jesus institutions-ungläubig

Jesus war wie heute die Millennials, sie sind gerade auch in den Dreißigern. Er hat auch seine Reich Gottes-Botschaft mit Gleichaltrigen umgesetzt und nicht mit den Schriftgelehrten. Wenn der Synodale Prozess sich an ihm orientiert, müsste er nur überlegen, wie die Alten endlich ihren Platz freimachen und den Jüngeren das. Feld überlassen. Dann würden diejenigen aus kirchlichen Verwaltungen fliehen, die das Neue mitbekommen wollen. Es findet da statt, wo Menschen ihr Leben mit der Botschaft Jesu abgleichen.
Die Parteien, über die die Einübung in die Demokratie laufen muss, brauchen ebenso eine Synode – nicht erst vor der nächsten Wahl, sondern wie die nachwachsenden Generationen an der Demokratie Freude finden – falls die Verwaltungen sie nicht vorher davor abschrecken.


Kategorie: Analysiert

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