Ich bin also beides, zufällig und dann doch unersetzlich. Ich muss beides leben. Denn mein Ursprung braucht das Zusammentreffen vieler Komponenten, vieler biologischen Zufälle und der Begegnung von Menschen. Wenn ich dann mein eigenes Leben in die Hand, für mich die Verantwortung übernehme, dann bin ich erst einmal der, der ich bin. Würde ich mich nur wie etwas Zufälliges verhalten, würde ich mich abhängig von dem machen, was mir gerade über den Weg läuft und mich in seine Richtung zerrt. Habe ich dann keinen inneren Kompass, wird man mir keine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen. Denn ich lasse mich ja ständig ablenken und bin dann anderswo. So bin ich ja auch geworden. Ich habe einen Charakter mitgebracht, mit dem ich mein Leben ordne und gestalte. Ich suche entsprechend meinem Charakter aus den Ereignissen und Begegnungen die aus, die mir geeignet scheinen, meinen Leben weiterzustricken. Ich muss also offen sein, das mir Begegnende sichten, um dann auszuwählen. Dann wird aus dem Zufälligen das für mich Notwendige.
Das Notwendige braucht das Zufällige
Verhalte ich mich wie die ungefragte Notwendigkeit, dann bin ich nicht mehr offen für das, was mir begegnet. Ich lande mit Notwendigkeit in der Sackgasse meines Charakters. Dann gilt nur das, was ich für richtig halte. Die anderen müssen das machen, was ich für notwendig halte. Das funktioniert eine Zeitlang. Dann werden die Menschen auf Abstand zu mir gehen. Denn ich lasse ihre Notwendigkeiten nicht gelten. Denn wenn ich selbst mich nur als notwendig sehe, dann müssen die anderen ja logischerweise dem folgen, was ich für notwendig halte. Das erleben die anderen als Anmaßung. Sie sehen natürlich, dass das, was ich für andere als notwendig durchsetzen will, meist nicht mehr zukunftsweisend ist, sondern bloßer Ausfluss meiner Charakterdynamik.
Mein Charakter bleibt unvollständig
Das Sich-Verrennen in sich selbst beachtet nicht, dass ich die anderen brauche, damit ich mich entfalte. Ich bin unvollständig und mit meiner Charakterprägung auch nur ein Ausschnitt der menschlichen Wirklichkeit. Das, was der Mensch ist, setzt sich aus unterschiedlichen Charaktertypen zusammen. Im Abendland werden dafür die vier Typen Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker genannt. Differenzierter ist das Enneagramm mit neun Typen.
Jeder kann bei sich schauen, welche Menschen er sich zu Freunden gewählt hat und mit wem er bzw. sie verheiratet ist. Selten wählen wir Menschen mit dem gleichen Charaktertypos, sondern meist jemanden, der etwas kann, was mir fehlt. Das tun wir instinktiv, weil wir ahnen, was wir zum Gelingen noch bräuchten. Mit jedem Misserfolg werden wir auf das gestoßen, was uns fehlt.
Aus Zufälligem wird Notwendiges
Unseren Charakter bringen wir mit oder bilden ihn in früher Kindheit aus, z.B. dadurch, dass wir instinktiv mitbekommen, welche Charakterplätze bereits besetzt sind und uns den Charakter wählen, den noch keiner lebt. Vielleicht ist unser Charakter auch in Grundzügen vorgegeben. Je länger ich lebe, desto mehr prägt sich mein Charakter aus. Ich werde zu einer festen Größe, mit der die anderen rechnen können. Ich verwandle Zufälliges in Notwendiges. Dann bin ich, der ich selbst mich gemacht habe und vielleicht auch der, der das verwirklicht hat, was in ihm steckte. Der musste ich ja werden.
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