Party for one

In diesem Jahr verbringe ich den Jahreswechsel zum ersten Mal alleine zu Hause. Ich war nie ein großer Silvesterfan. Den Wirbel um den letzten Tag des Jahres kann ich schon lange nicht mehr nachempfinden. Dennoch war ich die letzten Jahre immer eifrig darum bemüht, den Silvesterabend “standesgemäß” zu zelebrieren. Große Silvesterparty mit heftigen Kater am nächsten Tag, entspannter Raclette-Abend mit Freunden oder Neujahrswünsche, die zu einer spontanen Hausparty bei den Nachbarn geführt haben.

Sozialer Druck

Die Erwartungen an die letzte Nacht des Jahres sind groß. Das wird uns spätestens seit Mitte Dezember von allen Seiten vermittelt: Die Boutiquen werben in ihrer Auslage mit dem perfekten Outfit für die Silvesterparty. Am besten etwas, das funkelt und glitzert. In den Kochsendungen, die zwischen den Feiertagen im linearen Fernsehen ausgestrahlt werden, kann man sich noch Inspirationen für das perfekte Silvesterbuffet holen. Und die Prospekte der Supermärkte und Discounter sind voll mit Raketen, Sekt und Spirituosen. Damit wird ein gewisses Gefühl von “müssen” vorgegaukelt. Was machst du an Silvester? Wo feierst du und mit wem? Was ziehst du an? Fragen, die nach Weihnachten häufiger gestellt werden.
Fragen, die mich immer enorm stressen, vor allem, wenn ich Mitte Dezember noch keine konkreten Pläne hatte. Es musste nie die größte Party sein, hauptsache den Abend nicht allein verbringen. Deshalb geriet ich in diesem Jahr auch ins Zaudern, als ich nach meinen Silvesterplänen gefragt wurde. Es war mir unangenehm, zuzugeben, dass ich “nichts” tue, den Abend allein verbringe. Zu Hause bleiben, die Silvestershow im Ersten schauen, das macht man vielleicht als alte Witwe, aber doch nicht mit Anfang dreißig. Es machte sich eine gewisse Sorge in mir breit, abgestempelt zu werden, als langweilig, einsam, sozial isoliert.

Alles auf Anfang

Dabei habe ich viele Monatswechsel alleine verbracht. August auf September, kein Problem. Februar auf März, ist mir gar nicht aufgefallen, dass wieder ein Monat vorbei war. Doch der Wechsel von Dezember auf Januar ist schwieriger. Es beginnt schließlich nicht nur ein neuer Monat, sondern ein neues Jahr und damit auch neue Erwartungen und Hoffnungen. Neues Jahr, neues Glück. Gesünder, sportlicher, motivierter und leistungsstärker. Ab dem 01.01. geht es los. Egal, was 2024 passiert ist, 2025 werden die Karten neu gemischt.
Ich selbst habe keine Liste mit Neujahrsvorsätzen. Mehr Sport, weniger Zucker, dafür aber mehr Gemüse: Das nehme ich mir alle paar Monate immer wieder aufs Neue vor, immer dann, wenn meine Selbstdisziplin vom Schweinehund besiegt wurde. Dennoch verspüre ich bei diesem magischen Datum einen Motivationsschub, denn ein gewisses Wunschdenken, an welchem Punkt meines Lebens ich in einem Jahr stehen möchte, schleicht sich auch bei mir zum Jahreswechsel immer ein.

Perspektivwechsel

Gleichzeitig richtet sich mein Fokus leider oftmals auf die Dinge und Ziele, die ich im abgeschlossenen Jahr nicht erreicht habe, mit denen ich noch unzufrieden bin und die ich “unerledigt” ins neue Jahr mitnehme. Es fühlt sich manchmal erleichternd an, das “alte” Jahr hinter sich zu lassen, “Altlasten” loszulassen und abzuschließen. Dabei suggeriert das Wort “alt” eine gewisse Negativität. Neu ist schließlich besser. Doch dadurch werden auch meine “Alt-Leistungen” überschattet. Deshalb nutze ich den Silvesterabend in diesem Jahr für einen Perspektivwechsel. Anstatt wie sonst über die Vorhaben und Ziele für das kommende Jahr zu sprechen, auf neue Hoffnungen und Pläne anzustoßen, werde ich meine persönlichen Erfolge von 2024 feiern. Ich werde mich schick machen und etwas besonderes kochen. Ich werde das teure Parfüm auftragen und den guten Wein aufmachen. Nicht für Gäste, sondern für mich selbst. Denn 2024 war für mich ein ganz besonderes Jahr. Ein Jahr, das mir einen tatsächlichen Neustart bereitet hat.* Ein Jahr, das mir gezeigt hat, dass ich weder schwunglos noch einsam und ganz bestimmt nicht sozial isoliert bin, selbst wenn ich das Jahr ohne Gesellschaft verabschiede. Und wenn ich mir meine Errungenschaften des vergangenen Jahres nochmals bewusst mache, mir ins Gedächtnis rufe, was ich alles geschafft habe, kann das für das neue Jahr eine viel größere Motivation sein als ein simples Datum.

*Lesen Sie dazu gerne meine persönlichen Erfahrungsberichte: Die Leukämie und ich


Kategorie: Verstehen

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