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Logos – Gott ist Mensch geworden, was ist die Idee?

Das klingt erst einmal wie eine Provokation. Das gäbe ja den großen und kleinen Herrschern recht, die sich wie ein Gott aufplustern. Und wie soll der Schöpfer in einem Weltall mit Milliarden Milchstraßen in einem kleinen Menschlein Raum finden? Dazu zwei Überlegungen, die auch helfen, in etwas mehr zu versehen: Gott wird Mensch.

Zu Gott gibt es keine Entfernung

Anders die früher verehrten Götterfamilien. Von Zeus erzählen die griechischen Göttergeschichten, dass er die Menschenfrauen attraktiv fand und sich ihnen nicht nur in Menschengestalt näherte. So trug er die schöne Europa in Stiergestalt auf dem Rücken. Der Stier war im Mittelmeerraum nicht nur Symbol von Kraft, sondern Opfertier und damit auch Garant für die Fruchtbarkeit der Felder. Diese Vorstellung war weniger anspruchsvoll als die christliche, denn die Götter wurden nicht in einem Jenseits lokalisiert, sondern auf einem Berg nördlich von Athen. Der Göttervater musste nur vom Olymp hinabsteigen. Für die Juden zurzeit Jesu war Jahwe einer für die ganze Menschenfamilie und nicht mehr nur Schutzmacht des eigenen Volkes. Vor dem Auftreten der Propheten ging man davon aus, dass die anderen Völker jeweils einen eigenen Gott hatten, den man verehren musste, wenn man dessen Gebiet betrat.
Der Begriff für die radikal neue Gottesvorstellung kommt aus dem Griechischen. Monotheismus, nur ein Gott, ist eine Aussage, die die Philosophie brauchte. Denken führte zu der Einsicht, dass Gott nicht ein Familienvater mit Götterkindern sein kann. Der im 6. Jahrhundert gefundene Monotheismus kann mit den Erkenntnissen der Astronomie heute noch deutlicher gefasst werden. Die Physik kommt zwar zu keiner Erkenntnis der göttlichen Sphäre, sie kann jedoch die Grenzen und zugleich die Nähe zu der umfassenden Wirklichkeit verdeutlichen, aus der dieser Kosmos irgendwie kommt. Denn es gibt einen Ursprung dieses Universums. Erst mit dem Urknall entstehen auch Raum und Zeit. Gott existiert daher nicht in einem größeren Raum, der diesen Kosmos noch einmal umgibt. Er hat kein Wo. Das heißt dann, dass es zu Gott keine Entfernung gibt. Er ist, weil nicht räumlich, jedem von uns ganz nahe. Deshalb kann Jesus um den ganzen Erdball herum in Brot und Wein gegenwärtig sein. Diese Gegenwart gibt es allerdings nur, wo Menschen sich in seinem Namen versammeln. Das führte die ersten christlichen Theologen und sicher auch Theologinnen zu der Einsicht, dass mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes der Mensch vergöttlicht wird. Um das zu denken, brauchte es wiederum die griechische Philosophie. Sie dachte den Menschen nicht nur mit Anderen innerlichst verbunden, weil die Geburt uns mit vielen Anderen verwandt sein lässt. Mit dem Begriff Natur wurde es möglich zu denken, dass alle Menschen die gleiche Natur “haben”. Diese eine Natur konnte durch Jesus in die göttliche Sphäre hineingezogen, vergöttlicht. Das in dem Kind in der Krippe? Die Upanischaden sind über einen anderen Weg zur Vorstellung von der Vergöttlichung des Menschen gekommen.

Im Menschen das ganze Weltall

Seit wir die riesige Ausdehnung des Weltalls mit Milliarden Milchstraßen entdeckt haben, können wir uns Gott nicht mehr im Himmel über uns vorstellen. Wenn wir auf einem barocken Deckengemälde Gott in den Wolken thronend sehen, wäre er nur der Gott dieser Erde. Von dem Planeten Erde aus gesehen wäre Gott in den bisherigen Vorstellungen auch zu klein für dieses Weltall. Wenn jedoch von ihm gesagt wird, er sei weder dem Raum noch der Zeit unterworfen, dann wird dieser Kosmos zumindest in unserem Denken etwas überschaubarer. Denn wenn wir Ewigkeit sagen, dann ist das nicht eine endlos weiterlaufende Zeit. Unendlich wäre dann nach den Erkenntnissen der Astronomie nicht ein noch größerer Raum, sondern eine Existenzweise, die dieses Weltall sehr klein werden lässt. Das können wir uns an dem Verhältnis Mensch-Universum etwas verdeutlichen. 

Jeder Mensch ist ein Universum 

Wie kann der Logos, der Sohn Gottes, durch den alles geworden ist, in einem einzelnen Menschen unter vielen Anderen zu finden sein? Um sich das vorzustellen, hilft auch die Physik des 20. Jahrhunderts ein kleines Stück weiter. Sie sagt, dass die Atome im ganzen Weltall gleich ticken. Man braucht nur in einem Laboratorium auf diesem Planeten eine Gesetzmäßigkeit zu entdecken und kennt damit die gleichen Vorgänge auf jedem beliebigen Stern. Das ist nur möglich, weil die Sterne sehr einfach gebaut sind. Unsere Sonne besteht nur aus den zwei einfachsten Atomen Wasserstoff und Helium. Eine Fliege dürfte sehr viel komplexer sein und damit sehr viel mehr können. Sie strahlt nicht wie die Sonne einfach nur Energie ab, sondern kann sich teilen, um so ihren Bauplan weiterzugeben. Ein Mensch kann wegen seines noch viel weiter konstruierten Bauplans von jedem Anderen verschieden sein. Jeder und Jede haben eine unverwechselbare Iris. Deshalb sieht jeder die Welt anders. Wahrscheinlich verfügt ein Gehirn über sehr viel mehr Fähigkeiten als das ganze Weltall, wenn es nicht anderswo auch Lebewesen gibt. Aus einer Wirklichkeitsebene, in der Raum und Zeit nicht vorkommen, könnte ein Gehirn gleich groß wie eine Milchstraße sein, schon deshalb, weil sein Konstruktionsplan sehr viel mehr kann, als dass die Erde die Sonne umkreist.

Könnte es sein, dass die Evolution so angelegt ist, dass ein Mensch das Ganze umfasst? Wenn Gott, wie Nikolaus von Kues geschrieben hat, im Größten wie im Kleinsten „ist“, dann könnten wir sagen, dass die Höherentwicklung auf die Begegnung mit Gott zielt. Die Möglichkeit, sich überhaupt vorzustellen, dass Gott Mensch wird, greift ein eigener Beitrag auf: Wie kann Gott Mensch werden


Kategorie: Verstehen

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