Mit dem Begriff „Krebs“ sind zu viele Schrecken verbunden. Für viele Menschen klingt er wie ein Todesurteil. Für die Meisten ist er auch, Gott sei Dank, auch weit genug entfernt. Es fehlen daher die Berührungspunkte. In meinem Umfeld war Krebs bisher eine Krankheit, die immer jemand anderen erwischt hat; Freunde von Bekannten, man kennt jemanden, der einen kennt. Nichts, womit man sich in der Regel beschäftigen muss. Und dann war Krebs auch gleich Krebs. Ob Brust-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs: Sprach man darüber, war es immer irgendwie das eine große, böse „K“.
Auch mir ist es anfangs schwer gefallen, laut auszusprechen: „Ich habe (Blut)Krebs“. Ich war „schwer krank“. Das klang vage genug, um die anfängliche Wucht der Diagnose zu mildern. Leukämie klang auch besser als Krebs und wenn man es nur AML nennt, dann wird sogar das Wort Leukämie kaschiert. War ja eigentlich auch „nur“ eine Erkrankung des Blutes, kein richtiger Krebs, schließlich gab es keine Tumore, Metastasen oder ähnliches.
Fu** you Karl
Meine Mädels meinten, man müsse der Krankheit einen echten, menschlichen Namen geben, um den „Feind“, gegen den ich kämpfte, besser visualisieren zu können und tauften meinen Krebs kurzerhand „Karl“. Die Namensgleichheit mit dem aktuellen Gesundheitsminister war sicherlich nur Zufall. So konnte ich jede Chemoinfusion mit dem Gedanken „Fu** you Karl“ beginnen und mir bildhaft vorstellen, wie der Giftcocktail, der meine Venen durchlief, jedes kleinste Teilchen von Karlchen eliminierte.
Als die Stammzellentransplantation dann immer näher rückte, schrieben mir einige Familienmitglieder, dass mit der Transplantation „der Scheiß“ hoffentlich überstanden sei und „der Albtraum“ bald ein Ende habe. Das Wort Krebs kam bis heute kaum einem Menschen aus meinem sozialen Umfeld über die Lippen. Als würde die bloße Benennung der Krankheit mich kränker machen oder den Krebs zurückbringen.
Mein Freund der Krebs?
Die Chemotherapien haben „Karl“ ausgemerzt und die neuen Stammzellen werden hoffentlich dafür sorgen, dass er auch nicht wiederkehrt und dennoch wird die Krankheit immer eine Rolle spielen, denn dieser sogenannte „Albtraum“ ist mein Leben, zumindest ein Teil davon. Mein Leben, das ich über alles liebe, trotz „dem Scheiß“, der sich Krebs nennt.
Die Angst vor einem Rezidiv, vor chronischen Nebenwirkungen oder Spätfolgen der Transplantation werden immer irgendwie bleiben, rücken mit jeder vergangenen Woche allerdings immer weiter in den Hintergrund. Wie sehr und wie lange die überstandene Krankheit mein Leben weiterhin einschränkt, wird sich noch zeigen. Abhaken und totschweigen werde ich sie trotz Genesung und körperlicher Regeneration nie.
Ich kehre immer in den Alltag zurück. Damit verliert auch das Wort „Krebs“ immer mehr von seinem Schrecken. Trotzdem wird er immer wie ein Damoklesschwert über mir schweben. Aufgrund meiner Krankheitsbiografie habe ich ein erhöhtes Risiko, dass die Leukämie rezidiviert oder ich an einer anderen Form von Krebs erkranke. Kein Umstand, über den ich mir täglich Gedanken mache, aber der dennoch im Hinterkopf verankert bleibt, ob er nun „Karl“, „Albtraum“ oder „Krebs“ genannt wird.
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