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Gewalt – Thema der Russen

Warum begehren die Russen nicht gegen die militärische Intervention ihres Präsidenten auf? Warum müssen die Städte in der Ukraine zerstört werden. Manchmal gibt das Fernsehen Aufschluss über die Volksseele, wenn ein Programm großes Interesse weckt. In Russland ist es eine Serie über Gewalt in einer Jugendgang.

Decoder, ein Newsletter von Belarussen in Deutsch herausgegeben, eröffnet wie schon oft Einblicke in das Innenleben dieses, dann nicht mehr rätselhaften Volkes. Eine Serie, die in die achtziger Jahre situiert ist, zeigt, dass auch die Sowjetunion genauso durch Kriminalität angefressen war wie die westlichen Länder. Slowo pazana - „Ehrenwort des Jungen“ zeigt den Werdegang eines Jugendlichen, der in einer Jugendgang einen Platz sucht und in ein von Gewalt bestimmtes Milieu gerät. Eine Geschichte, die das Fernsehen nicht nur einmal erzählt hat. Es zeigt eine Welt, die der Mehrzahl der Zuschauer auf Höchste interessiert und bei Jugendlichen Kultstatus hat. Aufmerken lässt diese große Resonanz, die die Serie auslöst.

Gewalt ist für die Russen offensichtlich ein existenzielles Thema.

Dieses Interesse 40 Jahre später deutet auf Bezüge zur Gegenwart hin. Dekoder macht darauf aufmerksam, dass Putins Gefährten bereits die Gaunersprache übernommen haben. Die serie hat über den Sprachgebrauch der Herrschenden einen Bezug der Gegenwart, auch wenn sie vor der „militärischen Operation“ gedreht wurde. Das Land wird von Leuten des Geheimdienstes regiert. Die neunziger Jahre, in der Regierungszeit Jelzins, konnten sich einzelne große Reichtümer aus der früheren staatlichen Wirtschaft aneignen, mafiaähnliche Banden wurden nicht gezähmt, die Bürger waren der Willkür der Polizei ausgeliefert. Diesem Chaos bereiteten die Geheimdienstler ein Ende, die mit Putin die Macht übernommen hatten. Sie machten die Oligarchen zu ihren Geldgebern. Trotz der größeren Sicherheit, die Putins Regime den Bürgern gebracht hat, ist die Willkür geblieben. Wie jedes autoritäre System wird auch das, welches Putin aufgebaut hat, immer instabiler. Denn es erneuert sich nicht durch neue Leute, die mit neuen Konzepten das Land weiterentwickeln.

Gewalt: Das Risiko des eigenen Todes eingehen

Nun könnte man die Gewalt beklagen und als typisch russisch erklären. Dazu haben wir im Westen keinen Anlass. Auch hier gibt es diese Zusammenschlüsse und ebenso in den USA und nicht zuletzt im Drogengeschäft. Mafia ist keine spezifisch russische Bezeichnung. Es herrschen allerdings die gleichen Gesetze wie in einer westlichen Mafia. Anders als in Süditalien, in Mexiko oder Japan begeistert in Russland allerdings ein Mehrteiler die jungen Männer, so dass sie sogar Szenen nachspielen. Diese Fernsehproduktion, die in den achtziger Jahren nach dem Rückzug der russischen Truppen im Februar 1989 aus Afghanistan situiert ist, hat noch 35 Jahre später eine solche Resonanz. Es werden mehr Suchanfragen zu diesem Mehrteiler gezählt als zum Ukrainekrieg. Könnte dieser Erfolg auch erklären, warum die jungen Männer in den Tod gehen? Dazu eine Erklärungsmöglichkeit:
Wer in eine mafiaähnliche Jugendbande eintritt weiß, dass er sterben kann. So auch, wer in einen Krieg zieht. Die Filmreihe zeichnet ihren Protagonisten so, dass er, um zu überleben, sich der Bande anschließen muss. Wer heute in eine der unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen aufwächst oder nicht zu den 80% Russen, sondern zu einem anderen Volk gehört, muss sich rekrutieren lassen. Das auch deshalb, weil die Familie den Sold braucht.
Gewalt hat etwas Faszinierendes und trägt in sich das Risiko des Sterbens. Das, so der Film, ist nicht nur an der Ukrainefront die Realität, sondern auch im Land. Diese Realität gilt jedoch noch wenig für die jungen Männer aus den Großstädten Moskau und Petersburg. Deshalb rekrutiert die Armee Männer aus den Randgebieten des Landes. Für diese, das zeigt die Serie, ist Gewalt ein zentrales Thema.

Hinzu kommt die mythische Überhöhung der "militärischen Intervention". Diesen Mythos könnte Putin aus der Stalinzeit wieder beleben. Dazu ein nächster Beitrag "Man kann Putin verstehen", nämlich seine Überzeugung, dass Russland die Ukraine unterwerfen wird.

Zur Inhaltangabe der achtteiligen Serie
Ein Gaunerwort bewegt das Land bei Decoder
www.dekoder.org/de/article/slowo-pazana-gaunerehrenwort-serie-kryshownikow

Wer um Gnade fleht, muss schießen, FAZ 5.1.2024 www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/russische-tv-serie-ueber-jugendbanden-erobert-publikum-19425376.html


Kategorie: Verstehen

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