Point Alpha Rhön, Foto: hinsehen.net E.B.

Freiheit – hat der Westen Freiheit exportiert oder Wirtschaftsmacht?

Freiheit ist in Coronazeiten wieder Thema geworden. In der DDR war es das Thema, nach der Wiedervereinigung wurde es die Un-Gleichheit. Freiheit wird intensiver erlebt, wenn sie fehlt, aber sie bleibt zentral, auch wenn anderes in den Vordergrund drängt.

Freiheit grenzt die Macht ein, im Nahbereich reagiert unser Freiheitsbewusstsein, wenn unnötig über uns bestimmt wird. Politisch Mächtige sehen in der Freiheit die Infragestellung ihrer Bestimmungsmacht. Waren die Westdeutschen frei als ihre Mitbürger im „anderen Deutschland“ gegängelt wurden. Sie waren freier, aber durch eine Mauer abgegrenzt. Die Mauer wirkte zwar mehr nach Osten als nach Western, aber es war, vor allem für Berliner eine dunkle Wand. Es war eine Befreiung, als die Mauer durchlässig wurde. Aber was bleib von diesem Gefühl

Die Freiheit wurde als Einflusstor für die wirtschaftlich Stärkeren erlebt

Für die Menschen in den Neuen Bundesländern wurde die Freiheit eine zwiespältige Sache. Sie konnten im Konsum, in der Verfügbarkeit von Autos, bei Urlaubsreisen mit dem Westen gleichziehen. Die Rückständigkeit der Planwirtschaft führte jedoch dazu, dass die Güter, die kauften, die Autos, die sie jetzt mit neuem Freiheitsgefühl lenkten, nicht in ihren Fabriken hergestellt wurden. Sie bekamen, alles was im Westen zu kaufen war und zahlten mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Die Freiheitseuphorie resignierte vor der Konkurrenz, in der westdeutsche Unternehmen fast immer aus der überlegenen Position agierten. Der Osten wurde eigentlich nur als Verkaufsfläche gebraucht. Deshalb floss westliches Kapital in den Bau von Einkaufszentren. Deshalb stehen viele Bewohner der Neuen Bundesländer der Freiheit skeptisch gegenüber. Deshalb muss Freiheit neu durchdacht werden.

Weder das Verständnis der Achtundsechziger noch der Kapitalismus sichern Freiheit

Die hochgepriesene freie Marktwirtschaft brachte den Menschen, die die DDR abschütteln wollten, die eisige Erfahrung der Arbeitslosigkeit. War aber die Linke im Westen so auf die Wiedervereinigung vorbereitet, dass sie den Auswüschen des Kapitalismus, und damit auch dem hochmütigen Auftreten der Wessis etwas entgegensetzen konnte. War nicht Überheblichkeit eine der unangenehmen Seiten nicht nur der Spekulanten, sondern auch der Achtundsechziger? Das Freiheitkonzept der Achtundsechziger besagt ja nur, dass man Macht misstrauen muss und individuell sich immer neu entscheiden kann, auch wenn andere davon betroffen sind. Freiheit der Achtundsechziger erlaubte gegenüber den Normen der bürgerlichen Gesellschaft, Zusagen nicht einzuhalten, aus Projekten und Teams auszusteigen. Partnerschaften können ohne Bedenken gelöst werden, wenn mit anderen ein größeres Glück winkt. Das führt dazu, dass die Freiheit der anderen eingeschränkt sind, denn sie müssten sich eigentlich auf meine Zusagen verlassen können. Wenn ich aussteige, sind sie von meiner Freiheit abhängig. Insgesamt hat das Konzept der Achtundsechziger jeden in neuer Weise von anderen abhängig gemacht. Es sind nicht mehr die Normen der bürgerlichen Gesellschaft, sondern des Individualismus. Hinzu kommt die Unfreiheit, der der Kapitalismus mit seiner einseitigen Orientierung am Gewinn den Berufstätigen auferlegt.

Ohne den anderen bleibt mein Spielraum zu eng

Die Wiedervereinigung war von den neuen Verkaufsflächen geprägt, nicht davon, die Kompetenzen der Mitbürger, die 40 Jahre lang anders gelebt hatten, weiter zu entwickeln, um so die Entführung der westdeutschen Gesellschaft aufzuschließen. Es war eher eine Kolonisierung nicht durch Ausbietung, sondern durch Ausweitung der westdeutschen Konsumzone. Freiheit heißt ja, dass sie nicht auf Kosten des anderen vergrößert werden kann. Ich muss ein Interesse daran haben, dass die anderen ihre Kompetenz entwickeln, damit ich mit meinen Begabungen, Ideen und Fertigkeiten auch zum Zuge komme. Ein Gemeinwesen kann nicht gelingen, wenn nur eine Gruppe gewinnt. Die westdeutsche Wirtschaft hätte sehr viel mehr profitiert, wenn die Menschen in den Neuen Bundesländern ihre Begabungen und Kompetenzen hätten weiter entwickeln können. Die einzelnen müssen auf ihren Positionen kreativ sein, d.h. ihre Freiheit ausspielen können. Wenn Mitarbeiter nur nach Anweisung handeln oder nur verlängerte Werkbänke bedienen können, gehen die Ideen dieser Mitarbeiter verloren.  

Freiheit heißt, dass der andere sich entfalten kann

Der Rückblick nach Dreißig Jahren zeigt, dass die Westdeutschen ein Freiheitsverständnis nur als Konsumfreiheit exportiert haben. Es sind zwar nicht nur Spekulanten nach Osten gezogen, aber sie haben das Bild bestimmt. Nicht nur die Stimmung, auch das Wahlverhalten zeigen, dass die Menschen in den Neuen Bundesländern das „Geschenk“ der Freiheit zwar ausgepackt haben, aber irgendwie fehlte in dem Paket etwas.  

Die Überlegungen zur Freiheit müssen weiter vertieft werden. Es geht auch darum, ob die Maskenpflicht u.a. Regelungen tatsächlich eine Freiheitsbeschränkung darstellen oder gerade die eigene Freiheit stärken, weil der Freiheit, hier der Nichtansteckung der anderen dienen. Ein eigenes Feld des Zusammenspiels von Freiheiten sind die Partnerschaften. Diese beruhen auf Verschiedenheiten, die auf Augenhöhe verhandelt werden. Partnerschaften mehr Rücksichtnahme. Jutta Mügge beschreibt, wie zwei Freiheiten sich in ihrer Entwicklung gegenseitig bedingen. Hier zum Beitrag Beziehung wird durch Entwicklung frei


Kategorie: Verstehen

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