Wir sind als Gärtner gewollt
Wenn ich in die vielen unterschiedlich angelegten Gärten schaue, dann sind auch sie ganz einzigartig. Sie führen die Handschrift des Gärtners oder der Gärtnerin. Es gibt keinen Garten zweimal. So vielfältig wie die Gärtner, so vielfältig und einzigartig sind auch ihre Gärten.
„schöner“ Garten
Da gibt es die ganz sauberen, akkurat gepflegten Gärten, in denen die Beete und Wege von jeglichem wilden Kraut, vom Unkraut befreit sind. Der Rasen zu den Beeten hin ist korrekt abgestochen. Das saftige Gras ist kurz geschnitten wie auf einem Golfplatz. Wenn ich darüber gehe, spüre ich unter meinen Füßen das Gras wie einen samtenen Teppich. Kein anderes Kraut als Gras wächst darin. Die trockenen Sommer scheinen an diesen Rasen vorüberzugehen. Die Rosen in den säuberlich, von „Unkraut“ befreiten Beeten sehen so gesund aus, als kämen sie gerade vom Züchter. Sie haben keinen Rost auf ihren glänzend, saftig dunkelgrünen Blättern. Die Blüten sind wie gemalt. Auf den ersten Blick könnte ich neidisch werden, weil ein so kunstvoll angelegter Garten wie ein schönes, gemaltes Bild, das einen Platz im Museum gefunden hat, auf mich wirkt. Es entspricht so ganz den Vorstellungen von einem schönen, gepflegten Garten, aber er ist auch ein bisschen „steril“. Wenn ich länger darauf schaue, spüre ich etwas Künstliches, das mich diesem Garten auch entfremdet. Ich frage mich, wieviel Vertikutieren, welche Unkrautvernichter, Spritzmittel, Düngemittel und Gift, wieviel Wasser dieser Garten schon verbraucht hat. Kann ich mich in ihm überhaupt noch aufhalten, ohne krank zu werden? Ist die Erde überhaupt noch gesund? Was ist mit den Pflanzen, die hier gerne wachsen würden, weil sie hier ihre Heimat haben? Sind sie abgestorben, weil sie die Düngemittel nicht vertragen oder durch round up vernichtet wurden? Was ist mit den Insekten, die in diesem Garten möglicherweise wegen der Spritzmittel vernichtet oder krank wurden bzw. schon gar nicht mehr auftauchen?
Mehr Nebeneinander
Dann gibt es die Gärten, die eine ganz andere Ausstrahlung haben. In ihnen können Pflanzen weit atmen. Ihre Ordnung schnürt auch mich nicht so ein. Jede Pflanze hat ihren Standort, aber die Gärtner*innen scheinen auch das wachsen zu lassen, was die Natur auf diesem speziellen Grund und Boden von selbst hervorbringt. Da gibt es unter Büschen Brennnesseln, Gundermann kriecht mit seinen kleinen blauen Blüten hier und da um eine Staude, am Zaun steht die weißblühende Knoblauchrauke oder die Schafgarbe. Der Rasen ist eine bunte Wiese, in der auch Löwenzahn, Hahnenfuß, Vergissmeinnicht und Gänseblümchen, je nach Jahreszeit, wachsen dürfen. Für Bienen und Insekten ein Schlaraffenland. Ein lebendiges buntes Bild in einer ganz eigenen Komposition, in dem viel Leben stattfindet, kommt mir bei solchen Gärten entgegen. Nicht langweilig oder künstlich, sondern mit einer sehr natürlichen Ausstrahlung. Nicht für jeden Gärtner vermutlich ein „schöner“ Anblick.
Steinwüste als Garten
Der neueste Trend, der in manchen Städten jetzt verboten ist, sind Steingärten. Nicht Steingärten, wie wir sie kennen. In denen sich das üppige Blaukissen oder das Steinkraut zum Wärmen über die dicken ausgesuchten Steine schmiegen. Nein, es sind Schottergärten. Da wird der Vorgarten mit Schotter oder Split zugedeckt. Sie sehen aus wie tote Steinwüsten. Was ist mit den Mikroorganismen unter den Steinen? Was ist mit den Samen und Wurzeln der Pflanzen, die unter der Folie unter den Steinen auf Licht und Wasser warten? Haben hier Insekten noch eine Chance, sich wohl zu fühlen bzw. zu überleben?
Wildwuchs
Dann gibt es die ganz verwilderten Gärten, um die sich anscheinend niemand mehr kümmert. Kunterbunt sind Brennnesseln, Wiesenschaumkraut, Margeriten gewachsen. Da wimmelt es von Wildbienen, Hummeln, Schmetterlingen, die in diesem Durcheinander von Pflanzen ihre Nahrung finden, Vögel ihre Jungen großziehen, Schmetterlingsraupen überwintern, Hornissen ihr Nest bauen. Eine ganze Weile kann das ein großes Paradies, sowohl für wilde Kräuter als auch für Insekten sein, aber irgendwann wird sich das stärkste Kraut durchsetzen und das Land erobern, es wird alles überdecken und in Beschlag nehmen, dann verliert dieser Garten seine Vielfalt. Meist sind es nämlich die Brombeeren, die alles überwuchern.
Im eigenen Garten die Biodiversität unterstützen.
Die hier beschriebenen Beispiele sind nur einige Möglichkeiten, wie sich Gärten zeigen. Jeder schaut mit seiner eigenen Brille auf sie, deshalb urteilen wir auch ganz verschieden darüber. Es geht mir nicht darum, diese Vielfalt der Möglichkeiten zu beschneiden, aber vielleicht darum, genauer darüber nachzudenken, welchen Umgang ich mit dem sogenannten „Un-kraut“ pflege. Da jede Pflanze irgendeinen Nutzen hat, kann ich sie nicht einfach durch Vernichter töten, weil sie mich gerade an diesem Platz stört. Es sind Wildpflanzen, die in begrenztem Maße auch in unseren Gärten eine Berechtigung haben, denn wir wollen, dass die Schmetterlinge fliegen, die Bienen und Hummeln unsere Apfelblüte befruchten. Sie aber kommen in großer Zahl nur dann, wenn sie bei uns auch Bedingungen für ihren Nachwuchs finden.
Wildkräuter haben einen Nutzen
Natürlich sind diese Wildkräuter für mich als Gärtnerin auch immer eine Plage, wenn sie meine Beete in Beschlag nehmen. Solange ich ihren wirklichen Sinn nicht erkenne, muss ich sie entfernen. Habe ich aber verstanden, dass ohne sie unsere Pflanzen- wie auch unsere Insektenvielfalt verschwindet, kann ich nicht mehr unbeschwert alles ausjäten und schon gar nicht mit Chemie vergiften. Ich will verstehen, weshalb ich z.B. Brennnesseln, wenigstens in einer kleinen Ecke meines Gartens, wachsen lassen soll. Sie sind nämlich überlebensnotwendig für das Tagpfauenauge, den bunten Schmetterling, der die Blüten noch schöner erscheinen lässt. Er braucht die Brennnessel zur Aufzucht seiner Jungen. Die Larven überwintern unter ihren Blättern. Andere Wildpflanzen wie Giersch, Löwenzahn oder Knoblauchrauke sind nicht nur Heilpflanzen, sondern können gegessen werden. Sie haben viel Vitamin C. Der Gundermann ist ein schmackhaftes Gewürz und gut für die Atemwege. Die Zaunwinde ein Heilkraut für Unterleibserkrankungen, die Schafgarbe, die Heilpflanze, die 2004 herausgestellt wurde, ist gut für den Kreislauf und Frauenleiden. Mit dem Saft des Spitzwegerichs kann ich Insektenstiche einreiben, damit sie sich nicht entzünden. Aber nicht nur unsere Medizin braucht diese Pflanzen. Die Bienen sind auf ein gesundes Wachstum von Wildblüten angewiesen. Wenn ich alle diese Pflanzen aus meinem Garten auslösche, greife ich in die Biodiversität ein. Wir brauchen aber diese Vielfalt, weil wir ohne sie den Insekten sowie uns den Lebensraum nehmen. Ohne Bienen kein Überleben von uns Menschen.
Kontrollierte Unordnung
Ich kann in meinem kleinen Garten mithelfen, die Biodiversität zu unterstützen. Ich höre aber schon die Stimmen, die sagen: „diese Kräuter können doch außerhalb meines Gartens wachsen“. Ja, das könnten sie, wenn nicht unsere Landwirtschaft bereits viele Arten durch Dünger und Gifte vernichtet hätte. Wer sieht heute noch eine von Natur aus gewachsene saftige Blumenwiese, in der sich hunderte von Wildkräutern finden lassen? Die Felder sind einfarbig grün. Monokultur auf den Wiesen.
Natürlich will auch ich nicht, dass alles unkontrolliert wächst, aber ich versuche mich immer mehr den Gegebenheiten meines Gartens anzunähern. Die Trockenheit der letzten Jahre hat aus meinem anfänglich „schönen“ Rasen inzwischen eine Wiese gemacht, in der sich Margeriten, Glockenblumen, Gänseblümchen, Hahnenfuß und andere Wildpflanzen eingenistet haben, die mit dem vorhandenen Boden besser zurecht kommen als das Gras. Diese bunte Wiese mögen hunderte von Bienen, Hummeln, Taubenschwänzchen und Spinnen. Ich brauche nicht zu gießen, keinen Dünger ausbringen, keine Nachsaat säen, keine Spritzmittel versprühen. Es wächst in meiner Wiese das, was sich dort auf die Bedingungen einlassen kann. Wenn ich es mir genau überlege, dann erleichtere ich mir damit auch die Arbeit, denn alle Pflanzen, die von alleine wachsen, akzeptieren die Bodenbeschaffenheit.
Wildes Kraut nutzen
Unter meinen Sträuchern, die ich am Rande meines Gartens gepflanzt habe, wächst der kriechende Günsel, der Gundermann, das Efeu. Sie bedecken die Erde, weil sie Schatten aushalten. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass die Feuchtigkeit länger erhalten bleibt. Sie haben sich von ganz alleine, ohne mein Zutun, dort niedergelassen. Am Kompostbehälter wächst die Brennnessel. Ab und an hole ich mir einige Stängel, setze sie mit Wasser zu einer Gülle an, mit der ich nach 14 Tagen meine Rosen und meine Tomaten dünge. Gleichzeitig hält dieser Sud auch Schädlinge von den Pflanzen fern. Wenn ich ein neues, für mich unbekanntes Wildkraut entdecke, suche ich im Internet nach seiner Nützlichkeit, um mich kundig zu machen, was die Pflanze mitbringt und wie sie sich im Zusammenspiel mit den anderen Pflanzen und Tieren in meinem Garten verhält. Natürlich entferne auch ich wildes Kraut, denn sonst hätte ich bald einen Urwald von Brombeersträuchern. Aber ich gönne ihm auch Nischen, in denen es wachsen darf. Dort halten sich oft besonders viele Insekten auf, aber auch die Erdkröte liebt das Dickicht des wilden Krautes.
Wildkräuter gehören in meinen Garten
Wildkräuter sind für die Biodiversität von besonderer Bedeutung. Viele Medikamente, Salben und Tees werden aus ihnen gewonnen. Für Insekten, Bienen und Hummeln sind die Blüten der wilden Kräuter besonders attraktiv, weil sie bei unseren gezüchteten Sorten, die oft gefüllte Blüten haben, nicht bis an die Blütenpollen kommen. Für die Tierwelt, wie Rehe, Kaninchen, selbst für Wildschweine sind die Wildpflanzen eine ihrer Nahrungsquellen. Sie fressen die Wurzeln von Giersch, die jungen Blätter des Löwenzahns etc.
Mit dem Gärtnersein haben wir die Aufgabe übernommen, auch die Wildpflanzen zu würdigen, damit sie in der Biodiversität nicht fehlen. Ich habe es in der Hand, ob ich einigen „Wilden Kräutern“ einen Platz in meinem Garten einräume. Das fällt mir leichter, wenn ich das Wort „Unkraut“ aus meinem Wortschatz verbanne, damit ich meine innere Einstellung zu ihnen verändern kann.
Denn sie gehören nicht uns Menschen!
Religiös gesprochen gehört jede Pflanze dem Schöpfer. Wenn wir uns im Sinne der Bibel als Gärtner verstehen, dann sind wir dazu bestimmt, mit der Vielfalt der Pflanzen und Tiere, der Bäche, Flüsse und Meere so umzugehen, dass wir in unserem Tun wissen, dass sie nicht unser Eigentum sind. Mit der Aussage - „Macht euch die Erde untertan“ dem Satz aus der Bibel, wird uns zwar alles in die Verantwortung übertragen. Das heißt aber nicht, dass wir damit machen können, was wir wollen, sondern wir haben die Aufgabe, mit dieser Erde und unserem Tun im Einklang zu leben. Wir sind aufgerufen, die Natur auch noch für die Generationen nach uns zu erhalten. Das geht sehr gut, denn wir müssen ihr nur mit Achtung begegnen, mit ihr Frieden halten und nicht in einen Vernichtungskrieg mit Glyphosat oder anderer Chemie hineinrutschen. Wir sind zu ihrem Anwalt bestellt, um sie zu schützten. Dafür brauchen wir ein Rechtssystem, das klare Vorgaben macht, an die sich nicht nur wir Kleingärtner, sondern vor allem auch die Industrie und Landwirtschaft halten. Diese gibt es bereits anfänglich durch den Naturschutz. Wenn wir diesen weiterentwickeln, verpflichtet sich nicht nur der einzelne, sondern die Gesellschaft. Sie gibt dem „Wilden Kraut“ sein Lebensrecht zurück.
Lesetipp: Wolf-Dieter Strol: Die Unkräuter in meinem Garten
Fernsehtipp: Unsere Städte sind von den Bäumen abhängig. Das kann in dem Film über die Mayas in der Arte-Mediathek exemplarisch beobachtet werden. Dieses große Reich mit Großstädten und einem verzweigten Verkehrssystem, mit Schrift und Landwirtschaft, die Millionen Menschen versorgte, ist verschwunden, weil die Menschen Raubbau an den Wäldern verübt haben. Sie mussten ihre Städte aufgeben, ihr wohl organsierter Staat ist zerfallen, ehe die Spanier kamen: Söhne der Sonne – Die Maya
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