Der Kreis als Symbol für das Leben, der Leuchter Symbol für das neue Jerusalem Foto: hinsehen.net

Das Größere über mir garantiert mich

Ich brauche tatsächlich eine höhere Macht, die meine Existenz und mein Recht auf Entfaltung garantiert. Denn wer gewährt mir tatsächliches Lebensrecht, wenn ich im Mutterleib heranwachse. Kann ich mich gewollt fühlen? Wird mein Leben als lebenswert geachtet oder werde ich Opfer von Missbrauch, zum Kindersoldaten gemacht oder für Kinderarbeit herangezogen. Gott macht mich als Kind unantastbar und sichert meine Freiheit in jeder Lebensphase

Die Religion steht für diese Werte. Denn es ist der Sinn von Taufe und anderer Initiationsriten, das Neugeborene aus Gottes Hand zu empfangen und es unter seinen Schutz zu stellen.

Gott garantiert mich

Mein Leben ist dem Wandel unterworfen, deshalb hat jede Lebensphase ihre eigene Auseinandersetzung, ihren eigenen Zugang zu der höheren Macht, die wir Gott, Schöpfer oder auch Schicksal nennen. Wie bei allen Menschen läuft auch meine Lebensgeschichte auf ein letztes Ereignis hinaus. Die Zeit, die mir zum Leben bereitgestellt ist, treibt mich an, das zu verwirklichen, was mich zur Person macht. Der Geist in mir strebt nach der Verwirklichung meiner Lebensaufgabe. Dabei kann ich auf den göttlichen Funken in mir achten, denn Gott will sich mit den verschiedenen Gaben und Talenten in jedem Menschen verwirklichen. Sein Geist und mein Gewissen wirken in mir auf diese Verwirklichung hin. Diesen Geist erkenne ich daran, dass er sich immer mit dem „Guten“, mit meiner Entwicklung, mit meiner Freiheit verbindet. Er geht auch alle Entwicklungen mit und eröffnet mir in jeder Lebensphase eine tiefere Beziehung zu dem „Größeren“, das mich leben lässt und meine Freiheit will.

Im Kindesalter erwacht das Gewissen

In der magischen Phase ahne und erfahre ich einen Gott. Ich lerne mein moralisches Gewissen auszubilden, mich an den Werten zu orientieren, die mir vermittelt werden. Gott verbinde ich mit einer großen Macht, die „Gutes“ mit uns Menschen vorhat. Ich lerne aber auch die Unterscheidung kennen, was gut und was böse ist. Ich spüre vor allem durch den Umgang der Erwachsenen und deren Beziehung zu Gott, auf was es ankommt. Die Entwicklung des moralischen Gewissens ist die Basis, auf der Gemeinschaft gedeihen kann. Dieses Gewissen lebt in mir und bildet sich im Kindesalter so aus, dass ich unterscheidungsfähig werde. Dabei hilft mir auch meine Vorstellung von Gott. Die Intuitionen, die aus meinem Gewissen sprechen, bereiten mich auf meine Rolle im Leben vor. Von daher hat diese Entwicklungsphase eine besondere Bedeutung für das moralische Gewissen des Kindes, mit dem ein innerer Zugang zu einem bestimmten Gottesbild gegeben ist. Wird mir Gott als derjenige vermittelt, der mein Leben und meine Freiheit will, kann ich auch in schwierigen Zeiten auf ihn zurückgreifen, denn er ist der Garant für das Gute, auch dann, wenn Menschen sich nicht daran halten. Diese höhere Instanz sichert mir auch durch die 10 Gebote, dass mein Leben gelingen kann.

Als Heranwachsender die Freiheit ergreifen

In der Pubertät muss ich mich befreien. Die Auseinandersetzung mit Eltern ist deshalb notwendig, damit ich mein Eigenes entdecken kann. Ich will mein Leben selbst in die Hand nehmen. Deshalb muss ich auch mit Gott meine Freiheit neu aushandeln. Der „Beobachter-Gott“, der mein Leben ganz im Blick hatte, wird mir jetzt nicht nur zu eng, sondern ich entwickle in mir Energie, mit der ich mein Leben selbst gestalten will, ohne dass Gott oder Eltern großen Einfluss nehmen sollten. Die Dynamik dieser Lebensphase drängt auf Unabhängigkeit. Ich will viele Dinge aus eigenem Antrieb entscheiden. Auch bei meiner Berufswahl muss ich auf meine eigene, innere Stimme hören, damit ich das entdecke, was zu mir passt, wo ich meine Begabungen einbringen kann, wofür mein Herz schlägt. Manchmal brauche ich auch Umwege, weil ich einem Ratschlag anderer folge, der sich als wenig erfüllend noch hilfreich herausstellt, oder weil ich einfach noch nicht herausgefunden habe, was ich mit meinem Leben anstellen soll. Ich könnte eigentlich auf Gott vertrauen, denn mein Lebensauftrag stammt nicht von meinen Eltern. Das konnte ich am eigenen Leib erleben, als meine Eltern etwas Anderes mit mir vorhatten als das, was in mir angelegt war. Ich habe mich durchsetzen können, weil ich in mir den Weg sah, der zu mir passte. Ich bin vom Gymnasium auf die Fachschule für Erzieherinnen gewechselt. Dass ich richtig gewählt hatte, merkte ich dran, dass ich alles lernen, aufsaugen konnte, was in der Fachschule unterrichtet wurde. Heute sehe ich auch, dass mir der Geist Gottes die Kraft zum Durchhalten gab. Wenn ich dem Geist in mir traue, zeigt er mir meist auf, was für mich gut ist. Ich spüre im Tun, ob der gewählte Weg, die Aufgabe, die ich mir ausgesucht habe, zu mir passen. Es sind oft nicht die Menschen um mich herum, die mich in meinem Lebensauftrag unterstützen, die ich nur mit der Verwirklichung meiner Begabungen erreichen kann. In dieser Phase der Suche ist mir allerdings Gott eher fern, obwohl gerade sein Geist mich innerlich auf den Weg bringt. Er ist es, der die Verwirklichung meiner Berufung vorbereitet. Meist kann ich erst im Rückblick erkennen, wie der Geist mich bei der Suche vorangetrieben hat und zu mir über die Empfindungen gesprochen hat, nämlich ob ich etwas als zu mir passend gespürt habe oder mich das Gespür von einem Berufswunsch weggedrängt hat. 

Erwachsenenalter: Verantwortung übernehmen

Die Anforderungen der Arbeitswelt an meine Person fordern von mir viel Einsatz. Da bleibt nicht viel freier Raum, um mich mit Gott auseinanderzusetzen. Ich bin damit beschäftigt, meine berufliche Karriere zu entwickeln, meine Beziehungen zu anderen zu pflegen, zu heiraten, Kinder in die Welt zu setzen, ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen. Herausforderungen genug, die meine Zeit mehr als ausfüllen. Dabei ist Gott nicht ständig im Blick. Allerdings komme ich mit Kindern in der Familienphase in eine neue Verantwortung. Mein Leben wird zum Vorbild für die Kinder. Meine Aktivitäten, mein Umgang mit ihnen prägt sie. Es bliebt nicht ohne Einfluss, was ich den Kindern zu Gott vermittle oder wie ich selbst in meinen Beziehungen lebe. Hat Gott in meiner Familie einen Platz? Unterstütze ich die religiösen Phasen meiner Kinder, ohne sie zu gängeln? Kann ich in der Pubertät der Kinder ihre Abkehr von Gott aushalten? Wie stehe ich selbst im Leben, wie gestalte ich meine Beziehung zu Gott, zu Jesus, zum Geist? Kommen diese Fragen überhaupt in meinen Gesprächen, meinem Denken und Fühlen vor, oder hat der Alltag mich so im Griff, dass mir das als Zeitvergeudung erscheint. Meist sind es die Kinder, die mich fordern, weil sie mich mit Fragen löchern, auf die sie eine Antwort erwarten können.  

Verstehen, um was es im Leben geht

Wenn ich mich mit Gott beschäftige, tauchen immer wieder neue Fragen auf, denn mit meiner Weiterentwicklung verändert sich auch meine Beziehung zu Gott. Es ist vermutlich nicht Gott, der immer wieder anders wird, sondern ich bin es, die Gott anders wahrnehmen kann. Im mittleren Alter unterstützen mich die verinnerlichten Werte sowie mein Gewissen, mich nicht korrumpieren zu lassen. Denn ich brauche Kraft, um ethisch zu handeln. Nicht nur in der Familie, sondern auch in der Politik und in der Wirtschaft brauche ich innere Standfestigkeit, den überall lauernden Versuchungen, denen ich besser nicht nachzugebe, zu widerstehen. Davor schütze ich mich, wenn ich mich in kritischen Phasen auf das Größere über mir beziehe. Gott bestätigt mir, dass keine menschliche Instanz die Rechtmäßigkeit der grundlegenden Rechte außer Kraft setzen kann. Im kleinen Familienverbund wie in der politischen Welt steht Gott für das Gute. Er steht für die Gültigkeit der Werte auch in bedrängenden Situationen, wie in Diktaturen. Das lässt sich nicht beweisen wie ein Gesetz der Physik. Ablesen können wir es an den Hingerichteten. Dietrich Bonhoeffer steht bis heute für die Unentbehrlichkeit Gottes ein. Er konnte selbst im KZ durch seinen Glauben an Gott seine innere Freiheit bewahren.

Verstehen, was im Alter dran ist

Wer ins Rentenalter eintritt, beginnt wiederum eine neue letzte Lebensphase. Was hält Gott für mich bereit? Wofür lohnt sich noch mein Leben? Was kann ich aus diesem letzten Lebensabschnitt noch machen? Muss ich noch Dinge erledigen? Fragen über Fragen, mit denen ich mich auseinandersetzen kann, um auch im Alter in meinem Dasein noch einen Sinn zu erkennen. So vielfältig das Leben in der aktiven Zeit war, so vielfältig sind auch die unterschiedlichen Lebensentwürfe fürs Alter. Ich kann noch einmal richtig durchstarten, wenn ich fit und gesund aus dem Beruf ausscheide. Mit einem sinnvollen Ehrenamt kann ich noch die Talente verwirklichen, für die in der beruflichen Zeit der Platz fehlte. Sie gehören zu mir und drängen danach, sich endlich auszudrücken. Wenn ich von Fernweh geplagt bin, kann ich große Reisen unternehmen. Ich kann meine berufstätigen Kinder entlasten, indem ich die Enkelkinder betreue. Ich suche mir vielleicht ein ganz neues Hobby, das mich erfüllt. Singen im Chor oder lerne ein neues Musikinstrument. Viele Möglichkeiten lassen sich im Alter noch verwirklichen, sie füllen die Zeit, die jetzt schneller fließt. Bei allen diesen Aktivitäten, die mich am Tag erfüllen bleiben die Fragen:
- Wie möchte ich im Alter werden?
- Welche Zufriedenheit kann ich ausstrahlen?
- Wie sollen meine Kinder, die Jüngeren mich erleben?
Jetzt ist die Zeit, auf die Erfahrungen in meinem Leben zu schauen, mich mit dem, wie ich geworden bin, zu versöhnen, mit den Höhen wie mit den Tiefen ins Reine zu kommen, Rückblick zu halten, was gelungen ist, was schwierig war, was noch an Unaufgeräumtem herumliegt, um es zu erledigen. Hin und wieder den Blick darauf zu lenken, dass meine Tage gezählt sind, mein Leben nicht mehr ewig dauern wird, ich auf dieses Ende mit Demut und Gelassenheit zugehen kann. Dafür braucht es innere Ruhe, um mich und andere nicht unnötig zu stressen. Mit der Möglichkeit, im Garten zu meditieren, mich im Schreiben mit meinen Erfahrungen auseinanderzusetzen, spüre ich in mir den Geist, der mich im Alter lebendig halten will. Er unterstützt mich auch in den Worten aus Psalm 90, Vers 12

        „Unsere Tage zu zählen lehre uns, dann gewinnen wir ein weises Herz“

Wenn ich mit Dankbarkeit für mein Leben und offenen Augen für das Jetzt in mein Alter gehe, mein Lebensende nicht ausblende, kann in mir vielleicht Weisheit Platz finden. Gottes Geist weist mir den Weg dazu.

Die Themen und Fragen des Alters greifen wir im August breiter auf.
Dieser Beitrag setzt die Überlegungen zum Gottesbild fort:
Welches Gottesbild trägt meinen Glauben


Kategorie: Verstehen

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