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Das Fußballjahr

Fußball, die Saison, beginnt nicht zum 1. Januar, sondern vor dem Winter. Bei jedem Wetter treten die Mannschaften an, sie bringen ihre Fans mit und absolvieren viele Riten.

Der Jahresanfang liegt sowieso falsch. Die Idee kommt aus Rom. Dort legte man 153 v.Chr. den Jahresanfang auf diesen Termin, weil da die Konsuln ihr Amt antraten. Eigentlich gehört das Neujahrsfest ins Frühjahr. So ist es bei den meisten Völkern. Als winterlicher Sport ist der Herbst für den Fußball genau richtig. Er bietet auch viel mehr als wenn Frauen und Männer im Sommer um die Wette laufen. Eishockey ist zu schnell, den Berg hinunterspringen kann es noch gerade mit dem Ball, den Mann zu Mann, Frau zu Frau spielen, aufnehmen. Die Tennisliturgie lässt die Zuschauer stumm herumsitzen. Keine Lieder, keine Nachfeier mit dem erlösenden Bier, nur Wasser. Die Kleidung in Weiß lässt die Gesichter der Spieler und Spielerinnen dunkel aussehen. Es gibt nicht das Befreiungserlebnis, wenn ein Tor fällt. Beim Tennis wird noch nicht einmal ein Tor geschossen, vielmehr muss der Andere einen Fehler machen, damit einer gewinnt. 

Die Fußball-Liturgie wird wieder aufgeführt

Jetzt sind die Jungens und die Mädels aus dem Trainingslager zurück, sozusagen der Advent für die Saison. Jedoch ohne Adventskranz und ohne das Gebäck zum Einkuscheln, sondern mit hartem Training, so wie der Kirchenchor bis in die Nacht für Weihnachten trainiert. Kurze Auftritte, die ersten Pokalspiele, können noch als Training abgehakt werden. Und dann geht es los. Die Fans ziehen wieder in die Stadien, Fahnen werden wie bei einer Prozession geschwenkt. Der Chor stellt sich in der Fankurve auf. Wie die Messdiener sind sie an ihrer Kleidung erkennbar. Viele haben Amulette und andere Zeichen mit, um die Fußballgöttin gnädig zu stimmen.

Die Schicksalsgöttin

Sie verteilt das Glück nach eigenem Ermessen. Es ist zudem keine männliche Gottheit, wie die Journalisten meinen. Es käme evtl. der unerbittliche Kampf unter dem Kriegsgott Mars. Der kann es deshalb nicht sein, weil dann nach einem Spiel die halbe Mannschaft verletzt pausieren müssten. Der Kriegsgott tobt sich auch anderswo aus.
Die Göttin ist allerdings nicht so leicht zu nehmen. Das überrascht nicht. Es ist aber auch ein Vorteil. Der Mars würde nicht so überlegend planen, sondern ließ einfach den Stärkeren gewinnen. Es entsteht dann die Frage, warum gerade die Bayern ein Abonnement auf die Meisterschaft hatten. Viele Male wurde der Ritus mit der Schale in München vollzogen, wenn die Spieler die Siegesschale wie eine Monstranz hochhielten. Eine Hypothese wird diskutiert: Es könnte die Marienverehrung sein, die in Bayern hochgehalten wird.  Die Bayern bekommen wahrscheinlich deshalb so viele Stücke vom Glückskuchen, weil sie Maria, die immerhin die Muttergottes, als Fürsprecherin haben. Aber irgendwann ist auch mal Schluss, im Norden und Westen wird auch Fußball gespielt. Dass die Ossis mitspielen, war von der Fußballgöttin ausdrücklich gewünscht. 

Die Glücksgöttin ist keine Nike, keine Siegesgöttin, die den Gegner vernichtet. Sie lässt keine Mannschaft einfach untergehen, sondern in einer anderen Liga weiterspielen. Weil die Göttin so zugewannt ist, kämpfen die Mannschaften bis zu Erschöpfung. Das zeigt sich an den Bayern. Sie sind schon einmal untergegangen und dann wiedergekommen. Uli Spreitzer schildert diese Phase in den späten Siebzigern: Bayern München und Dynamo Kiew. 

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Kategorie: Verstehen

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