Ulrich Krohs dekliniert in „Gehirn und Freiheit, eine Naturphilosophie des Bewusstseins“ durch, wie in den Nervenzellen Bewusstsein entstehen kann. Er beschreibt die Gehirntätigkeit in ihren Aspekten mit dem Wissen um den Stand der Forschung. Das Buch hat mich auf Vieles aufmerksam gemacht. Skeptisch bin ich gegenüber seiner Prämisse: „Ich unterstelle, dass es neben physikalischer Materie nicht noch eine „Geistsubstanz“, dass es keine Cartesische res cogitans gibt und dass auch keine außerweltlichen oder auch nur abstrakten Entitäten angeführt werden müssen, um Bewusstsein zu erklären. Damit ist mein Ansatz materialistisch. Alles Psychische, so die materialistische Annahme, beruht letztlich auf Teilchen und Feldern (oder dem, als was diese zukünftig gefasst werden mögen), deren Interaktionen, deren Kombinationen und den Zuständen dieser Objekte und deren Zustände.“ S. 23
Die Logik seines Materialismus
Seine grundsätzlich und wohl für alle Zeiten als endgültig benannte Prämisse besagt, dass alles, was uns in und mittels der Materie entgegenkommt, nicht mehr ist als Materie. Die Grenzen der Materie wären dann die Grenzen der Wirklichkeit. Diese Prämisse lässt sich nicht beweisen, sie bleibt daher nur eine Theorie. Denn es ist kaum möglich, dass die Forschung endgültig ausschließen kann, dass es etwas neben Materie gibt. Wenn die Theorie stimmt, folgt aus ihr, dass keinen Anfang unseres Kosmos geben kann. Den gibt es aber und wird Urknall genannt. Zumindest ist das im Moment der Stand der Physik. Das besagt, dass dieses Universum einen Anfang hat. Was hinter dem Anfang liegt, erreichen die Instrumente der Astronomen nicht.
Die Sprache der Mathematik ist nicht atomar
Für eine Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zum Bewusstsein braucht es die Hypothese „es gibt nur Materie“ nicht notwendig. Sie stellt auch infrage, dass die Sprache der Physiker die atomaren Vorgänge angemessen beschreibt. Denn die Forschungsergebnisse der Physik werden in mathematischen Gleichungen dargestellt. Diese bestehen nicht aus Materie und werden auch nicht von Atomen hervorgebracht. Wenn es andere Welten gibt, die z.B. nicht räumlich noch der Zeit unterworfen sind, würden auch in einer solchen Wirklichkeit die Gesetze der Logik und ihre Unterabteilung „Mathematik“ auch gelten. Das auch deshalb, weil diese Gesetze nicht wie Materie der Zeit unterworfen sind.
Die Mathematik ist ein eigener Kosmos
Sie ist keine empirische Wissenschaft, die sich aus Beobachtungen herleitet. Sie wird auch nicht durch Experimente bewiesen. Menschen haben sie geschaffen und bauen diesen Kosmos immer weiter aus. Wenn Vorgänge im atomaren Bereich oder im Weltall durch mathematische Gleichungen beschrieben werden können, heißt das noch nicht, dass die Mathematik wie die Gene in einer Zelle z.B. in einem Stein wirken. Es ist wie bei der Sprache. Man kann einen Verkehrsunfall mit Worten darstellen, die Worte sidn aber nicht in dem Verkehrsunfall. Se sind auch nicht an eine Bestimmte Materie gebunden, sie können durch die Luft ans Ohr eines andere gelangen, im Unfallbericht kopiert, in der Zeitung gedruckt werden oder digital gespeichert werden. Es sind auch nicht die Buchstaben, aus denen Sinn entsteht, sondern mit den Sätzen wird eine Bedeutung formuliert, die dann auch in eine andere Sprache übersetzt werden kann.
Die Frage bleibt: Wie können Neuronen denken
Es gibt also etwas, das wir denken, was nicht aus Materie besteht. Die Prämisse - „Alles Psychische, … beruht letztlich auf Teilchen und Feldern“ - reduziert zudem die Vorstellung von Materie auf die Erkenntnisse der Quantenphysik. Materie kann aber viel mehr als die mathematischen Gleichungen der Physik nachahmen. Weil die Prämisse des Autors dem Forschungsstand nicht mehr gerecht wird, ist es weiterführend, einen größeren Horizont zu eröffnen. Denn Wenn Materie nicht auf atomare Ebene reduziert wird, eröffnet sich ein größerer Bogen, der dann auch denkbar werden lässt, dass Materie uns nicht einmauert, sondern transparent für Anderes wird. Das Buch selbst ist dann auch viel anregender als seine Prämisse, „Es gibt nichts als Materie“. Dann wäre dieses Buch mit einen Detailreichstem gar nicht nötig. Tatsächlich führt es näher an die hochinteressante Frage, wie Denken und Atome zusammenspielen. Mir hat es eine weitereichende Vorstellung von Materie eröffnet. Als Theologe konnte ich die christlichen Sakramente in eine erweiterte Sicht der Materie einfügen. Sie wollen materiell, Wasser, Öl, Brot, Wein sein und zugleich etwas transportieren, was nicht atomar ist, Nähe, Geborgenheit, Sich Angenommen-Fühlen, Versöhnung. Wenn die Überlegungen Krohs zu neuen Forschungsergebnissen führen, dann kann die religiöse Praxis mit einem tieferen Verstehen weiter entwickelt werden.
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