Die anderen bieten schon genug Gesprächsstoff
Meist bleiben wir mit unseren Gedanken bei den anderen hängen. Wir brauchen nur zu schauen und zu hören, was sie machen. Dann füllt sich unsere Zeit wie von selbst. Denn die Menschen um uns herum bieten schon genug Gesprächsstoff. Viele schicken bereits mit der Weihnachtspost einen Jahresrückblick und halten sich so im Gespräch. Und wir selbst finden den Inhalt unserer Gespräche bei den anderen. Die Folge ist allerdings: Diejenigen, die mir oder anderen das Leben schwer gemacht haben, finden die meiste Aufmerksamkeit und bieten wohl den interessantesten Gesprächsstoff. Das hat alles seine Berechtigung, denn wir wollen von denjenigen, die uns nahe stehen, mehr wissen. Und mit den Schwierigen müssen wir eben fertig werden.
Für die Politik gibt es die Satire, für den Normalbürger die Daily Soap
Dann gibt es den nie abreißenden Strom der Politik. Die nächsten 365 Tage gibt es immer Neues für die Nachrichten. Glücklicherweise gibt es auch jede Woche Satiresendungen, die in das Geschehen das Salz streuen, so dass uns dann das Ganze nicht zu schwer im Magen liegt. Je abgefahrener der Politiker, desto notwendiger braucht es Satire.
Neben der Politik begleitet uns das Fernsehen mit seinen Serien durch das Jahr. Es gibt die wöchentliche Serien und dann, ob es "Gute oder schlechte Zeiten" sind, die uns zeigen, wie sich ihre Protagonisten durch das Leben schlagen, vor allem wie sie mit den ständig bedrohten Beziehungen zurechtkommen.
Wir können sicher sein, das nächste Jahr wird sich mit vielen Geschehnissen füllen.
Aber was füllt mein Leben?
Neben dem Fernsehen arbeiten viele andere intensiv daran, dass sich mein Leben füllt. Die Schule, die Ausbildung, die Universität haben unendlich viel Material gesammelt, um es in meinen Kopf zu stecken. Der Arbeitsplatz spült mir meist mehr Aufgaben auf meinen Schreibtisch bzw. meine Werkbank, als ich erledigen kann. Die Tourismusindustrie schlägt mir für das nächste Jahr schon so viele Reiseziele vor, dass ich mehrere Leben bräuchte, um sie abzufahren. Damit veranstaltet das moderne Leben die nächsten 365 Tage so, dass ich immer der Zeit hinterherlaufen muss. Ich kann sie auch nie überholen, so dass ich einen Vorsprung herausholen könnte. Aber soll es wirklich so sein, dass die Zeit mich immer treibt, sie mir vorgaukeln kann, ich bekäme für mein Leben zu wenig von ihr? Ich müsste doch lernen, nicht immer nur vom Fluss der Zeit mitgezogen zu werden, sondern auf ihren Wellen zu reiten. Es ist zwar ein leeres Versprechen, mit raffiniertem Zeit-Management die Wochen, Tage und Stunden in den Griff zu bekommen. Es müsste auch anders gehen, denn:
Die Zeit ist nicht unendlich
Wir "unterliegen" dem Zeitdruck, weil die Zeit einen Vorsprung zu haben scheint. Sie ist schon immer weiter, so dass wir ihr nacheilen müssen. Auch wenn wir warten und die Stunden oder Minuten ungeduldig zählen, die Zeit ist uns trotzdem voraus. Aber sie spiegelt uns ihre Überlegenheit nur vor. Denn sie hat ein Ende. Das Sonnenjahr bedeutet ja, dass die Erde in ihrer Umlaufbahn um die Sonne wieder an dem Punkt angekommen ist, wo sie vor einem Jahr war. Es ist doch wohl auch so, dass alles, was einen Anfang hat, auch auf sein Ende zuläuft. Zumindest ist es mit mir so. Inzwischen wissen wir auch, dass dieser Kosmos nicht nur vor 13,5 Jahren mit dem Urknall angefangen hat, sondern auch einmal energiemäßig auslaufen wird. Meist ist uns nicht bewusst, dass sich das Weltall ständig ausdehnt. Irgendwann muss damit Schluss sein, denn dieses Weltall vermehrt seine Energie und damit auch seine Materie nicht. Damit ist die Zeit selbst von ihrem eigenen Ende bedroht. Denn wir müssen annehmen, dass es Raum und Zeit nur in diesem Kosmos gibt. Das ist sehr schwer vorstellbar, weil wir uns nur etwas räumlich vorstellen können. Deshalb können wir uns dieses riesengroße Weltall nur als von einem noch größeren Raum umgeben vorstellen. Aber dieser Kosmos schwebt nicht durch einen noch größeren Raum, sondern außerhalb dieses Weltalls gibt es keine Zeit und keinen Raum. Deshalb kann Gott auch nicht Gott sein, wenn er innerhalb dieses "Alls" existierte. Wir können uns zwar Gott nur in Zeit und Raum vorstellen, dass er einen Ort im Himmel hat. Aber wir wissen mit unserem Verstand, dass das eine unangemessene Vorstellung ist, auch wenn er in fast jeder Barockkirche in die Decke gemalt ist.
Wir sind nur Gäste der Zeit
Nicht mit unserer Vorstellungskraft, aber mit unseren Gedanken erreichen wir das, was außerhalb dieses Kosmos liegt. Das ist nicht mehr dem Raum und damit auch nicht mehr der Zeit unterworfen. Denn vor dem Urknall gab es so etwas wie Zeit noch nicht. Denn Zeit entsteht erst durch Energie und Materie, die wie ein Pfeil gerichtet sind. Da die Materie nicht unendlich ist, zerfällt auch die Zeit mit der Materie. Deshalb trägt das Weltall den zweiten Wortteil unberechtigt. Es ist kein "All", das alles, was ist, einschließen würde. Denn schon unser Geist kann über den Kosmos hinausdenken, so dass er nicht "Alles" sein kann. Deshalb sind auch unsere Beziehungen untereinander nicht durch die Zeit zerstörbar. Weil wir das ahnen, beerdigen wir die Toten. Eigentlich beerdigen wir die Zeit, damit die Toten uns nicht verloren gehen. Das gilt dann auch für mich. Ich soll von meiner Reise durch die Zeit etwas mitnehmen können, etwas, das die Zeit nicht zerstören kann. Das legen uns weise Menschen nahe, die wir deshalb Gedächtnis behalten, weil sie uns über die Zeit hinausführen, so die Verfasser der Upanischaden, Buddha, Sokrates, Jesus. Deshalb sollten wir uns ein erfülltes Neues Jahr wünschen, ein Jahr, aus dem wir etwas für die Existenz nach der Zeit mitnehmen können. Denn wir steigen an unserem Ende aus dem Fluss der Zeit aus
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