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Wir brauchen den Advent

Es kommt das Ende auf uns zu, nicht allein auf die Gläubigen, sondern für jeden gilt: Die Sonne wird erlöschen und damit auch das Leben auf diesem Planeten. Wie stellen wir uns dazu. Der Advent ist die Zeit, darüber nachzudenken.

Wir ersticken die Fragen nach dem Ende im Glühwein und der Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt und machen Jesus zur Ikone unserer Einkaufserlebnisse. Aber er wird im Advent nicht mehr als süßes Baby erwartet, sondern als Vollender der Geschichte. Auch wenn viele Mitbürger die Bibel nicht mehr für realistisch halten, die Fragen treffen auf die Reisenden im Raumschiff Erde zu, so wie ein Flugzeugabsturz alle mitreißt. Zumindest hat die Bibel die Frage nicht ausgespart, dass der Mensch sich zum Ende verhalten muss. Denn es bleibt für jeden die Frage: 

Was wird aus dem Menschen

Es fängt beim Klimakollaps an. Wenn ich ihn leugne, ereilt er mich trotzdem. Gleiches gilt für die Überlegungen zum Ende der Welt, die am Beginn der Adventszeit thematisiert werden. Ich kann das in der Bibel angekündigte Endgericht für einen Mythos halten, der unter den Augen der Astrophysik sich anders darstellt, jedoch kommen wird. Sogar dieses Weltall als Ganzes wird einmal an ein Ende kommen. Das sind nicht bloß Ängste, die sich Bilder geschaffen haben, sondern Erkenntnisse der Physik. Angesichts dieser Zukunft kommt mit Notwendigkeit die Frage: was wird aus dem Menschen. Sie kann nicht damit abgewendet werden, dass man sie als bloß religiös in das Fach "Irrelevanz" verschließt. Sind sie einmal gestellt, bohren sie weiter, denn der Mensch ruht nicht, bis er Antworten bekommt. Es sind zumindest drei Fragen:

1.    Endet das menschliche Ich, wenn  der Körper in die Atome zerfällt, aus denen der Lebensatem das 
      Zusammenspiel der Zellen gebildet hat? 

2.    Läuft die Geschichte auf irgendeinen Sinn hinaus, der die ganzen Mühen lohnt?

3.    Was bleibt denen, deren Leben verpfuscht, ja zerstört wurde?

Ob Gottgläubige oder diejenigen, die ausschließlich auf die Erkenntnisse der Physik setzen, um das Leben zu bewältigen, sie hören von der Physik Genaueres zum Ende. Trotz aller Erkenntnisse ist diese Wissenschaft jedoch nicht auskunftsfähig, wenn es um Meta-Physik geht, das Meta, nämlich das "Über", das über die Reichweite physikalischer Erkenntnisse hinausreicht.

Kann der Mensch auf Antworten hoffen? 

Ehe dazu Physik oder Metaphysik befragt werden, bestimmt die Einstellung zu den oben formulierten Fragen, ob ich überhaupt mit einer Antwort rechne. Die Erwartung, dass es überhaupt eine Antwort geben könnte, ist in unserer Kultur immer mehr zurückgegangen. Weil die Antworten nicht als dringend erlebt werden, scheint die Beschäftigung mit den Fragen als zu schwierig. Das hat dann die einfache Konsequenz, dass der Advent mit dem Rundgang auf dem Weihnachtsmarkt angemessen begangen wird. 

Eine erste Überlegung führt weiter: Wenn der Mensch über das Ende nicht nur seines Lebens, sondern des Lebens auf dem Erdplaneten hinaus denken kann, dann kommt das nicht aus der Physik, sondern anderswoher. Denn die Physik endet mir ihren Erkenntnismöglichkeiten an den Grenzen dieses Kosmos. Deshalb kann eine Antwort nicht aus der Physik, sondern nur aus dem Anderswoher kommen. Dieses Andere muss dann aber wie der Mensch selbst solche Überlegungen anstellen können und noch mehr. Wenn sich im Menschen die Sinnfrage regt, dann muss in dem Anderen auch eine Sinnperspektive bedacht worden sein, ehe der Mensch auf die Sinnfrage gestoßen worden ist. Es gibt noch eine weitere Erkenntnis, die wir im Nachdenken über unsere Zukunftsängste wie -hoffnungen gewinnen. Sie kommt aus der Biologie: wenn die Evolution auf ein Wesen hinausläuft, das das Ganze bedenken, das über das Weltall und dessen Ende hinausdenken kann, dann muss in dem Anderen auch dieses Denken sein, sonst hätte der Mensch nicht damit begabt werden können. Es sind also zwei Gedankenschritte:

  1. Wenn die Physik nur auf Gesetze der Materie stößt, für die die Frage nach dem Sinn nicht gestellt werden kann, dann muss es für diese Frageimpulse eine Ursache jenseits der Physik geben. Der Ort dafür ist das menschliche Bewusstsein. Dieses kann aber nicht durch Wirkungen der Physik auf diese Fragen gestoßen worden sein.
  2. Wenn die Sinnfragen von dem Meta, dem Über der Physik kommen, dann muss dieses Über selbst über Sinn nachdenken und auf Sinnerfüllung ausgerichtet sein. 
  3. Da die Menschen sich gegenseitig die Antworten auf die Sinnfrage nicht geben können, müssen sie auf eine Instanz setzen, die das vermag. 

Es wird deutlich: wenn ich keine Antworten auf die Sinnfragen erwarte, mache ich mich auch nicht auf die Suche. Diese Grundeinstellung prägt die gegenwärtige Kultur. Jedoch sind die Fragen nicht damit beantwortet, dass man sie nicht mehr stellt. Wenn die Physik nicht die Sinnfrage beantwortet, noch überhaupt stellt, der Mensch sie nicht beantworten kann,  dann muss es ein Wesen geben, das nicht physikalisch greifbar ist, Teil dieses Kosmos ist, das sich die gleichen Fragen stellt. Dieses Wesen kann der Mensch nur erahnen. Der Advent ist eigentlich dazu da, etwas von diesem Wesen zu erhoffen, nämlich dass es sich für den Menschen interessiert, auch wenn es diesen so sehr überragt. Genau das besingen die Adventslieder, dass Gott sich dem Menschen zuwendet.

Trotzdem hingehen

Wenn ich zu der Überzeugung gekommen bin, dass der Advent lohnt, weil er mit wichtigen Fragen auf mich zukommt, dann werde ich anders über den Weihnachtsmarkt gehen. Ich werde Mitleid mit den frierenden Verkäuferinnen bekommen und mit ihnen das erbärmliche Gefühl teilen, wenn es regnet. 
Es ist nicht ihre Aufgabe, auch nicht der Politik, noch die von Siemens oder VW, sondern der Universitäten wie der Kirchen, sich diesen Fragen zu widmen. 

Holm Tetens hat die oben angeschnittenen Fragen gründlich unter der Überschrift "Gott als Antwort auf Fragen, die wir nicht loswerden" durchgeführt, Seine Denkwege finden sich in "Gott denken" S.  275-294


Kategorie: Analysiert

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