Foto: Jutta Mügge

Wie kommt das Absolute in das Zufällige?

Wir sind total abhängig von einer Welt, die uns zu Essen, Luft zum Atmen gibt, mit dem Tag- und Nachtrhythmus uns nicht ständig der Sonne aussetzt und damit schlafen lässt. Es könnte auch alles anders sein. Dann gibt es noch das ganz Andere, das uns ja erst das Zufällige verstehen lässt. Es ist aus sich notwendig. Weil es keinen Anfang hat, muss es auch nicht vergehen.

Die Vorstellung, etwas könnte nicht zufällig sein, kommt nicht aus dem Gewebe dieser Welt, in der wir leben. Die ist für die Tiere wohl so, wie sie ist. Wie wir Menschen müssen auch sie mit dem ständigen Wechsel fertig werden. Oder vielleicht doch nicht. Der Hase läuft um sein Leben, der kleine Fisch muss achtgeben, dass er nicht gefressen wird, das Vogelküken muss fliegen lernen, um vor dem Marder wegfliegen zu können. Könnten Tiere das Zufällige ihrer Umwelt wahrnehmen, dann müssten sie ja wie wir den Gedanken von etwas Nicht-Zufälligen haben. Dass etwas zufällig ist, wird einem nämlich erst dann bewusst, wenn man es vor dem Hintergrund eines ganz anderen sieht. Denn zufällig kann nur dann etwas sein, wenn es etwas gibt, das nicht zufällig ist. Das gibt es aber in diesem Kosmos nicht. Es muss ganz anders gebaut sein als der Stoff, aus dem wir selbst bestehen. Es erscheint nicht unter einem noch so großen Mikroskop, man stößt auch nicht darauf, wenn man bis in den Atomkern vordringt und es wohnt auch nicht auf einem der Sterne, so dass man es ausmachen könnte. Es ist uns viel näher:

Das Absolute wohnt im Menschen

Wir treffen auf das Nicht-Zufällige im anderen Menschen. Wir sollen ihn achten, nicht klein machen, nicht töten, auch wenn er es verdient hätte. Er trägt etwas in sich, das wir nicht zerstören dürfen. So die Idee der Gerechtigkeit. Die finde ich sicher nicht im realen Zusammenleben der Menschen. Gerechtigkeit, eigentlich die Grundidee der Politik, wird durch die meisten Staaten mit ihren Präsidenten außer Kraft gesetzt, die sich bereichern, die Kriege vom Zaun brechen und, um wiedergewählt zu werden, Konflikte schüren. Die Idee der Gerechtigkeit ist nicht in der Realität, sie ist aber auch nicht ein Hirngespinst, sondern findet sich in jedem Menschen. Obwohl es empirisch keine Gerechtigkeit gibt, lässt uns die Idee der Gerechtigkeit doch erkennen, wie ungerecht es zugeht. Jeder von uns spürt es sofort, wenn er, wenn sie ungerecht behandelt werden.

Meine Freiheit hat im Zufälligen keine Chance

Noch mehr trifft das auf die Freiheit zu. Faktisch ist alles darauf angelegt, dass ich so handeln, arbeiten wie auch das lernen soll, was andere von mir wollen. Wir gehen ja auch so vor, denn wir wollen, dass die Verkäuferin an der Kasse zügig die Waren scannt, damit wir schneller dran kommen, dass der Zahnarzt unseren Schmerz beseitigt, der Dozent es uns so erklärt, dass wir es verstehen. Wer von diesen hat einen so weiten Blick, dass er mir über das, was ich zu tun habe, noch meine Freiheit zutraut? Selbst an der Universität, die die Freiheit der Wissenschaft betont, muss ich in der Prüfung das wiedergeben, was der Professor gesagt hat, ob es richtig ist oder falsch. Alles läuft darauf hinaus, dass ich gesteuert werde, in höchster Perfektion durch die Social Media. War die Stasi schon auf totale Kontrolle aus, so Google und Facebook erst richtig. Sollte ich wirklich frei sein, kann keine irdische Macht meine Freiheit garantieren. Dass es so eine Macht geben müsste, wird an der Freiheit deutlich. Trotz jahrhundertelanger Versuche, die Freiheit auszuschalten, regt sie sich doch immer wieder und stürzt Systeme. Wir werden es bald erleben, wie Google und Facebook in sich zusammenfallen, wenn ihren Nutzer aufgeht, wie sie in dem Netzwerk gefangen sind. Auch in Nordkorea wird die Freiheit erwachen. Das System wird dann implodieren, so wie wir es bei der DDR erlebt haben. 

Das Absolute in mir ist mein Anker

Ich kann mich nicht zuletzt deshalb auf das Absolute einlassen, weil ich bei anderen stündlich darauf treffe. Ich soll ja nicht lügen, meinen Vorteil nicht blind durchsetzen. Ich kann auch nur überleben, wenn wenigstens einige Menschen mich nicht betrügen, mir nicht nach dem Leben trachten, mich nicht vergiften.
Schon das Zusammenleben im Alltag braucht die Gegenwart des Letztgültigen, damit ich nicht untergehe. Noch mehr meine Freiheit. Deshalb ist das Absolute das, was unser Leben ermöglicht. Dass ginge auch, denn die Welt, in die ich hineingeboren bin, ist eigentlich so gebaut, dass meine Freiheit sich entfalten kann. Denn ich muss die Verantwortung für mein Leben übernehmen, eine Welt von Abhängigen würde implodieren. Mein Leben gelingt, indem ich mich dem Absoluten in der Idee der Gerechtigkeit und durch die Praxis meiner Freiheit öffne, indem ich über mich entscheide und die Freiheit der anderen achte. Indem ich meine Aufgaben erledige und dann die Feste feiere, die mir den Blick weiten.

Das Absolute berührt mich

Meist spüren wir das Nicht-Zufällige nur wie im Hintergrund. Es scheint auf, wenn wir nicht einfach vor uns hinleben, sondern uns fragen, ob das bloß Zufällige nicht doch einem Sinn folgt. Oder wenn wir aufgerüttelt werden, uns für Gerechtigkeit einzusetzen. Oder wenn wir uns in eine größere Freiheit gerufen fühlen. In wenigen Momenten tritt das Absolute dann auch aus dem Hintergrund heraus. Es sind meditative Momente, wenn ich nichts vorhabe, mich aus einer Problemschlinge befreien konnten. Es sind Erfahrungen einer größeren Ganzheit, die wir selbst nicht herstellen können. Wir fühlen uns in das größere Ganze hineingenommen. Die Zenmeditation strebt diese Erfahrung an, die Sufigeschichten erzählen, wie man ins Loslassen gelangen kann, die Erfahrungen der jüdischen und christlichen Mystiker sind von der Bibel geformt. Was einzelne aufgeschrieben und vielleicht intensiver erlebt haben, wird jedem Menschen geschenkt. Es ist der Wurzelgrund des Betens.



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