Wie habe ich als Kind gebetet? Das ist mir nicht mehr erinnerlich. Vielleicht so, wie die Kinder, die ich in der Grundschule in Religion und mithin auch im Beten unterrichtet habe. Beeindruckt hat mich jedes Mal die Spontaneität und Selbstverständlichkeit, mit der die Kinder ihre Gebete formulierten, vor allem, als wir einmal eine kleine "Gebetsschule" veranstalteten. Jede Schülerin und jeder Schüler sollte ein Gebet mit eigenen Worten aufschreiben. "Lieber Gott, es war ein toller Tag, aber lass mich jetzt bitte in Ruhe ruhen" – das vielleicht schönste der "Gedichte", wie die Kinder Gebete bezeichnen.
Phasen und Entwicklungen
Ganz einfach Dank und Bitte an Gott ausgedrückt, ganz einfach und ganz selbstverständlich gesagt – und in tiefem Gottvertrauen. Schöner, größer und ehrlicher kann man nicht beten. Wie habe ich als Jugendlicher gebetet? Es war die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, eine Zeit der Experimente und Umbrüche in der Kirche. Probiert wurden neue Liturgie- und Gebetsformen, die "zeitgemäßer" und "aktueller" sein sollten. Vor allem waren es eher selbst formulierte Gebete zu verschiedenen Anlässen, die, neben dem Gottesdienstbesuch, damals einen Großteil des Glaubensvollzuges darstellten, nebst beispielsweise neuen Gebetsformen wie Wohnzimmergottesdienste in bestimmten Gruppenzusammenkünften. Das vermittelte Schwung und Zuversicht für´s alltägliche Christsein. Wie bete ich als Erwachsener heute, nach Theologiestudium, etlichen Berufsjahren als Religionslehrer und einer langjährigen Wüstenzeit ohne "religiöse Musikalität", die aber seit vielen Jahren überwunden ist? Hat diese Wüstenzeit mein späteres Beten beeinflusst und wenn ja, wie? Vielleicht so: Auch im Beten und Glaubensleben muss man erwachsen werden, wie im "richtigen" Leben. Alle drei sollen sich idealerweise miteinander verbinden und durchdringen, eine Einheit bilden. So ergibt sich eine Basis, eine Grundhaltung. Vielleicht war die Wüstenzeit ja ein Häutungsprozess meines Glaubenslebens, der alles abgestreift hat, was leere Hülse war. So empfinde ich das jetzt. Mein tägliches Beten, das mir nicht immer gelingt, orientiert sich am Stundengebet, vermittelt über das Heft "Te Deum" der Benediktiner-Abtei Maria Laach. Aufgeteilt in drei Sektionen: Morgenlob mit einem Hymnus und einem Psalm, Gebet, Bitten, Lobgesang des Zacharias, Vater unser und Segen nebst Gedankenimpulsen "Ora et Labora". Zweitens, für tagsüber dann Lesung und Evangelium mit Impulsen dazu und einem Gebet. Als Drittes folgt das Abendlob, wiederum mit Hymnus und Psalm, Kurzlesung, Magnificat, das zu einem Lieblingsgebet für mich wurde, sowie Fürbitten, Vaterunser und Segen.
Gestisches Beten
Zum Beten fehlen mir oft die Worte, wenn ich nicht gerade im "Te Deum" lese/bete, weshalb ich dann wortlos bete, eher meditiere, meistens abends. Den Tag beginne und beende ich mit einem ausgeprägten Kreuzzeichen, morgens in der Erwartung eines neuen gottgeschenkten Tages, am Abend als Dank dafür. Großer Worte bedarf es dabei nicht, die Geste reicht. Weil ich weiß, dass Gott mich kennt – das ist meine Grundhaltung und Erfahrung: Gott ist da, Gott ist bei mir, wie es der Psalm 139 sagt. Ich muss da nicht andauernd an ihn denken, ich muss ihn bewusst und fast mehr noch unbewusst fühlen. Man muss/soll, kann/darf sozusagen mit Gott "einverstanden" sein. Alles andere ergibt sich daraus in natürlicher Selbstverständlichkeit. Seitdem ich vor Jahren im Limburger Dom einen Schwarzafrikaner das "Vater unser" mit ausgebreiteten Armen beten sah, habe ich diese Form des gestischen Betens für das Gebet aller Gebete sofort übernommen und auch im Religionsunterricht weitergegeben. Die Kinder in der Grundschule haben diese Geste ohne große Worte sofort verstanden: Sich öffnen für Gott. Beim Tischgebet schlage ich ein Kreuzzeichen über das Essen, danke dafür und bitte "Gib auch denen, die nichts haben." Auch wenn ich ein Brot anschneide, zeichne ich zuvor ein ausgeprägtes Kreuzzeichen auf den Brotlaib und bete "unser tägliches Brot gib uns heute." Das bezieht sich auf den normalen, sozusagen irdischen Hunger, dazu existiert für mich aber auch der "sakrale" Hunger, der durch den Empfang der Kommunion gestillt wird; das Gegebenwerden und das Empfangen der Hostie als unüberbietbare Geste der Intimität mit Gott als zwei-eine Geste. Dankbarkeit und Demut dann im Knien in der Bank ausdrücken, mit geschlossenen Augen das Erfülltsein mit Gott spüren.
Weitere Berichte über das persönliche Beten
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