Beitrag zum Hören (Sprecher: Gunnar Bach)

Die Welt ist so anstrengend geworden durch die Veränderung. Einmal Pause machen dürfen, in Ruhe einen Kaffee trinken, sich zurückziehen, und doch mitten unter Leuten sein. Lässig, gemütlich. „Die Welt noch in Ordnung!“ Wer könnte das ehrlich von sich behaupten und auch noch damit werben? Oder: „Hier gehen die Uhren noch anders!“ Ein bisschen trotzig, gar reaktionär klingt es auch. Und irgendwie ist es auch eine Illusion. Was heißt das schon, „in Ordnung“? Eine große Rolle spielt dabei: da scheint mir alles wohlbekannt zu sein, da fühl‘ ich mich wohl. Und irgendwie ist das Gefühl dabei: da hab‘ ich meine Schäfchen im Trockenen. Es ist, es wird für mich gesorgt.

Es ist Herbst. Rainer Maria Rilke schrieb vor 115 Jahren in seinem berühmten Gedicht „Herbsttag“: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.“ Das könnte auch heute noch das Lebensgefühl vieler nicht beheimateter Menschen beschreiben. Als ich vor kurzem in einem Heim zu Besuch war, in denen demenzkranke Menschen wohnen, hatte ich es drastisch vor Augen. „Geh weg, ich will nach Hause“, schrie ein Heimbewohner und wehrte sich rabiat, als die Pflegekräfte ihn wieder zurückführen wollten ins Heim. Er wollte weglaufen. Die Umgebung war für ihn alles andere als vertraut.

In einem Kirchenlied heißt es: „Komm, bau ein Haus, das uns beschützt,
pflanz einen Baum, der Schatten wirft, und beschreibe den Himmel, der uns blüht,
und beschreibe den Himmel, der uns blüht.“ Es wird Winter. Nach und nach. Darauf habe ich mich einzustellen. Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Das ist sicher. Es wird wieder blühen. Ich kann mir Zeit nehmen, um zu beschreiben, worauf ich hoffe. Zu beschreiben, was mir blühen soll. Wenn ich das tue, ist die Welt für mich eine Zeit lang in Ordnung. Diese Zeit will ich mir nehmen, jetzt im November.