Alle Jahre wieder schmücken sich die Städte mit einem Weihnachtsmarkt. Meist ist es dort voll, Menschenmassen schieben sich an den Hütten vorbei, Glühwein ist ein Muss, als Grundlage vorher eine Bratwurst. Ob der christliche Hintergrund noch irgendeinen Bezug zum Ganzen hat, ist nicht erkennbar. Da die inhaltliche Entleerung zunimmt, bemühen sich die Veranstalter um neue Attraktionen, authentisch wirkt, was irgendwie mittelalterlich erscheint. Andere bemühen sich um Kaufattraktionen, die handwerklich kunstvoll genannt werden könnten. Doch diese Anstrengungen täuschen nicht darüber hinweg, dass Langeweile oder besser der Versuch, diese zu vertreiben, die Weihnachtsmärkte kennzeichnen. Die Ödnis der Städte erscheint durch die ‚romantisch‘ geschmückten Weihnachtsmärkte vergessen zu sein. Im Gegensatz zu den großen Kaufhäusern, die nur Einheitsware anbieten, lassen sich auf dem Weihnachtsmarkt Originelles und Einzelobjekte finden. Entgegen dem Blick auf leerstehende Ladenlokale ist jede Bude ein Blick auf ein gutgehendes Geschäft. Während in den Geschäften eine Bedienung erst gesucht werden muss, sitzt oder steht in jeder Bude ein Verkäufer, Beratung ist garantiert und jeder Kauf wird tatsächlich zu einem Erlebnis.
Das Fest der Seifenblasen
Die Enge auf den Weihnachtsmärkten gibt den Besuchern das Gefühl einer guten Gemeinschaft. An den Glühweinständen herrscht keine ausgelassene Stimmung, sondern ein trunkenes Besinnlichsein. Dennoch kommt keine Stimmung auf, die von einer vertrauten Innerlichkeit künden würde. Das Adventliche, das Warten auf den Gottessohn, steigt wie eine Seifenblase auf, die als Tannenbaumkugel nicht zerplatzen wird, sondern die Illusion aufrechterhält. So etwas wie Sinn hat in der zuckersüßen Sinnlichkeit keine Chance. Das Fest der Inkarnation wird umgedreht, auf dem Weihnachtsmarkt herrscht die Sehnsucht nach dem Kontakt mit etwas Wesentlichem. Dieses Wesentliche darf jedoch nicht eindringen, es muss fortgetragen werden können. Es war am Anfang das Wort, das Fleisch geworden war. Das Wort ist ganz Fleisch geworden, auf dem Weihnachtsmarkt geht es nur um eine Teilhabe.
Die Weihnachtsmärkte als Symptom für den verkauften Sinn
Es dürfte ein Phänomen der komplexen Welt sei, die nur schwer erkennen lässt, was Religiosität ist, dass diejenigen, die auf der Suche nach dem Religiösen sind, die gewohnten Orte meiden, die mit Sinn oder Religion verbunden sind. Kirchen, die sich bemühen, marketinggerecht und kundenheischend sind, erregen eine Abwehrreaktion bei denen, die auf der Suche sind. Wer von den Sinn- und Religionsanbietern als Kunde behandelt wird, verhält sich auch wie ein Kunde. Wenn die Dienstleistung nicht den Erwartungen entspricht, dann wird sie nicht weiter in Anspruch genommen. Weihnachtsmärkte sind wohl das deutlichste Symptom dafür, dass Religiöses zu einer Tauschware geworden ist, beziehungsweise andere Deutungsmuster an Bedeutung verloren haben.
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