Lichtspiel Seele. Foto: hinsehen.net

Was bin ich? Seele oder nur belebter Körper?

Eine Seele lässt sich nicht beweisen. Bei einem Körper lässt sich dagegen der Unterschied zwischen lebendig und tot bestimmen. Was jedoch ist dieser Unterschied? Ein phänomenologischer Blick löst das sogenannte Leib-Seele-Problem vielleicht nicht, kann aber möglicherweise die gewohnte Fragestellung verändern.

Wir sind es gewohnt, von Seele, Psyche, Geist, Körper und Leib zu reden. Es ist zumindest im Alltagsgebrauch kaum klar, ob und wie sich diese Begriffe unterscheiden. Das Problem ist jedoch, dass wir mit Begriffen nicht nur etwas meinen, sondern hinter jedem Begriff eine Geschichte steht. Wir machen uns im Alltag keine Gedanken darüber, ob es einen Unterschied zwischen Körper und Geist gibt. Beim Tun sind wir uns wohl kaum bewusst, wer da etwas tut. Wir erleben uns als Einheit. Eine Instanz steuert unser Tun, diese Instanz nennen wir Ich. Was oder wo dieses Ich in unserem Körper ist, stellt uns vor eine Frage, die unser Handeln unterbrechen würde. Das Leib-Seele-Problem ist eine akademische Frage, die dann gestellt wird, wenn das Handeln in seinem gewohnten Ablauf unterbrochen wird.

Das Formende

Die Erfahrung, die ich als Mensch im Gegenüber von anderen Menschen mache, ist die Abgrenzung. Ich kann mit meinem Wollen den anderen nicht so steuern wie mich selber. Die Beine des Anderen gehorchen mir nicht wie die eigenen. Es scheint etwas zu geben, wodurch das, was ich als Ich erlebe, von der Welt getrennt ist. Das Ich scheint eine Einheit zu sein. Wir sind davon überzeugt, dass diese Einheit eine Eigenart aufweist, die man Persönlichkeit oder Charakter nennen kann. Irgendetwas formt diese abgetrennte Einheit. Dieses Formende könnte man als Seele bezeichnen. Spürt man in das hinein, was mit Seele gemeint ist, dann ist im christlichen Sprachgebrauch Seele mehr als das Formende des Körpers. Es ist der Teil des Menschen, der weiterlebt, der ewig ist und nicht an den Körper gebunden ist. Damit ist die Seele etwas, über das der Mensch nachdenken kann, was aber seiner konkreten Erfahrung entzogen ist. Das Formende hingegen ist so etwas wie eine Erinnerung, was einzelne Erfahrungen miteinander verbindet. Die Annahme einer Seele stellt das Denken vor unlösbare Probleme: Woher kommt die Seele? Wohin geht sie? Wann kommt die Seele in den Körper und wann verlässt sie den Körper? Empirisch können auf diese Fragen keine Antworten gefunden werden. Anders ist es beim Ich. Hirnforscher wie Antonio R. Damasio nehmen an, dass das Ich nicht eine Instanz im Körper ist, also ein Ort, sondern eine bestimmte Struktur. Das Ich ist kein Wo sondern ein Wie. Diese Sicht widerspricht der üblichen Erfahrung des Menschen. Wir denken räumlich. Das Ich ist ein Ort im Körper. Die Seele sitzt im Herzen. Gott wohnt im Himmel. Der Geist ist im Gehirn verortet. Und der Körper ist ein eindeutig abgrenzbares Gebilde.

Der Geist

Während wir Formulierungen gebrauchen wie ‚gute Seele‘ und damit einen konkreten Menschen meinen, sprechen wir von Geist im Sinne einer Atmosphäre. Der Geist, der über den Wassern schwebt, ist undefinierbar, eher im Sine eines Prinzips gemeint. In der christlichen Theologie gibt es noch das Spezifikum des Heiligen Geistes, er gilt als einer der Drei neben Vater und Sohn. Mit Geist meinen wir weniger etwas Individuelles. Der Geist kann körperlos gedacht werden, weil er im Sinne eines Prinzips vorgestellt wird. Etwas, was als Prinzip vorgestellt wird, verlangt Abstraktion. Mit dem Begriff der Seele hat sich der Mensch eine Arbeitshypothese geschaffen. Es ist keine Abstraktion vonnöten, die Seele wird als im Hintergrund handelnde Instanz angenommen und der Mensch kann quasi passiv handeln. Wird jedoch die Arbeitshypothese Seele als real existierende Instanz verstanden, begibt sich der Mensch in die Gefahr, dass er erstens einen Dualismus von Körper und Seele voraussetzt und zweitens das Handeln als unabhängig von der Umwelt betrachtet. Versteht man den Körper als einen Teil des Gesamtumfelds, dann sind Innen und Außen nicht wirklich unterschieden und die Seele wäre keine Instanz im Körper, sondern eher der Geist, der über dem Ganzen schwebt. Die Seele könnte als die Art verstanden werden, wie der Körper in individueller Weise mit dem Umfeld kommuniziert. Die Annahme einer Seele als die Zeiten überlebendes Ich wäre hinfällig. Und stellt man sich den Menschen als ein Wesen vor, das nur Gegenwart kennen würde, dann ergäbe sich die Frage nach einer Seele im Sinne einer Instanz gar nicht, denn der Mensch wäre immer nur handelnd. Der Gedanke an eine Seele wäre eine Unterbrechung und damit ein Phänomen, was an Zeit gebunden ist.

Seelen-krank, Schizophrenie, ein autobiografischer Bericht



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