Moskauer Erlöserkirche, Patriarch und Großfürst nach Sieg gegen Feinde. Werden sich Patriarch und Putin nach einem Sieg über die Ukraine umarmen? Foto: hinsehen.net E.B.

Ukraine, ihre Freiheit lässt sich militärisch nicht besiegen

Putin entfacht zum ersten Mal Krieg zwischen den Ostslawen. Das ist ein historischer Einschnitt und wird dazu noch von den Ukrainern als Aberkennung ihrer Freiheit präsentiert. Die hat sich die Ukraine mühsam erkämpft, denn auch sie schleppt den Stalinismus noch in ihrem Gepäck mit. Der Einmarsch wird die Sehnsucht verstärken, auch in Belarus.

Die Ukraine hatte sich 2014 für die Freiheit entschieden und einen großen wirtschaftlichen Einbruch verkraften müssen. 60% der Handelsbeziehungen verband sie vorher mit Russland. Die EU ist damals nicht eingesprungen. Trotzdem will vor allem die junge Generation zu Europa gehören. Putin hat dem keine überzeugende Idee entgegenzusetzen. Er kann nur militärisch gewinnen. Was die Ukrainer von ihm zu erwarten haben, konnten sie im Fernsehen von seinen hämischen Gesichtszügen ablesen, als er ihnen die Fähigkeit abgesprochen hat, einen eigenen Staat zu organisieren und sie zu Vasallen des Westens erklärte. Warum sollen sie jetzt Untergebene Moskaus werden, die Rechtssicherheit, das freie Reisen, die Musik und die Filme des Westens wurden ihnen nicht mit Kanonen aufgezwungen. Eine freie Ukraine, der Russland eine gute Nachbarschaft angeboten hätte, würde Russland sehr viel mehr nutzen.

Die Jungen werden nicht einlenken

Da Russland der Ukraine nichts zu bieten hat, werden die Menschen sich nach der Freiheit zurücksehnen. Panzer reichen nicht, Putin bräuchte überzeugende Ideen, die vor allem die Jüngeren überzeugen könnten. Die Jungen werden die Rückkehr des Stalinismus nicht akzeptieren. Sie haben die 2013 gegen die enge Bindung an Russland aufbegehrt.
Als Putin im November 2013 den damaligen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch zwang, seine Unterschrift unter dem Assoziierungsvertrag mit der EU zurückzuziehen, begannen Studierende mit Protesten auf dem Majdan, dem zentralen Platz Kiews. Sie fanden zuerst nur Unterstützung aus der Westukraine. Erst langsam wurde den Menschen in Odessa und anderen russischsprachigen Gebieten klar, dass es nicht die üblichen Proteste von Studenten waren, sondern dass es um die Zukunft ihres Landes ging.
Wer die Kundgebungen in den Städten hier in Deutschland beobachtet, sieht vor allem die junge Generation. Bilder, wie die einrückenden Panzer freudig begrüßt werden, zeigen, wo die Bevölkerung der Ukraine steht. Wie es die Amerikaner im Irak erlebten, wird es auch Russland ergehen. Die Bevölkerung gewinnt man nur dann, wenn die Panzer Befreiung versprechen, sowie der Autor in seiner Kindheit das selbst beobachtet hat, die US-Panzer freudig begrüßt wurden.

Die Orthodoxie wird gespalten

Der Kriegseintritt des russischen Teils der Rus beendet eine lange Verbundenheit, die auch kirchlich galt. Alle großen militärischen Auseinandersetzungen wurden gemeinsam geführt. Anders als die Länder im ehemaligen Reich Karls d.Gr., also die vielen Kriege zwischen Frankreich und Deutschland, haben die Ostslawen sich das bisher erspart.

West- und Ostorientierung der Rus

Die Rus, also die heutige Ukraine, Belarus und Russland, wurden meist von außen angegriffen, 1242 vom Deutschen Orden und Litauen, zu gleichen Zeit von den Mongolen, Mongolen. Nach dem Ende der Mongolenherrschaft im16. Jahrhundert dehnte sich das litauisch-polnische Reih weit in die Ukraine hinein aus. Nur im Verbund mit dem unabhängig gebliebenen Moskauer Reich konnte die Ukraine sich befreien. Damals also eine Orientierung auf Moskau hin, wo auch der Patriarch seinen Sitz nahm. Zwar konnten die polnisch-litauische Besatzer zurückgedrängt werden. Das Moskauer Zentrum begann unter Iwan dem Schrecklichen eine große Landnahme nach Osten hin, mit der Russland die Gebiete besetzte, die die Mongolen freigegeben hatten. Damit wurde Russland wegen seine Größe uneinnehmbar. Allerdings wohnen in dem Gebiet zwischen Ural und Wladiwostok nur 18 Millionen Menschen, so dass der Großteil der Russen zu Europa gehören.
Die Feldzüge Napoleons und Hitlers trafen zuerst die Ukraine und Belarus, was die Verbundenheit der Ostslawen untereinander hätte auf Dauer stabilisieren müssen. Ob die Russen es zulassen, dass Putin den russischen Teil der Rus ins geschichtliche Abseits stellen und die Ukraine und Belarus dem Westen zutreiben wird, ist noch offen. Russland wird nach dem Einmarsch in die Ukraine nicht das Land sein, das es vorher war. Da die Wirtschaft Russland trotz der immensen Bodenschätze nicht stabil ist, können die Sanktionen des Westens erhebliche Wirkung zeigen und die Putin bisher ergebene Entourage zum Umdenken zwingen.

45 Millionen Ukrainer werden sich nicht einfach unterwerfen

Die Unabhängigkeit der Ukraine war Ergebnis eines langen Prozesses. Da die Westukraine bis 1939 zu Polen gehörte und vorher zum Habsburger Reich, war dieser Landesteil kulturell nach Westen orientiert und hat auch Ukrainisch gesprochen. Zudem hatte Stalin die Intelligenzschicht nach Sibirien verbannt oder gleich liquidiert. Vorher wurde in der damals zur Sowjetunion gehörenden Ukraine die Kollektivierung der Landwirtschaft brutal durchgesetzt. Die aufgezwungene Hungersnot, den Holomodor, überlebten über 3 Millionen Menschen nicht. Wie die Katalonier konnten sich die Ukrainer während der Sowjetzeit nicht mit den Russen als gleichberechtigt erleben, obwohl Chruschtschow und Breschnew aus der Ukraine stammten. Die Ukraine war wie die baltischen Staaten Teil der Sowjetunion geworden. Der östliche Teil gehörte zu Russland, erhielt gegen Ende des Ersten Weltkriegs durch das deutsche Militär eine eigene Staatlichkeit, wurde aber von Bolschewiken der Sowjetunion einverleibt. Um die Bevölkerung in den Chaostagen nach dem Ersten Weltkrieg für diesen Anschluss zu gewinnen, wurde der Ukraine ein eigenes Parlament zugestanden, faktisch blieb das Land in totaler Abhängigkeit von Moskau. Die Ukraine war der industriell und gesellschaftlich höher entwickelte Teil des zur Sowjetunion gewordenen Großrusslands. Als die Sowjetunion ihren Zusammenhalt verlor, votierte das damals von Kommunisten dominierte Parlament aus dem gleichen Motiv wie Katalonien für den Austritt aus dem Staatenverbund: die in der Region erwirtschafteten Steuern sollten nicht über Moskau geleitet und damit vermindert in der Ukraine zurückkommen, sondern zu 100% im Land bleiben.

Putin braucht Lehrer, Polizisten, Steuereintreiber und Informatiker

Die Amerikaner konnten das kleinere Afghanistan und noch weniger den größeren Irak umkrempeln. Anders nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland. Hier wollte die große Mehrheit der Bevölkerung zurück in die westliche Welt. Übertragen auf die Ukraine handelt es sich nicht um eine Bevölkerung, die ihre Heimat in dem von Putin wiederhergestellt Moskauer Großreich sieht. Wenn auch militärisch die Unterwerfung der Ukraine gelingen sollte, werden nicht auf einem russisch orientierte Lehrer die Kinder unterrichten. Die ukrainischen Informatiker u.a. gut ausgebildete Berufsgruppen werden in der EU eine Anstellung finden. Interessant wird die Reaktion der Polizisten und der Geheimdienste sein. Um die Korruption auszutrocknen, wurden in Kiew und anderswo alle Polizei-Beamten entlassen. Sie konnten sich neu bewerben, was Viele nicht mehr versuchten. Es ist nicht sicher, dass sie sich in das russische System integrieren lassen, stand doch bisher Russland der als der Hauptfeind im Fokus ukrainischen Dienste.

Die Korruption wird den Freiheitelan bremsen

Der Schwachpunkt der Ukraine ist die Korruption, gegen die der jetzige Präsident auch nicht viel unternommen hat. Mit Russland wird die Korruption

Putin will mit der Unterwerfung der Ukraine das politische Gewicht der untergegangenen Sowjetunion zurückgewinnen. Es spricht alles dafür, dass ihm das allenfalls militärisch gelingen wird. Damit wird Russland zu einer wirtschaftlich schwachen Regionalmacht werden, das die dringend benötigten Investitionen aus dem Ausland nicht erhalten wird. Es sei denn, es steht als Rechtsstaatwieder auf.
Moskau hat mit diesem Krieg seine führende Rolle in Osteuropa aufs Spiel gesetzt.

 

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Kategorie: Analysiert

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