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Das Land ist voller Kirchen

Ukraine - Emotion und Religion

Die Spannungen in der Ukraine sind auch religiös zu verorten. Die Geschichte erklärt einiges. Die Rus und damit auch das Russische Reich haben ihren Ursprung in Kiew. Die Ukraine wird seit Jahrhunderten zwischen West und Ost hin und her gerissen. Die Trennlinie geht nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Herzen wie durch die Orthodoxie

Die Spannungen in der Ukraine sind auch religiös zu verorten. Die Geschichte erklärt einiges. Die Rus und damit auch das Russische Reich haben ihren Ursprung in Kiew. Die Ukraine wird seit Jahrhunderten zwischen West und Ost hin und her gerissen. Die Trennlinie geht nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Herzen wie durch die Orthodoxie

Es scheint nur auf den ersten Blick einfach: Die Ukraine ist ein eigenständiger Staat. Dieser muss sich von der Korruption befreien und seine Wirtschaft entwickeln. Die EU kann dafür wertvolle Hilfe leisten. Ziel wäre, dass die Ukraine ein gleichberechtigtes Mitglied der europäischen Völkergemeinschaft wird.

Aber die Ukraine ist nicht Polen, das sich seit Jahrhunderten westlich orientiert, das auf einem geraden Weg Mitglied der EU geworden und jetzt auch den Ratspräsidenten stellt. Die Ukraine gehörte einmal zu Polen, zum Polnisch-Litauischen Reich, wollte aber nicht unter der Herrschaft Polens bleiben. Der Westen der Ukraine ist mehr nach Westeuropa hin orientiert, der Osten fühlt sich mit den Weißrussen und den Russen in einer gemeinsamen Tradition und betrachtet die anderen als Brudervölker.

Teil der Kiewer Rus

Die Ukraine gehört nicht nur mit Weißrussland und Russland zur ostslawischen Kultur, sie ist mit Kiew auch der Ausgangspunkt der Staatswerdung. Diese ist eng mit der Christianisierung verbunden. 988 ließ sich Fürst Wladimir von Kiew taufen. Erst Jahrhunderte später verschob sich das kirchliche Zentrum nach Moskau, als der dortige Großfürst die Mongolen Ende des 15.Jahrhunderts zur Aufgabe ihrer Oberhoheit über die ostslawischen Gebiete zwingen konnte. So gehören heute die meisten orthodoxen Gemeinden, nämlich 12.714 nach einer Zählung aus dem Jahr 2014 zum Moskauer Patriarchat. Der Versuch, 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion, mit dem die Ukraine ihre Unabhängigkeit gewann, ein eigenes Patriarchat zu errichten, blieb bei 4.661 Gemeinden stecken und wurde von der Gemeinschaft der orthodoxen Kirchen nicht anerkannt, weil das Moskauer Patriarchat ein Veto einlegte. Es gibt noch eine weitere orthodoxe Kirche, die sich nach dem 1. Weltkrieg gebildet und unter den Exil-Ukrainern Bedeutung gewann. Sie umfasst 1.185 Gemeinden. Die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche im Westen des Landes zählt in 3.765 Gemeinden etwa5 Millionen Mitglieder. In Weißrussland gehört die Mehrzahl der Gemeinden ebenfalls zum Moskauer Patriarchat. Ihr Oberhaupt ist wie für die Gemeinden in der Ukraine ein Metropolit, weil der Patriarch dieser Kirche seinen Sitz in Moskau hat. Diese Kirchen haben ihre Wurzeln in der Kiewer Rus, so dass sich die Mitglieder dieser Gemeinden sich über die Landesgrenzen hinweg verbunden fühlen. Es sind auch die kirchlichen Wurzeln, die die Auseinandersetzungen zu einer Zerreißprobe werden lassen.

Religiosität ist nicht zuletzt Emotion

Der Riss geht durch die größte der orthodoxen Kirchen in der Ukraine, die auf der einen Seite sich in einer Kirche mit der russischen Orthodoxie verbunden fühlt und zum anderen um die Unabhängigkeit der Ukraine. Beide Staaten stehen in der byzantinischen Tradition, in der die zwei Spitzen des Staates im Ausgleich von politischer und spiritueller Autorität die staatliche Identität stehen, der Kaiser oder slawisch der Zar sowie der Patriarch. Den Titel „Patriarch“ gibt es auch in der lateinischen Kirche, aber in Abhängigkeit vom Papst, so der Patriarch von Venedig oder von Lissabon. Im Westen ist es wegen des Anspruchs des Papsttums nicht dazu gekommen, dass mit jedem neuen Staat ein Patriarch installiert wurde. Anders in der Orthodoxie, wo Patriarchen von Bulgarien, Serbien und Rumänien die Anerkennung des Patriarchen von Konstantinopel erhielten.

Wegen dieses Kirchenverständnisses der Orthodoxie drängen mehr Menschen auf die Abspaltung von Moskau, je länger der Krieg dauert. Das gilt vor allem für Gemeinden, die außerhalb des Gebiets liegen, das die Separatisten unter ihre Kontrolle gebracht haben. Es würde ins unseren Breiten bedeuten, dass sich Katholiken z.B. in den USA von Rom mehr Unabhängigkeit erstreiten, indem sie einem der Erzbischöfe den Patriarchentitel verleihen. Das würde jede Kirche emotional spalten. So heute in der Ukraine. Der Konflikt geht durch die Familien und führt auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um Kirchen, d.h. Kirchen werden besetzt, um sie einer anderen ukrainischen Kirche zuzuschlagen. Es ist deutlich, dass ohne die Kirchen der Weg zum inneren Frieden versperrt ist.

Der gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften

Anders als in Bulgarien, Serbien oder Russland gibt es in der Ukraine keine Kirche, die den Alleinvertretungsanspuch erheben könnte, also keine Staatskirche. Die orthodoxen Kirchen wie die evangelischen Kirchen, deren größte Gruppe die Baptisten sind, die lateinischen Katholiken, meist Polen oder Deutsche, sowie die Muslime vor allem im Süden des Landes und die Juden bilden einen Rat, in dem der Ausgleich der religiösen Gegensätze geleistet werden muss. Dabei geht es um konkrete Probleme:

  1. <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Es darf keine gewalttätige Besetzung von Kirchen einer anderen orthodoxen Gemeinschaft geben. Dafür müssen die Kirchen untereinander sorgen.</paragraph>
  2. <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Die vier orthodoxen Kirchen müssen ihre Polemik gegeneinander aufgeben und zum Abbau der Emotionen beitragen. Das gilt auch für die Griechisch-Katholische, die dem Papst unterstellte Kirche, die vor allem im Westen des Landes ihre Gemeinden hat.</paragraph>
  3. <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Die Kirchen, auch die des Westens müssen etwas für die mindestens 500.000 Flüchtlinge tun, die aus den Kampfgebieten geflohen sind. Sie bleiben ohne staatliche Unterstützung. Für die 800.000 und mehr Flüchtlinge, die in Russland Unterschlupf gefunden haben, wird besser gesorgt.</paragraph>

Nach Informationen von Tilo Krauße zusammengestellt von der Nikolausinitiative

© Frankfurter Nikolausinitiative


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