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Sophienkathedrale, Foto: explizit

Ukraine – die Religion ist zurückgekommen

Trotz 70 Jahre kommunistischer Religionsunterdrückung, der Sprengung des größeren Teils der Kirchen und eines auf Atheismus ausgerichteten Bildungssystems blüht das religiöse Leben in dem 1991 unabhängig gewordenen Land. Bei einem Gottesdienst findet man alle Altersgruppen. In den Kirchen brennen Kerzen, die die Gläubigen aufgestellt haben. Wie kommt es zu dieser von Spiritualität getragenen Religiosität. Die folgenden Einschätzungen gehen auf ein Gespräch mit Prof. Dr. Sylvester Stoychev und Dr. Sergii Bortnyks in der Theologischen Akademie der zum Moskauer Patriarchat gehörenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche in Kiew im Mai 2016 zurück.

Trotz 70 Jahre kommunistischer Religionsunterdrückung, der Sprengung des größeren Teils der Kirchen und eines auf Atheismus ausgerichteten Bildungssystems blüht das religiöse Leben in dem 1991 unabhängig gewordenen Land. Bei einem Gottesdienst findet man alle Altersgruppen. In den Kirchen brennen Kerzen, die die Gläubigen aufgestellt haben. Wie kommt es zu dieser von Spiritualität getragenen Religiosität. Die folgenden Einschätzungen gehen auf ein Gespräch mit Prof. Dr. Sylvester Stoychev und Dr. Sergii Bortnyks in der Theologischen Akademie der zum Moskauer Patriarchat gehörenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche in Kiew im Mai 2016 zurück.

Die Kirche steht am Anfang der Kiewer Rus

Sie gehört zur ukrainischen Identität durch die Taufe des Großfürsten Wladimir 988. Die Religion entwickelte sich in den Landesteilen unterschiedlich. Kiew war Sitz des Metropoliten. Sein Sitz wurde 1326 nach dem Ende der Mongolenherrschaft deshalb nach Moskau verlegt, weil sich dort das neue Zentrum der Rus entwickelte.

Mit dem Sieg der Bolschewiken begann ein Kampf gegen die Kirche, der auch die Ukraine erreichte, als die kurzzeitige bestehende Republik 1920 unter kommunistische Herrschaft geriet. Der Westteil des Landes gehörte lange zum Habsburger Reich und nach dem Ersten Weltkrieg zu Polen. 1939 teilten sich Hitlerdeutschland und die Sowjetunion Polen untereinander auf, so dass die westliche Ukraine unter sowjetische Herrschaft kam. Nach dem Krieg wurde dieses Gebiet mit weitgehend ukrainischer Bevölkerung der damaligen Sowjetrepublik der Ukraine einverleibt.

Dieser Westen der heutigen Ukraine war von Kiew aus missioniert worden. Einige Diözesen im polnischen Herrschaftsbereich erkannten im 17.-18. Jahrhundert den Papst an. Nachdem das polnische Reich zusammengebrochen war, wandten sich viele dieser Diözesen wieder dem Moskauer Metropoliten zu, der ab 1590 den Patriarchentitel trug.

Zar und Patriarch

Für die orthodoxe Konzeption stehen an der Spitze des Gemeinwesens der Herrscher zusammen mit dem religiösen Oberhaupt. Wenn beide in Harmonie ihr Amt ausüben, kann das Gemeinwesen bestehen. Die Gefahr der Orthodoxie wie auch der Anglikanischen und Skandinavischen Staatskirchen besteht in einer zu engen Verbindung von Kirche und Staat. Die Kirche kann dann leicht in die Situation kommen, die Ziele des Staates religiös zu untermauern. Damit wird Religion zur Ideologie. Die Verehrung Gottes und die Seelsorge werden als zentrale Aufgabe der Kirche verdeckt. Das hat nach Einschätzung des Kiewer Theologieprofessors Dr. Sylvester Stoychev nicht nur zur Folge, dass mit der Abschaffung des feudalistischen Zarenherrschaft auch die mit diesem so eng verbundene Kirche verschwinden musste. Es sei nicht zufällig, dass unter den Revolutionären neben Stalin noch andere Seminaristen waren, die als die striktesten Gegner der alten Ordnung galten. Es gibt Parallelen zur Französischen Revolution. Viele Priester in der Nationalversammlung unterstützten die Abschaffung der Monarchie, ohne die Kirche aus dem Strudel des Zusammenbuchs des Ancien Régimes retten zu können.

Die Situation in der Ukraine

Die größte Kirche in der Ukraine ist die, die in der Tradition des Landes stehend zum Moskauer Patriarchat gehört. Hauptsächlich im Westen der Ukraine gibt es die mit Rom vereinten griechisch-katholischen Bistümer. Nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine 1991 bildete sich eine neue Kirche, die ein eigenes Kiewer Patriarchat beansprucht. Diese Kirche wird von den anderen Orthodoxen Kirchen nicht anerkannt. Bis zu den Majdan-Protesten bestanden Beziehungen zwischen beiden Kirchen. Die Kirche des Kiewer Patriarchats erhielt mit der nationalen Bewegung weiteren Auftrieb und wird von der Regierung unterstützt.

Für die mit dem Moskauer Patriarchen verbundene Kirche, die in Kiew ihren Metropoliten hat, muss eine nicht selten zu hörende Einschätzung ihres Verhältnisses zu Russland korrigiert werden. Dieser Kirche wird eine zu große Nähe zu Russland unterstellt, obwohl diese sich als Mitglied des Gesamtukrainischen Rates der Kirchen auch positiv zum Majdan äußerte, weil auch in ihren Augen das Regime von Janukowytsch abgewirtschaftet hatte. Bei einem Besuch in der Akademie dieser Kirche in Kiew im Mai erhielten wir eine Stellungnahme, die die üblichen Berichte über diese Kirche erheblich korrigiert. So zieht man dort aus der Russischen Revolution die Schlussfolgerung: Je näher die Kirche zum Staat rückt, desto mehr entfernt sie sich vom Menschen und der Zivilgesellschaft. Es scheint, dass anders als die zum Moskauer Patriarchen gehörende Kirche das Kiewer Patriarchat dem verstärkten Nationalismus zu nahe steht und so mit der aktuellen politischen Regierung eng kooperiert. In der Akademie sieht man die eigene Kirche mehr der Bürgergesellschaft zugeordnet und nicht mit den Zielen der staatlichen Politik verknüpft. Ein Unterschied zu Strömungen in Russland wurde benannt: Dort sehen Priester die Zukunft in einer Art Theokratie, also in einer gegenseitigen Identifizierung von Staat und Kirche.

Zukunft der Orthodoxie in der Ukraine

So lange Russland im Osten der Ukraine militärisch eingreift und die Ukraine sich vor allem gegenüber Russland als eigenes Gemeinwesen absetzt, wird der Gegensatz zwischen dem Kiewer Patriarchat und der größeren Ukrainischen Orthodoxen Kirche mit einem Metropoliten, der zur Bischofskonferenz des Moskauer Patriarchates gehört, bleiben. Die Spannungen vor allem zwischen diesen beiden Kirchen, die eigentlich im religiösen Leben und noch weniger in Glaubensfragen nichts unterscheidet, sind durch die politischen und gesellschaftlichen Probleme bedingt. Es ist unwahrscheinlich, dass es in kurzfristiger Perspektive zur Vereinigung der drei Kirchen kommt, also der zum Moskauer Patriarchat gehörenden Kirche, der Kirche, die erst nach der Unabhängigkeit der Ukraine entstand und der dem Papst zugeordneten griechisch-katholischen Kirche. Wenn die Kirchen sich versöhnen, könnte es zu einer Lösung wie in den USA kommen. Die Einzelkirchen bleiben bestehen und gewähren den Mitgliedern anderer Kirchen Gottesdienstgemeinschaft. In der Ukraine praktizieren die Gläubigen das bereits. Das ist deshalb einfach, weil in all den Kirchen die gleiche Liturgie gefeiert wird.


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