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Syrien – die Religionen sind gefordert

In Syrien soll eine politische Lösung den Krieg beenden. Doch welche sollte es sein? Es müsste doch eine Idee sein, die die verfeindeten Gruppen davon abbringt, im militärischen Sieg den größeren Vorteil zu sehen. Frieden wäre eigentlich der größte Vorteil für jeden. Es gäbe keine zerbombten Städte, sondern funktionierende Schulen und Krankenhäuser. Da es sich jedoch um einen verdeckten Konfessionskrieg handelt, sollten die Religionen sich an der Lösung ernsthafter beteiligen.

 

In New York treffen sich die Staaten, vereinte Nationen wollen sie sein. Sie werden immer weniger der Konflikte Herr. Diese Versammlung ist nicht der erste Versuch, die Gewalt zwischen den Völkern zurückzuschrauben. Es gab immer wieder große Anstrengungen, über die Völkergrenzen hinweg Reiche zu schaffen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen und, wenn notwendig, erzwingen. Bisher entstanden diese größeren Einheiten durch wirtschaftliche Stärke, die eine militärische Überlegenheit finanzierte. Sind Globalisierung u.a. Strategien wirksamer, die Völker zu einem friedlichen Miteinander zu bringen. Und was tragen die Religionen bei?

Militärische Hegemonie nur durch Wirtschaftskraft und politischen Willen

Seit dem Reich der Assyrer, der Einigung Chinas und nicht zuletzt dem Römischen Reich werden Gebilde aufgebaut und zerfallen wieder. Militärische Macht und die Herrschaft über die Meere konnten zwar die Piraterie unterbinden, aber nicht die Völker einen. Die Einigungskraft Roms lag daher mehr in den zivilisatorischen Standards, der Wasserversorgung, den Fernstraßen, der Bildung, dem einheitliche Recht. Das Konzept ist durch den europäischen Staatenbund so erfolgreich wiederholt worden, dass es keiner Eroberungen bedarf, um das Unionsgebiet auszuweiten, sondern die Nachbarländer drängen hinein und Flüchtlingsströme überfluten die Grenzen. Ob das assyrische oder mongolische Reich, das Commonwealth, die Sowjetunion wie auch die amerikanische Herrschaft über die Meere, jede auf militärische Überlegenheit aufgebaute  Herrschaft ist nur so lange aufrecht zu erhalten, wie die wirtschaftliche Kraft und die Motivation der Truppe den Waffen Durchschlagskraft verleiht. Sowohl wirtschaftliche Schwierigkeiten wie das Erlahmen der Ideologie haben die russischen Truppen von der Elbe, vom Dnjepr und von Zentralasien auf das russische Territorium zurückkehren lassen. Wir sind gerade Zeugen, wie der USA der Wille abhanden kommt, ihr Militärpotential durch politische Inspiration in Schuss zu halten. Konnte das Römische Reich sich den Titel „Pax Romana“, ein durch ihn gestifteten Friedens erwerben, zeitigt die amerikanische Militärmacht zwar Kriegserfolge, aus denen, ob Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak nur aus dem Balkankrieg ein friedensähnlicher Zustand hervorgegangen ist.

Globalisierung als Einigungsstrategie

Seit dem Ende des Sowjetsystems und der Öffnung Chinas sollen die Warenströme die Menschen wohlhabender machen und das Interesse am Handel die Kriegslust dämpfen. Es gibt zwar keine Kriege um Rohstoffe mehr, so wie der chinesisch-japanische Krieg einer war, aber die Bürgerkriege zeigen die Übermacht der Zerstörungswut über das kaufmännische Gewinnstreben. Die Flüchtlingszahlen, die sich seit 2009 auf über 60 Millionen verdoppelt haben, sind ein Indikator dafür, dass auch dieses Konzept die Erwartungen nicht erfüllen konnte.

Diese kurzen Überblicke bestätigen den Mythos vom babylonischen Turm. Was Menschen unter großen Anstrengungen aufbauen, bringen sie selbst zum Einsturz. Es sind nicht die materiellen Ressourcen, auch nicht der Mangel an Bauleuten, sondern der fehlende Geist, der weder durch Soldaten noch durch die Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg dauerhaft ersetzt werden kann.

Die Religion ist selbst Motor gewalttätiger Auseinandersetzungen

Wenn Geld durch das Interesse am Gewinn und militärische Überlegenheit durch Unterdrückung von Piraterie und lokalen Konflikten ein friedliches Zusammenleben fördern, eine Friedensgarantie können sie nicht begründen. Die Religion auch nicht. Mekka ist durch Attentate bedroht, die aus den innerislamischen Konflikten, vor allem zwischen Schiiten und Sunniten erwächst. Die Vertreter dieser Religion verstehen offensichtlich nicht, dass die Welt nicht nur durch einzelne Terroranschläge ständig an die desintegrative Kraft des Islam erinnert werden, sondern durch jede Kontrolle an Flughäfen oder vor Betreten eines öffentlich Gebäudes, und seien es die Erlöserkathedrale in Moskau oder der Petersdom in Rom. Die Christen haben ebenso erbitterte Kriege untereinander geführt. Der Hinduismus und sogar der Buddhismus in Thailand gehen gegen andere Religionen vor.

Jerusalem – Symbol der Zerstrittenheit der Religionen

Am Beispiel Jerusalems zeigt sich die mangelnde Fähigkeit der Religionen besonders deutlich. Die Stadt ist zum Ort ständiger Kämpfe und Rivalitäten geworden. Die Muslime verehren Gott auf dem Tempelberg, die Juden an einer Mauer, die Christen auf dem Kreuzweg durch die Stadt und am Ort der Auferstehung, wo sie die Grabeskirche errichtet haben. Schon im Mittelalter, als die Sarazenen aus Arabien kommend Jerusalem eroberten, kam es mit den Kreuzzügen zu einem Krieg zwischen den Religionen, der heute weitergeführt wird. Inzwischen spielt er sich mit Anschlägen auch in den Städten des säkularisierten Westens ab.

Frieden nicht ohne Religion

Wenn weder wirtschaftlicher Erfolg noch militärische Macht das Zusammenleben der Völker garantiert, dann haben die Religionen doch das Potential, den Menschen eine überzeugende Idee des Zusammenlebens vorzustellen. Im Bild der Wallfahrt findet es sich im 2. Kapitel des Jesajabuchs eine solche vision: Die Völker erkennen den einen Gott und finden in seiner Verehrung zusammen. Jesaja sah die Völker gemeinsam zum Berg Sion pilgern, auf dem Jerusalem erbaut ist. Deshalb sollten Juden, Christen und Muslime diese Stadt zu einem Ort des Friedens machen. Die scheinbare Unmöglichkeit zeigt, welchen Weg die Religionen noch vor sich haben. Das gemeinsame Gebet für den Frieden fand in Assisi, nicht in Jerusalem statt.
Es kommt darauf an, dass die Religionsführer in Kriegen nicht mehr Partei ergreifen. Die Päpste haben das begriffen. In den europäischen Religionskriegen hatten sie noch "ihre Konfession" unterstützt und damit den Auftrag Jesu vergessen, für die Einheit aller Christen zu sorgen. Mit ihren schmerzlichen Erfahrungen aus den Konfessionskriegen sollten die christlichen Religionsführer im Syrienkonflikt nicht auf die Politiker warten, sondern Schiiten und Sunniten überzeugen, dass Religion nicht mit Gewalt verquickt werden darf, wenn sie nicht wie in Europa dem Urteil der Vernunft untergeordnet werden und dann auch abgeschafft werden will. Das können die Kriegsparteien in Syrien wahrscheinlich nicht ohne die Erfahrung der europäischen Kirchen verstehen, nämlich dass sie mit ihrem Konfessionskrieg ihre eigene Religion zerstören. Auch wenn sie das realisieren, bleibt es eine Herkulesaufgabe, denn anders als das Neue Testament schwört der Koran nicht dem Einsatz von Waffen ab. 

Zur Vision des Jesaja und wie sie in Rom wachgehalten wird



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