Kathedrale des Moskauer Patriarchen F: explizit.net E.B.

Russland verliert die Ukraine auch kirchlich

Die Ukraine erhielt vom Oberhaupt der Orthodoxie, dem Patriarchen von Konstantinopel-Istanbul die kirchliche Unabhängigkeit. Die Synode unter dem Vorsitz des Oekumenischen Patriarchen Bartholomäus hat dem Antrag des ukrainischen Präsidenten stattgegeben. Warum ist Russland so empfindlich davon betroffen, dass es die Beziehungen zum Oekumenischen Patriarchen abgebrochen hat? Und wie hat sich der Kreml diese Niederlage eingehandelt? Ein kommentierender Bericht:

Die Ukraine hat sich mit der Absetzung des moskauhörigen Präsidenten Janukowytsch im Februar 2014 aus dem Machtbereich Russlands endgültig gelöst und ist auch nicht mehr Mitglied der Ost-EU, die sich GUS, Gemeinschaft unabhängiger Staaten nennt.. Moskau hat die Krim annektiert, weil dort seine Schwarzmeerflotte stationiert ist. Die durch russische Truppen unterstützten Rebellen in der Ostukraine halten den Druck auf Kiew aufrecht. Von dieser Politik hat sich der Moskauer Patriarch nicht genügend distanziert, obwohl der Großteil der orthodoxen Gemeinden in der Ukraine sich dem Moskauer Patriarchat zugehörig rechnet. Das hat historische Gründe. Denn bevor die Mongolen 1240 die heutige Ukraine, Weißrussland und Russland eroberten, war Kiew das kirchliche und politische Zentrum. Als dann von Moskau aus die Mongolen aus dem Gebiet der Ostslawen heraus gedrängt wurden, wurde es politisches Zentrum, so dass der Metropolit seinen Sitz nach Moskau verlegte. 1590 erhielt er mit Zustimmung des Oekumenischen Patriarchen in Konstantinopel den Titel eines Patriarchen und vertritt jetzt die größte Kirche innerhalb der Orthodoxie. Aus russischer Sicht gehört die Ukraine politisch wie kirchlich zu Russland. Aus ukrainischer Sicht ist Russland Feind. Im Folgenden werden Erklärungen referiert, die der Autor aus Gesprächen erhielt.

Die Russische Kirche ist an die politische Macht gebunden

Wenn aus westlicher Sicht das Moskauer Patriarchat den Konflikt zwischen den Brudervölkern der Russen und Ukrainer hätte entschärfen müssen, dann scheint das aus östlicher Sicht nicht möglich. Denn die enge Beziehung zwischen Kirche und Staathätte eine solche Initiative des Moskauer  Patriarchen nicht nur die Politik der Regierung infrage gestellt, sondern ihm auch dem Vorwurf auszusetzen, die nationalen Interessen zu verraten.
Zudem musste das Moskauer Patriarchat damit rechnen, dass nach orthodoxer Tradition die Bistümer eines Landes eine unabhängige Synode bilden und für ihr Land ein kirchliches Oberhaupt, meist einen  Patriarchen, wählen. Verschärft hat sich die kirchliche Situation dadurch, dass je länger der Krieg dauert, der ukrainische Staat die Kirche in der Ukraine, die dem Moskauer Patriarchen untersteht, als Agentin des Kriegsgegners sieht. Wenn die Bistümer des Moskauer Patriarchats die Politik Moskaus nicht kritisieren dürfen, dann kann der ukrainische Staat ähnlich wie der russische fordern, dass seine Interessen von den Kirchen in der Ukraine unterstützt werden. Die politische Dynamik lief auf die Trennung vom Moskauer Patriarchat hinaus.

Das Verhältnis Moskaus zum ökumenischen Patriarchen

In der Berichterstattung wurde öfters auf die Konzeption eines Dritten Roms verwiesen. Diese beinhaltet aber nur die Vorstellung, dass nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Türken 1453 die Funktion des Kaisers von Byzanz auf den Großfürsten von Moskau übergehen würde. Der Zarentitel, der sich ja von Cäsar = Kaiser herleitet, seit 1478 für den Moskauer Großfürsten gebracht, war mit der Bezeichnung „Bewahrer des Byzantinischen Throns, verbunden. Dass aber der Moskauer Metropolit auch anstelle des Patriarchen von Byzanz treten können, ist damit nicht gegeben, denn Konstantinopel bleibe die Mutterkirche der Orthodoxie der Ostslawen. Der Patriarch in Konstantinopel nimmt, wenn er die kirchlichen Verhältnisse neu regelt, seine angestammte Rolle wahr.

Die Trennung der Kirchen verschärft die politische Situation

Fragt man Kenner, wie die Russen heute zur Ukraine stehen, dann haben diese das Land abgeschrieben. Einige sehen das sogar als wirtschaftlichen Vorteil, weil die Ukraine durch billiges Gas und die Abnahme von Industrieprodukten unterstützt worden sei. Eine solche Subventionierung Weißrusslands wurde inzwischen eingestellt. Diese bestand darin, dass das Land Gaslieferungen zu einem günstigen Preis erhielt, um es dann mit den höheren Preisen des Weltmarktes weiter zu verkaufen. Da die Ukraine jetzt nicht mehr mit Gas von Osten beliefert wird und der Güteraustausch mit Russland weitgehend zum Erliegen gekommen ist, da weiter keine Flugverbindungen zwischen beiden Ländern bestehen und der Eisenbahnverkehr nur gering ist, dividieren sich beide Länder nun auch kirchlich. Das bewirkt eher eine Fortsetzung des Krieges. Da die Kirchen sich als handlungsunfähig gezeigt haben, müssen andere auf die Beilegung des Konflikts hinwirken.

Deutschland muss sich von der Fixierung auf den Westen lösen

Die EU ist durch den Brexit und die italienische Finanzpolitik weiter auf Westeuropa fixiert. Die USA sehen in Russland ihren Hauptfeind und werden daher die Ukraine nicht aus der Hand geben. Wenigstens Deutschland sollte sich nach Osten orientieren, denn hier liegen die größeren Zukunftschancen verbunden mit den größeren Risiken. Eine Ostorientierung würde die Deutschland aus der Schicksalsgemeinschaft mit labilen Staaten im Westen teilweise herauslösen.



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