Alexander Newski gegen den Westen Fto: hinsehen.net E.B.

Russland - Ablehnung des postmodernen Westens

Zwischen dem Westen und Russland wird ein Wiederaufleben des “Kalten Krieges” diagnostiziert. Wenn kein Krieg, dann doch eine “Eiszeit”. Es geht dabei nicht nur um unterschiedliche Interessen. Wie zur Zeit des “Kalten Krieges” spielen ideologische Gegensätze eine Rolle.

Russland ist wieder zu einem Hort des Konservatismus geworden. Genauso wie im 19. Jahrhundert, als Russland das Zentrum des Widerstandes konservativer Kräfte in Europa war, widersetzt sich das Land der im Westen vorherrschenden Ideologie. Mehr noch, Russland wird als treibende Kraft hinter den rechten Bewegungen in Europa gesehen. Gleichzeitig gibt es eine erstaunliche ideologische Nähe zu den heutigen Regierungen in Osteuropa, die man oft auch als “rechts” bezeichnet. Dem sind die neunziger Jahre vorausgegangen.

Die Annäherung an den Westen wurde zurückgewiesen

Nach dem Ende der Sowjetunion hatte nicht nur die russische prowestliche Elite, sondern auch die große Mehrheit der Bevölkerung die Hoffnung, ein Teil der westlichen Gemeinschaft zu werden. Nachdem das Land nach der Oktoberrevolution seinen eigenen Weg gegangen war, könnte es doch noch ein Teil Europas zu werden. Man war sich sicher, dass es für Russland ein natürlicher Weg sein würde. Aber nach allem Hin und Her der neunziger Jahre, spätestens in der zweiten Präsidentschaft Putins, ist klar geworden, dass dieser Weg keineswegs so selbstverständlich war. Nicht nur, dass Europa Russland nicht wollte, auch Russland wollte sich nicht dem Europa mit seinen Werten anschließen. Beide Seiten waren von einander enttäuscht, weil jeder sich ein falsches Bild vom anderen gemacht und damit falsche Erwartungen entwickelt hatte.

Der Westen sah sich als einziges Modell nach dem Ende des Kalten Krieges

Europa und die waren sich sicher, dass mit dem “Sieg” im Kalten Krieg“ das Ende der Geschichte” eingetreten sei und der Rest der Welt, inklusive Russland, dem westlichen Beispiel folgen muss. In Russland dagegen erwiesen sich die Hoffnungen, in den Kreis der europäischen Staaten aufgenommen zu werden, als eine Illusion, nicht nur weil Russland viel weniger “europäisch” war als man es sich vorgestellt, sondern auch, weil Europa sich seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts  stark verändert hatte. Die beiden maßgeblichen kulturellen Strömungen, die man in Russland mit Europa verband – die Arbeiterbewegung und die Kultur des Bürgertums mit ihrer humanistischen Bildung, ihrem Geschichtsbewusstsein, hatten sich aufgelöst. Diese beiden Kulturen waren durch eine völlig andere ersetzt. Dieser Prozess vollzog sich in Europa und in den USA zwischen den 60-er und 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts. Dieser Übergang von der Moderne zur Postmoderne hatte in Russland mit der Perestroika Einzug erhalten und wurde bald abgelehnt.

Der Westen urteilt, verurteilt und verurteilt nicht

Der Konflikt zwischen dem Westen und Russland hat nicht nur politische und geostrategische Motive, sondern wie es ein deutscher Geschichtsphilosoph Hauke Ritz in seinem für wissenschaftlicher Beiträge des Ostinstituts Wismar geschriebenen Aufsatz “besitzt der gegenwärtige Konflikt mit Russland eine kulturelle Dimension?” formuliert hat, daran liegt, dass beide Seiten unterschiedliche Weltanschauungen vertreten, was gerade wegen der historischen, geographischen und auch in bestimmten Sinn kulturellen Nähe von Russland zu Europa so schmerzhaft für beide Seiten sei. Die Steigerung des Konflikts zwischen denen, die sich am nächsten stehen, kann man auch am Beispiel der unterschiedlichen Reaktionen der westlichen Eliten und ihrer Medien auf die Abweichungen von den Westlichen Maßstäben in den Vereinigten Staaten (Trump), Osteuropa (Ungarn oder Polen), der Türkei, Russland oder z.B. China oder Saudi Arabien. Im Fall Osteuropa ist die Verurteilung neuer Strömungen noch verständlich, weil es um die Einheit der Europäischen Union geht, zeigt die Reaktion auf die Wahl Trumps, dass die Abweichung von der ideologischen Norm nicht toleriert wird. Die Türkei und Russland, wie unterschiedlich sie auch sein mögen, werden ungefähr nach den gleichen Kriterien beurteilt wie die Demokratien Westeuropas. Sie werden als Teil des Westens gesehen und müssen sich daher an dessen Werten orientieren. Weil sie das nicht tun, werden sie zu Gegnern. Ganz anders im Falle von China oder Saudi Arabien. Dass im Westen so gut wie keine Kritik an Saudi Arabien geübt wird, wie man dort mit den sexuellen, religiösen und anderen Minderheiten umgeht, liegt wohl nicht nur an den wirtschaftlichen Interessen, sondern auch daran, dass Saudi Arabien als etwas “anderes” wahrgenommen wird, als ein Teil der muslimischen Zivilisation, die ihre eigene Gesetze besitzt. Russland wird eine solche eigene Kultur und eine andere Sicht der Dinge nicht zugestanden.

Russland vertritt ein eigenes Europabild

Erstaunlich ist, dass sich die russische Elite und besonders Putin als die „wahren Europäer” und Hüter der europäischen Zivilisation darstellen und damit gegen den Multikulturalismus Westeuropas. Aber ist Russland wirklich “das echte Europa” und Putin gar “der echte Europäer”, wie er gerne in den Augen der konservativen Bewegungen in Europa aussehen möchte? Oder ist ein Bekenntnis zu den traditionellen europäischen Werten im Kreml nur ein Lippenbekenntnis und Russland kein ”echtes Europa”, sondern auch ein Teil, zumindest, was wirtschaftliche und politische Eliten betrifft, genauso der postmodernen globalisierten Welt und wo die Treue zu den “alten Werten” sowie der Patriotismus den einfachen Bürgern überlassen wird? Es wird behauptet, dass im Westen “die Moderne” von der “Postmoderne” abgelöst wurde, deren Werte Russland genauso wenig wie die Türkei und viele andere nichtwestliche Länder akzeptieren wollen.

Die Postmoderne ist die Reaktion der europäischen Linken auf den Sowjetkommunismus

In der Kritik an der “Postmoderne” geht es nicht um eine philosophische Auseinandersetzung, sondern um ihre politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Für Hauke Ritz  in nach seinem oben erwähnten Artikel die “Postmoderne” selbst eine Reaktion auf die “kommunistische Postmodernisierung”. Sie entstand als eine Alternative zur sowjetischen Übernahme von Marx und der Französischen Revolution. Während Russland Den Aspekt der Gleichheit und Brüderlichkeit übernahm, konzentrierte sich der Westen auf die Freiheit. Diese Entwicklung wurde im Kalten Krieg absichtlich vorangetrieben. Die Entwicklung der linken-nicht kommunistischen Bewegung im Westen muss als Reaktion auf den sowjetischen Kommunismus verstanden werde. Das geht auf das Jahr 1950 zurück, als in Paris der “Kongress für kulturelle Freiheit” gegründet wurde. Seine Aufgabe bestand darin, die Kulturpolitik in Westeuropa zu steuern, um den Einfluss des Ostblocks zu reduzieren. Dieser Kongress organisierte in Westdeutschland, Großbritannien und Italien Netzwerke von Intellektuellen und Künstlern, die rasch an Einfluss gewannen. (vgl. Frances Saunders, Who Paid the Piper: The CIA and the Cultural Cold War, London, 1999). Der Zweck aller dieser Anstrengungen bestand darin, wie Hauke Ritz schreibt, eine “Nicht-kommunistische Linke” aufzubauen. „Die linken Diskurse und Debatten der damaligen Zeit wurden genauer untersucht”. Die Themen, die man von dem Kommunismus übernehmen konnte, wurden vorangetrieben – die Kritik des Rassismus, die Emanzipation der Frau, der Kampf um die Rechte der Minderheiten, der Protest gegen Umweltzerstörung, die Befreiung der Sexualität. In den 80ziger Jahren war die Nicht-kommunistische Linke in Europa so stark geworden, dass sie eine neue Leitkultur hervorbrachte. Parallel dazu kam es zur Schwächung und schließlich zum Zerfall der Arbeitsbewegung. Je mehr diese ihre traditionelle Rolle einbüßte, desto mehr verlor auch die Sowjetunion ihre kulturellen Einflussmöglichkeiten in Westeuropa.”

Die Ablehnung der Postmoderne außerhalb des westlichen Kuilturkreises

Wenn die Entstehung der kulturellen Postmoderne durch die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus entstanden ist, wird verständlich,  dass die Postmoderne keine universelle Anziehungskraft besitzt und außerhalb des westlichen Kulturkreises abgelehnt wird – in den Ländern des ehemaligen Ostblocks wie auch in der islamischen Welt. Diese Abwehr gab es gegenüber westlichen Einflüssen im 19. und 20. Jahrhunderts, als Errungenschaften der europäischen Moderne, wie z.B. Säkularismus und parlamentarische Demokratie -  von den nicht-europäischen Ländern angenommen wurden. Die Werte der Postmoderne, so Hauke Ritz, sind sehr viel schwieriger in andere Kulturkreise zu übertragen, weil “dadurch, dass die Postmoderne im Kalten Krieg entstanden ist, ist der einseitige Bezug auf die Werte der Französischen Revolution grundlegend für ihren Wertkanon geworden. Der Kalte Krieg hat dazu geführt, dass der Westen eine Kultur ausgebildet hat, die sich nur noch auf einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt der europäischen Überlieferung stützt und alle  jene Aspekte der Aufklärung preisgegeben hat, die im Kalten Krieg vom Sozialismus beansprucht worden sind. 

Hauke Ritz: Besitzt der gegenwärtige Konflikt mit Russland eine kulturelle Dimension?



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