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Rechts ist nicht in

Die Abgeordneten der AfD sitzen inzwischen im Bundestag. Viele sehen das als einen deutlichen Rechtsruck. Das ist kein deutsches Problem. In Ungarn, Polen, Frankreich, den Niederlanden und auch den USA sind solche Entwicklungen ebenso zu beobachten. Die Positionen der sogenannten Rechten wirken auf viele Menschen bedrohlich. Möglicherweise dienen die Zuschreibungen der anderen politischen Richtungen auch einer Problemverschiebung. Ungelöste Probleme, Aufgaben, die nicht angegangen wurden, werden auf diese Weise in Nebel gehüllt und die Aufmerksamkeit wird zu den Rechten geschoben.

Seit vielen Jahren wird bereits von der Auflösung der gewohnten politischen Blöcke Rechts und Links gesprochen. Die SPD hat sich inzwischen zurückgezogen, um sich neu zu besinnen. Die CSU will neben sich nichts Rechtes haben. Was inhaltlich links oder rechts ist, kann kaum noch genau bestimmt werden. Wähler, die den Wahlomat befragt haben, zeigten sich manchmal irritiert, welche Partei angeblich zu ihren Positionen passt. Die gefühlte politische Richtung passt nicht zu dem, was in manchen Parteiprogrammen steht. Und Amerika wählt einen Präsidenten, der von Psychiatern recht eindeutig als typischer Patient in einer Psychiatrie diagnostiziert wird. Die politische Welt scheint ein Mummenschanz zu sein.

Grenzverschiebungen

Die Globalisierung verändert das Gefühl für Heimat. Nationalismus ist ein wie auch immer begründeter Stolz auf ein Heimatland. Ein solches gibt es jedoch gar nicht mehr. Deutschland wird zum Einwanderungsland, in ganz Europa wandern Flüchtlinge ein, europäische Grenzen gibt es schon länger nicht mehr, sind also keine erfahrbaren Mauern. Dass ein Nachbar einen fremdländischen Namen hat, verwundert eigentlich niemanden mehr. In der Politik sind „Ausländer“ zwar noch Ausnahmen, doch eine Besonderheit sind sie nicht. Es sind jedoch nicht nur die nationalen Grenzen, die sich verschoben haben, auch die Grenzen der Geschlechter verändern sich. Dass ein Homosexueller ein wichtiges politisches Amt bekleidet, ist fast schon Normalität. Das Phänomen der Geschlechterdifferenzierung ist ebenso kein Skandal mehr. Transsexuelle, sexuelle Unbestimmtheit, die Feststellung, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sind im Bewusstsein der meisten Menschen angekommen. Diese Entwicklungen können als Fortschritt der Aufklärung beschrieben werden. Bedacht wurde jedoch nicht, wie sich diese Grenzverschiebungen auf das Gefühl von Sicherheit oder Geborgenheit auswirken.

Digitalisierung

Eine der bedeutendsten Grenzverschiebungen ist die Digitalisierung. Es ist nicht mehr klar, wo Privatheit und wo öffentliches Leben stattfinden. Der User teilt Informationen und gleichzeitig wird er in seinen Bewegungen erfasst, bekommt maßgeschneiderte Werbung und Angebot und Nachfrage verschwimmen. Wie genau Digitalisierung Menschen in ihrem Handeln, Denken und Fühlen beeinflusst, wurde in der politischen Diskussion nicht angesprochen. Dem diffusen Gefühl, was manche oder vielleicht auch viele Menschen haben, werden stattdessen Brocken hingeschmissen, die wie politische Forderungen aussehen, zum Beispiel Gerechtigkeit. Die Digitalisierung verändert die gesellschaftliche Kommunikation. Dabei geht es nicht darum, ob es auch Vorteile durch diese Technik gibt. Die Diskussion wird an der Oberfläche geführt. Und vielleicht haben digitale Medien gerade deswegen so wenig Tiefgang.

Worum es geht

Menschen, die sich kritisch zu den modernen Medien äußern, werden oft als Blockierer bezeichnet. Kritiker, die ähnliche Ansichten wie die AfD vertreten, werden zu den Rechten gezählt. Schnell wird auch jemand zum Separatisten gemacht, der mehr Rechte für Tirol, Katalonien, Kurdistan, Baskenland usw. fordert. Wer mehr Strenge als durchaus hilfreich ansieht, wird verdächtigt, paternalistische Tendenzen zu haben und mit Diktatoren zu liebäugeln. Doch solche Diskussionen sind nur Scheingefechte. Der Blick auf die Phänomene unserer Zeit ergibt ein anderes Bild. Menschen suchen nach Grenzen, nach Identität, der Begriff Heimat hat inzwischen Konjunktur. Die AfD hat genau hierfür ein Gespür entwickelt. Das gilt es ernst zu nehmen. Die etablierten Parteien spüren wahrscheinlich, dass sie zu sehr mit ihrem Machterhalt beschäftigt sind und die gesellschaftlichen Strömungen aus den Augen verloren haben. Wenn Helene Fischer, Andrea Berg und andere einen riesigen Erfolg haben, dann muss das aufrütteln. In dieser Musik findet der Suchende ein Gefühl von Verstandensein und Geborgenheit oder Heimat. Will der Suchende dieses Gefühl in eine politische Sprache bringen, dann mündet das oft im Sprachschatz derer, die Themen wie Nationalstolz, Konservatismus usw. für sich in Besitz genommen haben. Akademiker, die sich über eine solch „primitive“ Unterhaltung auslassen, übersehen meist, dass neben dem Anspruch an Qualität und Niveau auch das Phänomen als solches aufmerksam zu betrachten wäre. Die Gefühle von Sehnsucht, Romantik, Idylle, Harmonie sind vorhanden und suchen sich einen Widerhall, einen Ort, wo unkritisch so etwas sein darf. Worum es geht ist die Frage, wie kann in einer Gesellschaft, die keine deutlichen Grenzen mehr besitzt, den Menschen Möglichkeiten, Orte, Kulturangebote gegeben werden, um auch „kitschige“ Anwandlungen auszuleben. Politik hat sich viel zu sehr, gerade auch bei den Fragen der inneren Sicherheit, auf die Ratio gestützt. Es wird alles organisiert, geregelt, beschützt usw., wie aber Hass, Angst, Feindlichkeiten, Fremdheit aber auch Freude und Ekstase einen vernünftigen Rahmen bekommen können, das wird ausgeblendet, denn solche Anstrengungen bedürfen emotionaler Reife und eines klugen Umgangs mit Unsicherheiten, ungewohnten Gefühlsanspannungen. Dass eine solche Aufgabe die AfD nicht übernehmen könnte, sieht man schon an den Gesichtern ihrer Vertreter.


Kategorie: Analysiert

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