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Reales Geld und fiktives Geld

Der Wert des Tauschmittels ist mit dem Wert des Tauschobjekts identisch. Ein Geldschein hat einen Materialwert, der nicht der Rede wert ist. Er ist wirklich spottbillig. Aber man kann damit Sachen eintauschen, die viel mehr Wert sind als der Materialwert des Geldscheins.

Im Anfang war der Tauschhandel. Früher, also ganz früher, tauschten die Menschen einfach ihre Tauschobjekte: vier Hühner für ein Schwein, zwei Schweine für eine Kuh. Ganz einfach. Was ist hierbei so besonders? Erstens: Das Tauschmittel, d.h. das was jeweils den Besitzer wechselt, ist jeweils das Tauschobjekt selbst. Man tauscht nicht Schwein gegen Geld, sondern Schwein gegen Huhn. Tauschmittel und Tauschobjekt fallen zusammen. Bei dem Tauschhandel entspricht der Wert des Tauschmittels dem Wert des Tauschobjekts, weil Tauschmittel und Tauschobjekt zwei Seiten derselben Medaille sind. Das war die erste Stufe des Geldes: Reale Objekte werden gegen reale Objekte getauscht.

Gold ist kein Schein

Irgendwann hat man diesen Vorgang vereinfacht. Jemand wollte nur die Schweinekeule haben und nicht das ganze Tier. Und irgendwie war die Keule doch nicht so viel wert wie ein Huhn. Zudem kann man nicht einfach so eine Keule von einem lebenden Schwein abtrennen. Das ist ziemlich unpraktisch. Also führte man die erste Form des Geldes ein: Tauschmittel, die nicht identisch sind mit dem Tauschobjekt. Das waren zum Beispiel Perlen, Muscheln oder Gold. Dieses Geld standardisierte man in Form von Geldmünzen. Eine bestimmte Menge Gold hat einen bestimmten Wert. Also portionierte man Gold in verschiedene Größen et voilà: Man hatte ein Tauschmittel. Und der Wert des Tauschmittels entspricht genau dem Wert des Goldes. Der Materialwert des Goldes, wir denken an den Geldschein, entsprach dem Wert des Goldes. Was bedeutet das? Man hatte Tauschmittel und Tauschobjekt voneinander getrennt. Sie waren nicht mehr identisch. Aber das Tauschmittel selbst, die Münze, entsprach dem Wert, den es selbst hatte.
Die Goldmünzen waren eine tolle Sache. Man konnte nun nämlich Geld leihen. So eine Schweinekeule auf Leihbasis ist kein gutes Geschäftsmodell. Aber mit Geldmünzen geht das wunderbar. Man leiht jemandem Geld, man hält die Geldschuld in Form eines Vertrages fest und hat nun mehr Möglichkeiten zum Handeln. Die Finanzwissenschaft war geboren.

Statt Gold Kreditverträge

Die nächste Stufe des Geldes ist etwas komplizierter. Im 16. Jahrhundert in Siena kam jemand auf eine grandiose Idee: Wir haben jetzt nun diese lustigen Kreditverträge. Das ist auch nur ein Stück Papier. Aber wir könnten damit ja etwas anfangen. Wir können mit Geldmünzen handeln. Aber wir könnten ja auch mit den Kreditverträgen handeln. Die Schuld bleibt bestehen, nur der, dem man die Schuld schuldet, wechselt. Man kam also auf die Idee, statt mit realen Münzen mit Schuldscheinen zu handeln. Und wer seine Schuld beglichen haben will, der geht zum Schuldnehmer und verlangt die Geldmünzen raus. Alles kein Problem.
Diese Idee hat die Welt verändert. Vorher entsprach, wir sahen es, der Wert des Tauschmittels, Geldmünzen, dessen realem Wert. Nun aber trennte man das auf. Der Materialwert des Tauschmittels, ein Fitzel Papier, entsprach nicht dem Wert, mit dem man damit Tauschobjekte tauschen konnte. Das ist die Geburtsstunde des fiktiven Geldes.
An dieser Stelle müssen wir aber noch etwas weiteres bemerken: Der Wert der Schuldscheine entspricht dem Wert der realen Münzen. Für einen Schuldschein über 100 Geldmünzen bekam man auch 100 Geldmünzen ausgehändigt. Der Wert aller Schuldscheine entsprach der geliehen Menge an Geldmünzen. In Sprache der Geldtheorie ausgedrückt: Die Währung war gedeckt. Dem fiktiven Geld standen reale Gegenwerte gegenüber.

Das Geld ist  nicht mehr „gedeckt“

Diese Idee hatte sich lange bewährt. Sie war sogar so gut, dass im Jahr 1944 in dem kleinen Bretton Woods, USA, der Goldstandard beschlossen wurde: Eine Unze Feingold hatte den Wert von 35 Dollar. Alles Geld, was verfügbar war, war durch Gold gedeckt. Wer wollte, konnte zur Zentralbank laufen und dort seinen Geldschein eintauschen gegen Gold. Allem fiktiven Geld entsprach ein realer Gegenwert in Gold. Die sogenannte Goldparität.
In der Zwischenzeit hatte sich das Verhältnis von realem Geld und fiktivem Geld stark verschoben. Man kam auf die Idee, dass man auch billigere Münzen durch Beigabe von Kupfer einsetzen kann. Also macht man das, was man mit den Scheinen schon hatte, auch für Münzen. Der Wert eines Eurostückes entspricht deshalb nicht dem Materialwert des Euros. Alles Geld, was sich im Umlauf befindet, ist in diesem Sinne fiktives Geld.

Der Dollar löst das Gold ab

Nun hatte das Bretton-Woods-System auch einige Schwächen. Die Funktion, die das Gold eigentlich innehat, ging nach und nach auf den Dollar über. Wer seine Deutsche Mark eintauschen wollte, konnte dies in Gold umsetzen oder in Dollar. Das war das gleiche, da man ja beliebig tauschen konnte. Daher spricht man umgangssprachlich beim Dollar auch von einer harten Währung. Er war wertbeständig. Zentralbanken sollten eigentlich Gold vorhalten, damit sie ihre Währung real gedeckt halten. Da Dollar und Gold aber verrechenbar waren, haben Zentralbanken nicht Gold, sondern Dollar vorgehalten. Und das war ein Problem: Nicht jedes Land konnte genug Dollars vorhalten. Zumal die Menge an Dollars auch begrenzt war. Es ist ja auch das Tauschmittel der USA. Man kann nicht einfach an Dollars kommen. Der Dollar ist regional begrenzt. Dieses System hatte also Schwächen (auf Details wird verzichtet) und wurde abgelöst. Man löste sich in den 70ern vom Goldstandard. Die Folge:

Das fiktive Geld ist seitdem nicht mehr real gedeckt.

Was bedeutet das? Wenn alle Leute, warum auch immer, ihr gesamtes Geld gegen Gold eintauschen bei der Zentralbank wollen, dann bekämen nur wenige ihr Gold dafür. Nur die Minderheit, vielleicht die ersten 10 %, könnte an das Gold kommen. Die anderen gingen leer aus: Sie hätten nur noch wertloses Papier in der Hand.
Da die Währung keine reale Deckung mehr hat, basiert ihr Tauschwert einzig und allein auf dem Vertrauen, welches die Tauschenden in das Tauschmittel haben. Solange beide das Geld akzeptieren, läuft der Handel problemlos ab. Wenn aber das Vertrauen sinkt, funktioniert der Tausch nicht mehr.  Es gibt heute sogar Währungen, denen überhaupt keine Deckung mehr entspricht. Sie basieren nur auf Vertrauen. Die bekannteste Währung dieser Art ist Bitcoin.

Nochmal alles kurz zusammengefasst: Anfangs waren Tauschmittel und Tauschobjekt identisch. Das Tauschmittel entsprach dem realen Gegenwert. Dann trennten sich Tauschmittel und Tauschobjekt voneinander und man benutzte Geld als Tauschmittel. Das Tauschmittel entsprach weiter dem realen Gegenwert. Anschließend benutzte man Schuldscheine als Tauschmittel. Dabei trennte sich der Materialwert des Tauschmittels von seinem Tauschwert. Dennoch entsprach dem Tauschmittel ein realer Gegenwert, weil man jederzeit das Geld gegen Gold eintauschen konnte. Schließlich löste man die Deckung des Tauschmittels auf. Das Geld ist nur zu einem sehr begrenzten Teil von Gold gedeckt oder sogar gar nicht.



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