Heilige Familie - Sagrada Familia Barcelona. Foto: Txllxt TxllxT (CC BY-SA 4.0)

Person: weder Gehirn noch Seele

Es gibt ein besonderes christliches Leib-Seele-Problem: Wenn Jesus Gottes Sohn ist, hat er dann eine Seele neben seiner göttlichen Herkunft? Aber dann wäre er Zwei, der Sohn Gottes neben dem Sohn Marias. Im Personbegriff fand die Theologie eine Antwort und begründete die abendländische Anthropologie neu.

Die Menschwerdung Gottes stellt viele Fragen, an denen die frühe Kirche fast zerbrochen wäre. Sie hat die Streitigkeiten mit einer neuen Vorstellung vom Menschen verlassen, mit dem Personbegriff. Person ist nicht Seele. Jesus ist nicht erst wie wir Menschen mit der Zeugung entstanden; sein Ich hat er mitgebracht. Er war schon Sohn, Sohn Gottes. War er aber auch Sohn Marias, mit Leib und Seele? Als das Konzil von Nicäa 325 sich zur Klarheit durchgerungen hatte, dass Jesus von Nazareth wirklich Gott ist und wegen dieses Anspruchs vom jüdischen Gericht wegen Gotteslästerung verurteilt worden war, entstand gleich das nächste Problem: Wenn er schon wer war, dann bräuchte es keine Seele, die ihn zum Menschen machte. Apollinaris von Laodicäa stellte diese Überlegung in den Raum. Das, was das menschliche Ich konstituiert, war ja schon mit dem Sohn Gottes da. Aber, so die skeptische Rückfrage: Wäre dann der Mensch wirklich ganz erlöst oder nur sein Körper?

Die Seele muss angenommen sein, um erlöst zu werden

Es gab den Grundsatz: Alles, was der Sohn Gottes angenommen hat, ist erlöst. Da aber die wirkliche Gemeinheit, der Verrat, Neid, Hass und die Vernichtung des anderen nicht aus der Körperlichkeit, sondern aus dem geistigen Kern des Menschen kommen, wäre der Mensch nur von der ausufernden Lust erlöst, aber vom Kern des Sündhaften nicht. Die menschliche Seele müsste vom Gottessohn angenommen sein, damit die Seelen der Menschen erlöst werden. Dann wäre der Körper des Menschen Jesus auch nicht nur eine Verkleidung seines göttlichen Wesens. Aber kaum war diese Frage gelöst, entstand die nächste: Wenn Jesus der Sohn Gottes ist und zugleich ganzer Mensch, dann wären das ja zwei Subjekte. Einmal der Sohn Gottes und dann noch der Sohn Marias. Die Vorstellung von den "Zwei Söhnen" konnte nicht von dem Jesus abgelesen werden, der in den Evangelien nicht schizophren auftritt, sondern als Einer.

Subjekt mit Seele und Körper: Person

Man hatte schon mit dem Begriff "Natur" einen ersten Ansatz, um zwischen göttlicher und menschlicher Natur zu unterscheiden, die beide nur einen Träger haben müssen. Aber was ist dann mit der menschlichen Seele? Nach der damals bestimmenden Philosophie ist die Seele die Trägerin des Subjektes, der Körper nur ein Gehäuse. Die Seele verlässt nach der platonischen Philosophie den Körper, um zur reinen Anschauung zurückzukehren. Jesus ist aber leiblich auferstanden und hat sich in seinem verklärten Leib mit den Wundmalen seinen Jüngern gezeigt. Dann, denkt man mit der Seelenvorstellung weiter, müsste es in Jesus zwei Subjekte geben. Das widersprach aber den Schilderungen der Evangelien. Man musste einen neuen Begriff finden, um eine Einheit zu denken, die die menschliche Seele einbezog und zugleich den Sohn Gottes als das eigentliche Subjekt denken konnte.
Im Griechischen bezeichnete man das Neue, das man mit der Menschwerdung Gottes zu denken hatte, mit Antlitz, "Prosopon". Im Lateinischen wählte man "Persona", die Maske der Theaterschauspieler als Ausgangsbezeichnung; "personare", hindurchtönen, ist die Wurzel dieses Begriffs, der dann einen neuen Bedeutungskern erhielt, nämlich das Subjekt bezeichnet, das nicht nur einen Körper, sondern zugleich eine Seele hat.

Aufwertung des Körperlichen zum Leib

Was wir wie selbstverständlich als griechisches Denkergebnis sehen, ist durch diese Philosophie erst einmal nur als Denkaufgabe an das Christentum adressiert worden. Der Gründer des Christentums musste in der griechisch geprägten Kultur nicht nur als ein am Kreuz verendeter Verbrecher eingeführt werden, sondern als jemand, der ganz körperlich war. Das schien unter dem damaligen intellektuellen Niveau und deshalb nicht akzeptabel. Ein großer Teil der Bischöfe folgte diesem Trend, der in dem ägyptischen Priester Arius seinen Wortführer hatte. Nur dieser Aspekt wird im Rückblick meist beleuchtet. Dass aber eine in der Person zusammengeführte Einheit von Materie und Geist dem Körper erst seine Würde gibt und wir ihn als Leib verstehen, das hat die abendländische Vorstellung vom Menschen tief geprägt. Im Tod wird sein Personsein nicht zerstört.

Diese Synthese wurde mehrfach wieder entkoppelt

Der Islam hat das Erbe des Arius weiter geführt, indem er Jesus die göttliche Natur absprach. Weihnachten ist Gott nicht selbst zu den Menschen gekommen, sondern nur ein Prophet. Zwischen Gott und Mensch bleibt ein unüberbrückbarer Graben.
Dann hat René Descartes die Idee von den zwei Substanzen aufgebracht, den Körper als biologische Maschine definiert und der Seele sozusagen eine Wohnstube in der Thymusdrüse zugewiesen. Bis heute leiden vor allem Patienten an einer „seelenlosen“ Medizin.
Da die Philosophie nach Descartes keine neue Konzeption von der Einheit des menschlichen Subjektes zustande gebracht hat, spricht man inzwischen nicht mehr von der Seele als Träger des Geistigen im Menschen, sondern nur noch von einem Bewusstsein. Das wird dann als Funktion der Hirnzellen postuliert. Dann wäre die Seele auch „weg“, wenn das Hirn nicht mehr arbeitet. Die ganzen Überlegungen zu Menschenrechten, die Idee der Gerechtigkeit, so etwas wie Schuld, die vor Gericht verhandelt wird, würden zu Schall und Rauch.

Seelisches außerhalb des Menschen entdecken

Vielleicht führt die Beschäftigung mit dem tierischen Bewusstsein zu einer Philosophie, die den Menschen wirklich neu denkt. Wenn über 90% der menschlichen Gene mit denen des Schimpansen übereinstimmen, dann muss der Unterschied woanders gesucht werden. Zugleich würde dann der Gen-Faden jedes Lebewesens erst in seinem Wert erkannt, denn ob Pflanzen, Pilze oder Tiere, mit allen ist der Mensch durch dieses Lebensprinzip verbunden. Wir könnten zu einem viel weiteren Begriff von "Seele" kommen. Sie wäre dann nicht mehr der Gegenpart zum Materiellen. Wissenschaft wäre dann die Seelentätigkeit, die den Seelenspuren, zumindest der Fähigkeit zur Beseelung, in allen Geschöpfen nachgeht.

 

Zur Entwicklung des Personbegriffs: sie erfolgte in heftigen Auseinandersetzungen über 100 Jahre und artikulierte sich in Konzilien.

Das Konzil von Nicäa 325 hielt an der Überzeugung fest, dass Jesus wirklicher, Eingeborener Sohn Gottes ist, das Konzil von Ephesus überwindet 431 das Erklärungsmodell von den "Zwei Söhnen" und stellte die Einheit des menschlichen und des göttlichen Jesus fest. Das wurde im Begriff der Gottesgebärerin gefasst. Maria hat nicht nur den Menschen Jesus geboren, sondern dieser war Gottes Sohn. Das Konzil von Chalcedon 451 hat dann die zu starke Einheitskonzeption des Konzils von Ephesus durchsichtiger gemacht, indem es den Personbegriff in seine Texte aufnimmt.


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