Matteo Ricci, Statue in Peking, F. explizit.net

Peking - Vatikan, die Motive der kommunistischen Partei

Die zwischen Peking und dem Vatikan getroffene Abmachung wird wie immer nur aus westlicher Sicht erklärt. Dass der Vatikan die Bischofsernennungen an sich ziehen will, ist plausibel. Aber warum macht Peking mit einem Kirchenoberhaupt einen Vertrag, das gerade mal für 12 Millionen Katholiken in China steht?

Europa findet das Interesse Chinas

Es ist nicht nur die lange Geschichte der Chinamission, Ende des 16.Jahrhunderts fand der Jesuit Matteo Ricci Zugang zum Kaiserhof, weil die Chinesen an seinen astronomischen Berechnungen großes Interesse hatten. Ihre Religion zentriert sich auf die Verehrung der kosmischen Kräfte. Auch der heutige Staatschef Xi Jinping ist von dem Katholizismus beeindruckt, neben dem Schulsystem auch von Führungsstruktur der katholischen Kirche. Offensichtlich ist der Kommunistischen Partei bewusst, dass sie eine Antwort auf die Hinwendung zum Christentum finden muss. Dies erklärt auch, warum die Partei die muslimischen Uiguren massiv bedrängt - die Chinesen wenden sich, wenn, dem Christentum zu.

Klare Kompetenzverteilung gegen das Gewirr der Freikirchen

Die Chinesen, so ein Beobachter, schätzen transparente Hierarchien und damit identifizierbare Ansprechpartner. Mit einer solchen gesellschaftlichen Größe kann eine strikt hierarchisch strukturierte Partei besser umgehen, als mit den Freikirchen. Diese sind wegen ihrer Missionsmethoden sehr viel erfolgreicher als die Katholische Kirche. Ihre Prediger fahren meist unerkannt durch das Land, die Gläubigen versammeln sich in Wohnungen. Eine solche Bewegung unter Kontrolle zu halten, ist sehr viel schwieriger. Zudem gehen von einer hierarchisch strukturierten Kirche sehr viel weniger demokratische Impulse aus als von den in kleinen Einheiten organisierten Freikirchen. Zudem ist in der katholischen Kirche der Einfluss der USA sehr viel geringer als bei den Freikirchen.

Die gesellschaftliche Integration

Nicht nur durch die Bischöfe, sondern auch durch ihre Bildungs- und Sozialeinrichtungen wirkt die katholische sehr viel stärker in den öffentlichen Raum. Sie braucht Grundstücke für Kirchen und Heime, Anerkennung für die Schulabschlüsse und eigene Hochschulen für Theologie und Sozialberufe. Der Parteichef selbst soll das Schulsystem, das die katholische Kirche durch ihre Orden auf Taiwan betreibt, bewundern. Die katholische Kirche hat auf mittlere Sicht ihre Erfolge fast immer durch die Schulen erzielt. So erhofft man sich bei den Katholiken  in China mehr Möglichkeiten, Schulen und Hochschulen zu eröffnen. Das alles klingt aus europäischer Sicht wie selbstverständlich. Aber warum erklären die Kommentatoren nicht, wieso die Partei gezwungen ist,  sich mit dem Christentum zu arrangieren.

Orientierung nach Westen und personale Gottesbeziehung

Die Ergebnisse, die der Vatikan aushandeln konnte, machen ihn von den Personalvorschlägen der Partei abhängig. Wahrscheinlich wird man sich aber vorher, wie schon bisher in Personalentscheidungen abstimmen, denn was sollte Diplomaten nicht an einem geschickteren Vorgehen hindern. Man muss ja den Fall eines hohen Beamten über die Medien klären, wie man das von einer immer kurzatmigeren Politik schon für "normal" hält. Die ebenso kurzatmigen Kommentare in den hiesigen Leitmedien zeigen, dass man noch nicht einmal bis morgen weiter denkt. Es gibt nämlich eine Hinwendung weiter Kreise Chinas zum Westen. Das ist eine gegenteilige Bewegung als in der Bevölkerung Russlands. Diese distanziert sich vom "dekadenten Westen". Die Chinesen sind nicht nur als Touristen hier, sie wollen auch die westliche Religion kennenlernen. Wenn sie dann in den Ansprachen erfahren, dass ein personaler Gott die Menschen persönlich meinen kann, bricht Religion neu auf. Denn die Chinesen hatten bisher nur eine kosmische Religion, die sich u.a. darin ausdrückt, dass man am Tempel sein Schicksal erfahren will, aber nicht geahnt hat, dass Gott den Menschen befreit, ihn persönlich zu einem erfüllten Leben führt und ihn sogar von seiner Schuld entlastet.
Aufschlussreich ist die Information, dass die Hinwendung zu einem persönlichen Gott nicht in Richtung Islam tendiert, der über die Seidenstraße und das mongolische Reich China seit Jahrhunderten näher ist. Nach Aussage von Kennern tendierenden Chinesen nicht zu dieser Religion, weil sie sich von der Gewalt abgestoßen fühlen. Auch das Christentum wurde lange abgelehnt und sogar bekämpft. Denn es kam erst mit den Kolonialmächten und wurde deshalb so entschieden abgelehnt, weil die kommunistische  Partei das Erbe der Kolonialisierung abschütteln wollte. Jetzt dreht sich der geistige Kompass, nicht zuletzt mithilfe der USA, in Richtung Europa.

Afrika und China als Zukunftsregionen des Christentums

Es könnte gut sein, dass man in 100 Jahren sagen wird, mit der Unterschrift unter einen eher unscheinbaren Vertrag habe sich die geistig-religiöse Welt neu gruppiert. Das im Westen erlahmte Christentum findet in Afrika und in China neuen Nährboden. In Indien hat die Elite den Hinduismus als weltanschauliche Basis der Gesellschaft gewählt und daher nicht wie die kommunistische Partei für die Religion einen großen Leerraum zurückgelassen.



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