(explizit.net)Warum die Lokführer gegen sich selber streiken
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Die Pendler und Geschäftsreisenden haben scheinbar nur Ärger durch den Streik. Die Lokführer haben wenigstens frei. Aber das Streikgeld haben sie vorher selbst in die Kasse der Gewerkschaft eingezahlt. Es ist ihr eigenes Geld – für was geben sie es aus? Sind am Ende die Bahnkunden die lachenden Dritten?
Die Lokführer tragen den größten Schaden
Sie brauchen nicht nur mehr Gehalt, sondern deutlich viel verbesserte Arbeitsbedingungen und eine Frühverrentung. Etwas mehr Lohn und weniger Wochenarbeitszeit reichen nämlich nicht. Anders als die Feuerwehr oder die Polizei haben sie nicht die Bedingungen, die für Schichtarbeiter dringend notwendig sind. Sie müssen nach der Gesetzeslage bis 67 arbeiten. Zudem beginnt ihre Schicht nicht zu einer bestimmten Zeit, sondern dann, wenn der Güter- oder der Nachtzug losfahren sollen. Das belastet die Gesundheit stärker, als wenn die Schicht immer zur gleichen Stunde beginnt. Was überhaupt nicht thematisiert wird: Die Lokführer sind die Hauptleidtragenden der hohen Selbstmordrate in Deutschland. Auch die Kirchen sollten ihre Sorge auf die Lokführer ausweiten. Denn anders als bei Straßenunfällen oder Selbstmorden in Wohnungen werden sie nicht von der Notfallseelsorge betreut. Sie bräuchten aber direkte Hilfe, damit sie mit dem Schock fertig werden.
Würden sie nur für sich selber streiken und nicht dafür, dass ihre Gewerkschaftschef die Mitgliederzahl durch die Schaffner vergrößern kann, wären sie viel durchschlagskräftiger. Man hört erstaunlich wenig darüber, dass die Mitgliederzahl der GDL steigt. Eigentlich müssten die Schaffner in Scharen zur GDL überlaufen. Wenn aber die Schaffner weiterhin bei der Eisenbahnergewerkschaft bleiben, dann schwächen die Lokführer ihre Position in zukünftigen Arbeitskämpfen. Sie sind nur so lange in der GDL stark, als diese möglichst für alle Mitglieder der Berufsgruppe sprechen kann. Mehr Schaffner in der GDL werden auf jeden Fall das Gewicht der Lokführer verringern.
Der Arbeitgeber wird Arbeitsplätze abbauen
Die nicht enden wollenden Streiks führen dazu, dass der Güterverkehr zwar weiter auf den Schienen der Bahn rollt. Aber er wird von anderen Bahnunternehmen abgewickelt. Das kann man an den Hauptstrecken des Güterverkehrs gerade während des Streiks beobachten. Es rollen erstaunlich viele Güterzüge, jedoch kaum ein Personenzug. Da im Regionalverkehr das Monopol der Bahn längst Geschichte ist, werden die Länder eher bereit sein, Konkurrenten der Bahn Verbindungen zu überlassen. Das hat für die Arbeitnehmer eine langfristig wirkende Konsequenz: Je mehr Arbeitgeber sich Anteile am Bahnverkehr sichern, desto geringer die Chancen der Lokführergewerkschaft.
Die Bahn wird als Unternehmen geschwächt
Hört man dem GDL-Vorsitzenden reden, dann scheint er davon auszugehen, dass er einen Monopolbetrieb bestreikt. Diesen schafft er aber mit den Streiks gerade weiter ab. Man stelle sich zum Vergleich vor, dass die Post so lange bestreikt würde. Die Konkurrenzunternehmen hätten ihr längst die Großkunden abgejagt. Das geht im Bahnverkehr nicht so schnell, aber die Streiks werden nicht aus dem Gedächtnis ausradiert werden. Welches Interesse haben die Lokführer daran, bei einem Unternehmen zu arbeiten, das Marktanteile abgeben muss?
Der Kampf zwischen DGB und Beamtenbund
Die EVG, die größere der Eisenbahngewerkschaften, agiert unter dem Dach des DGB, während die GDL sich unter das Dach der Beamtenbundes begeben hat. Dass der Beamtenbund die GDL auch finanziell unterstützt, um seine Mitgliederzahl auf Kosten des DGB zu erhöhen, gibt den Streiks noch einmal eine besondere Dynamik. Aber was haben die Lokführer davon?
Was will die Bahn erreichen?
Dass ein Gewerkschaftschef durch Streiks die Durchschlagskraft seiner Gruppe erhöhen will, kann man noch verstehen. Er hat als Funktionär nichts zu verlieren. Zudem ist er jeden Tag in den Medien präsent. Aber was die Bahn mit den wiederholten Streiks erreichen will, ist völlig unklar. Sie kann sich auf den Rückhalt sowohl des DGB wie der Regierung verlassen und in Ruhe auf eine gesetzliche Regelung warten. Die Politiker, die auf Landesebene den Regionalverkehr bestimmen, indem sie die Zugverbindungen an konkurrierende Unternehmen vergeben, müssen den Unmut der Bahnkunden in Rechnung stellen. Auf jeden Fall ist die Bahn als Unternehmen zusammen mit ihren Lokführern der Hauptverlierer, denn sie hat Vertrauen verloren.
Unfriede zwischen der Bahn und ihren Lokführern
Es bewährt sich die Erkenntnis: Partner, die nur zusammen Erfolg haben können, also das Unternehmen und seine Angestellten, können sich nicht so auseinanderdividieren lassen, dass ein Kompromiss nicht zu finden ist. Das aber genau besagt auf der einen Seite die Ablehnung eines Schlichters durch die GDL. Zum anderen müsste die Bahn ihre Interessen nicht auf dem Rücken der Pendler durchsetzen. Sie könnte in Ruhe auf die Politik warten. Die Hauptverantwortung trägt immer die Unternehmensleitung. Wenn die Lokführer gegen ihre eigenen Interessen trotzdem ihrer Gewerkschaft so deutlich die Stange halten, dann muss etwas im Argen liegen. Offensichtlich werden mit dem Streik Unzufriedenheiten deutlich, die die Unternehmensleitung zu lange hat schmoren lassen.
Die Gewinner sind die Bahnkunden
Im Moment scheint es so, dass die Bahnkunden die Hauptverlierer sind. Auf die Dauer werden die Streiks jedoch zu mehr Konkurrenz auf der Schiene führen. Die Frage, ob die Bankkunden tatschlich ein Monopolunternehmen brauchen, lässt sich klar mit Nein beantworten. Also streiken die Lokführer zwar gegen sich selbst, aber immerhin für mehr Konkurrenz auf der Schiene und damit für die, die wie der Autor, nicht mit dem Auto in Staus stehen wollen. Mit dem Streik im Mai 2015 wird sich Vieles ändern. Der Bahnvorstand, der psychologisch die Lokführer nicht für ein Einlenken gewinnen konnte, hat die Zukunft des Unternehmens verspielt, aber genau das erreicht, was Bankkunden schon lange erwarten: Mehr Auswahlmöglichkeiten auf der Schiene – und damit mehr Pünktlichkeit und saubere Klos in den Regionalzügen.
<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>
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