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Missbrauch - 5 Jahre danach

(explizit.net/ kath.de) Kath.de-Kommentar:Es geht um Minderwertigkeitsgefühle und dann erst um Sex

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Im Januar 2010 hat der Rektor des Jesuitenkollegs in Berlin Sexuelle Übergriffe auf Schüler öffentlich bekannt gemacht. Für die katholische Kirche bedeutete das einen Absturz ihrer gesellschaftlichen Reputation. Obwohl keine Institution in der Prävention inzwischen so viele Maßnahmen ergriffen hat, bleibt der Makel "Kinderschänder" an ihr haften. Was sind Gründe für dieses Desaster und was ist nach den fünf Jahren deutlich geworden?

(explizit.net/ kath.de) Kath.de-Kommentar:Es geht um Minderwertigkeitsgefühle und dann erst um Sex

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Im Januar 2010 hat der Rektor des Jesuitenkollegs in Berlin Sexuelle Übergriffe auf Schüler öffentlich bekannt gemacht. Für die katholische Kirche bedeutete das einen Absturz ihrer gesellschaftlichen Reputation. Obwohl keine Institution in der Prävention inzwischen so viele Maßnahmen ergriffen hat, bleibt der Makel "Kinderschänder" an ihr haften. Was sind Gründe für dieses Desaster und was ist nach den fünf Jahren deutlich geworden?

Die Institution hat die Täter gedeckt

Zwar war es nicht wie bei der Odenwaldschule, dass die Spitze der Institution in den Missbrauch verwickelt war, jedoch haben die Personalverantwortlichen der Diözesen und Orden die Priester, welche die Distanz zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen überschritten hatten, nicht aus ihren sensiblen Aufgabenbereichen herausgenommen. Sie wurden einfach versetzt und auch nicht den staatlichen Gerichten überantwortet. Für dieses Versagen der Institution gibt es mehrere Gründe.

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Die Aufklärung durch die Personalverantwortlichen muss das sonst geltende Solidaritätsgebot beiseite schieben, nämlich dass die Täter Mitglied einer festen Gemeinschaft, eines Ordens oder der Priesterschaft eines Bistums sind. Die Verantwortlichen fühlen sich zuerst einmal dafür verantwortlich, ihre "Mitbrüder", so der interne Sprachgebrauch, zu schützen. Dann ist es eine heikle Problematik, die man besser nicht zum Thema macht. Das hatte zur Folge, dass es keine Vorgehensweise gab, mit solchen Vorkommnissen angemessen umzugehen. Anstatt das Problem aktiv anzugehen, wurde geschwiegen und wurden die Täter einfach nur versetzt.

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Hinzu kam die Peinlichkeit für eine Institution, die in der Öffentlichkeit wegen ihrer strikten moralischen Vorgaben zur Sexualität angegriffen wurde. Wie konnte sie zu den Übergriffen öffentlich stehen, ohne dass sie zugleich der Irrigkeit ihrer Vorstellungen zur Sexualität überführt würde. Das zentrale Personal, das über die für die Glaubensgemeinschaft entscheidende Ritenkompetenz verfügt, scheitert gerade in dem Bereich, in dem die Katholische Kirche sich sehr deutlich positioniert hat. Im Kopf der meisten Zeitgenossen stellt sich sofort eine Verbindung her, die sich bis heute nicht aufgelöst hat: Rigide Sexualmoral führt zum Missbrauch. Je rigider, desto gefährdeter: Der Zölibat ist die Ursache. Aber gerade das stimmt nicht:Nur etwa 20% der Täter haben eine verfehlte sexuelle Orientierung.

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Wenn es um Missbrauch geht, sind es erst einmal sexuelle Übergriffe. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass die Täter in ihrer Sexualität gestört und deshalb auf Minderjährige hin orientiert sind. Die Aufarbeitung der Vorfälle zeigt jedoch, dass das Motiv beider Mehrzahl der Täter in einer anderen Persönalichkeitproblematik liegt, nämlich mit Kindern das zu versuchen, was sonst nicht oder zu wenig gelingt. Es geht beim Missbrauch überraschender Weise um Unsicherheit, Schwierigkeiten in der Kommunikation, mangelnde Akzeptanz. Diese sollen dadurch kompensiert werden, indem der Betroffene sich Kinder unterwirft. Das muss nicht im Feld der Sexualität geschehen, es geht auch mit Prügelexzessen. Aber einer Öffentlichkeit diesen Zusammenhang verständlich zu machen, ist nicht zuletzt deshalb schwierig, weil Sexualität mit Zuneigung, Zärtlichkeit und überhaupt den romantischen Gefühlswelten in Verbindung gebracht wird, nicht jedoch mit Machtausübung. Auch das lange öffentlich inszenierte Gerichtsverfahren gegen den Meteorologen Jörg Kachelmann hat für diesen Zusammenhang nicht die Augen geöffnet. Auch die nicht wenigen Filme, die Gewalt im Zusammenhang mit Sexualität darstellen oder das Faktum des Sadomasochismus haben weder die katholische Kirche noch die Medienschaffenden dazu gebracht, sich mit einer Seite des Menschlichen zu beschäftigen, die in der weltweit organisierte Kinderprostitution ihren deutlichsten Ausdruck findet. Dass sowohl von den Kirchen wie den Medien propagierte Gutmenschentum verstellt den Blick auf diese dunklen Seiten der menschlichen Triebstruktur.

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Zölibat und Missbrauch

Die einfache Schlussfolgerung, dass mit Abschaffung des Zölibats auch zugleich die Missbrauchsproblematik gelöst würde, scheint nicht nur beim Zentralkomitee des Laienkatholizismus im Hinterkopf zu lauern, sondern auch bei den der Aufklärung verpflichteten Journalisten. Das ist mit dem Kurzschluss zu vergleichen, man könne das Aidsvirus durch Ausgabe von Kondomen besiegen. Wenn nur etwa 20% der auffällig gewordenen Priester sexuell auf Kinder hin orientiert sind, die anderen, die sich Kinder unterwerfen, aber mit anderen persönlichen Problemen ringen, dann kann die Reaktion der Institution Kirche nicht allein darin liegen, die Kontrollmechanismen zu perfektionieren, sondern auch die Priesterrolle zu entlasten. Es ist auch eine Frage an die katholischen Laien, ob sie tatsächlich den perfekten Priester brauchen, kommunikativ hoch begabt, das absolute Vorbild, den Menschen nahe und möglichst wie ein Familienvater erlebbar, theologisch aufgeschlossen und noch vieles mehr. Hat nicht die ganze Missbrauchsdebatte dazu geführt, dass die Priester wie die Politiker zum Freiwild öffentlicher geäußerter Unterstellungen gemacht werden, weil sie es niemandem recht machen können. Warum sich noch exponieren, wenn man nur mit überzogenen Erwartungen und bei Nichterfüllung mit Prügeln rechnen muss.

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Lernergebnisse: Nicht die Täter, sondern die Betroffenen sowie die Verantwortung der Institution

Es ist deutlich, dass das Problem nicht einfach mit ein paar Regelungen aus der Welt geschafft werden kann. Es gibt aber auch Lernergebnisse. So haben die Jesuiten sich bei der Verarbeitung der Missbrauchsfälle an den Erkenntnissen der USA orientiert:

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- Die Institution muss sich auf die Seite der Opfer stellen.

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- Weiter muss sich die Institution zu ihrer Verantwortung bekennen. Es muss ein öffentliches Schuldeingeständnis geben. Das ist für die Opfer entscheidend. Denn diese tragen die Erfahrung mit sich, dass die Institution die Täter geschützt hat. Dabei geht es nicht nur um die Verletzung des Intimbereichs, sondern um die Erfahrung, dass offensichtliches Unrecht von den Verantwortlichen gedeckt wurde. Dieser falsch verstandene Chorgeist fällt auf die Institution zurück. Nicht nur wird die einzelne Autoritätsperson zum Feind der Minderjährigen, sondern die ganze Institution selbst. Wenn die Heute Verantwortlichen sich zu einem Schuldeingeständnis durchringen, obwohl die Vorfälle länger zurückliegen und sie gar keine persönliche Verantwortung haben könnten, entspannt das die Situation und die Opfer fühlen sich endlich als solche anerkannt. Dass Geld gezahlt wird, hat eher symbolischen Charakter. Mit Geld kann der seelische Schaden nicht abgegolten werden, wohl aber müssen Therapien bezahlt werden.

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- Wie keine andere Institution haben die Kirchen eine für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verpflichtendes Schulungsprogramm eingerichtet. Aus Schaden ist man wirklich klug geworden. Vor dieser Anstrengung scheuen Sportverbände, Heime u.a noch zurück. Sie werden nicht darum herumkommen. Denn die Opfer sind ja Kinder. Sie können das Verhalten des Priesters, Trainer, Erziehers noch gar nicht einordnen. Zudem ist es für die Täter nicht schwierig, den Kindern eine Schweigegebot aufzuerlegen. Deshalb muss das Umfeld sensibilisiert werden, auf Verhaltensauffälligkeiten Dr Kinder zu reagieren.

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Eines lässt sich offensichtlich nicht ändern: Diejenigen, die wohl in der Pubertät eine bestimmte sexuelle Orientierung entwickelt haben, können diese nich ablegen. Die Faktoren, die zu dieser Orientierung führen, sind noch nicht bekannt. Deshalb gibt es therapeutisch bisher nur die Möglichkeit, mit dieser Veranlagung zu leben.da man Kindern. Leicht ein Schwiegen auferlegen kann, melden sich die Missbrauchsopfer meist erst im Erwachsenenalter.

Was durch die mediale Fixierung auf die Priester geschehen ist, bedarf dringend einer Korrektur, nämlich dass die Mehrzahl der Opfer nicht Jungen, sondern Mädchen sind.

<emphasize>Eckhard Bieger S.J./ kath.de-Redaktion</emphasize>


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