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Menschwerdung, nicht Avatarwerdung!

Gibt es Weihnachten, also Inkarnation auch in der digitalen Welt? Das wäre Avatarwerdung. Virtuelle Avatare repräsentieren als Icons, Piktogramme oder animierte Hologramme eine menschliche Person. Der Film „Avatar - Aufbruch nach Pandora“ spielt durch, wenn sich ein Mensch tatsächlich in einen Avatar verwandelt. Das ist aber nicht die Inkarnation, die wir an Weihnachten feiern.

Avatare sind eigentlich ganz praktisch - wie Theatermasken. Man kann hinter einem Avatar seine Identität verstecken, anonym bleiben oder auch mal vortäuschen, jemand ganz anderes zu sein.
Avatare kommen in sozialen Netzwerken vor, in Computerspielen, im Virtual-Reality-Bereich, in der Augmented Reality, in der ganzen Unterhaltungsindustrie. Bunt, animiert, in Frisur, Brille, Haar- und Hautfarbe ähneln sie dem Nativ-User, der sie konfiguriert

Die Pocahontas-Story im Interstellaren

Im Spielfilm „Avatar - Aufbruch nach Pandora des „Titanic“-Regisseurs James Cameron nimmt der Protagonist Jake Sully einen blauen Avatar-Körper an, um in einer fernen Galaxis auf dem erdähnlichen Mond Pandora, Abenteuer zu bestehen. Jakes Bewusstsein erwacht gleichsam in einem neuen physischen Körper. Er verliebt sich in die wunderschöne Häuptlingstochter der Na’vi, und singt mit den anderen des Omaticaya-Stammes unter einem heiligen Baum. New-Age-Kitsch, Pantheismus oder bunte Romanze? Der Film spielte weltweit circa drei Milliarden US-Dollar ein und belegt damit Platz 2 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Der Film hat das gezeigt, was der berühmte, zum Katholizismus konvertierte Medienprophet Marshall McLuhan bereits in den 70ern vorhersah: Die uns erweiternden Technologien werden uns eines Tages eine Vision biblischen Ausmaßes bescheren. Pfingstliche Vernetzung und eucharistische Frömmigkeit werden unser ganzes Sein und Erleben revolutionieren.

„Avatar“ Herabkunft aus dem Himmel

Doch was bedeutet „avatar“? Der Begriff „avatāra“ geht zurück auf die indogermanische Sprache Sanskrit, welche vor 3500 Jahren im Industal, in Nordindien und im Gebiet des heutigen Iran entstand. Avatāra bedeutet so viel wie „Abstieg“ oder „Herabkunft“. Das Göttliche steigt herab in irdische Sphären und manifestiert sich im avatāra. Der auf einer unsichtbaren Flöte spielende Kuhhirte Krishna beispielsweise ist ein solcher avatāra. Kṛṣṇa ist eine Manifestation des Viṣṇu als Retter. Die Bhagavad Gītā enthält seine Offenbarung an Arjuna. Er ist eine von vielen anderen göttlichen Manifestationen innerhalb des polytheistischen Pantheons des Hinduismus. Der Theologe Raimon Panikkar (1918-2010), Sohn einer katholischen Katalanin und eines Hindu, war religiös mehrsprachig, er besaß multiple religiöse Identitäten. Von ihm ist der geheimnisvolle Satz überliefert: „Ich bin als Christ gegangen, ich habe mich als Hindu gefunden und ich kehrte als Buddhist zurück, ohne doch aufgehört zu haben, ein Christ zu sein.“

„Der Herr sei mit euch - und mit deinem Avatar“

Für den Hindu Panikkar war Krishna also ein Avatāra, eine verinnerlichte, immanente und lebendige menschliche Gestalt. Für den Christen Panikkar bedeutete darüber hinaus Inkarnation, dass sich in Jesus Christus nicht nur das Göttliche manifestiert, sondern dass die Liebe Gottes sich in Jesus Christus ganz geoffenbart, Fleisch angenommen, „incarnatus est“, Mensch geworden ist. Jesus Christus ist nicht einer von zig Millionen Nebengöttern, die der Hinduismus kennt, nicht ein Stoßzahn, ein Ohr oder ein Bein eines ominösen Ulimate-Reality-Elefanten, sondern Jesus Christus ist der einzigartige Friedensfürst, der im Neuen Bund die Fülle der Offenbarung ist, die wir als getaufte Christen erfahren, bezeugen und leben.

Das Fest der Feste

Zurzeit wird in Kirchenkreisen viel experimentiert, wie die Vision Marshall McLuhans und James Camerons ins Wohnzimmer geholt werden kann, indem Gottesdienste online gefeiert werden. Vergemeinschaftung und liturgische Angebote werden digital umgesetzt. An Weihnachten feiern Christen, dass Gott nicht nur sein wahres Gesicht gezeigt hat, sondern dass er sich in schlichter Anmut inkarniert hat. Nicht in einem Palast kam der Sohn Gottes zur Welt, sondern in einem einfachen, mehr oder weniger smarten Stall, in einem unbedeutenden Ort südlich von Jerusalem, der mit „Brot-hausen“ übersetzt werden kann. An Weihnachten feiern Christen einmal nicht den Triumph der Robotik, die Möglichkeiten der Digitalisierung, der interaktiven White-Boards oder Touch-Screens, sondern die Tatsache, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Als Christen sind wir nicht nur an Weihnachten eingeladen, uns darauf zu besinnen, was die Einzigartigkeit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus für mich und für uns bedeutet.


Kategorie: Digitalisiert hinsehen.net

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