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Medien: Weltbild – das Weltbild stimmt nicht

(explizit.net)Die gleichen Fehler und die gleiche Entbehrlichkeit wie Schlecker

Das größte kommerzielle Unternehmen der katholischen Kirche hat Insolvenz angemeldet. Die Weltbildgruppe hatte von den Gesellschaftern, der Deutschen Bischofskonferenz und einigen Bistümern sowie der Militärseelsorge eine Finanzspritze bekommen, zugleich verzichteten die Gesellschafter auf die Hälfte ihrer Einlagen. Mehrfach wollten die Gesellschafter die Gruppe verkaufen, auch 2012. Es gab aber niemanden, der investieren wollte. Die Erzdiözese München hat dann die Initiative ergriffen, nachdem das Ursprungsbistum, aus dem die Weltbildgruppe hervorgegangen war, Augsburg, die Segel gestrichen hatte. Es ist dem Bistum hoch anzurechnen, dass es noch einmal einen Rettungsversuch gemacht hat, um die über 6.000 Arbeitsplätze zu erhalten.

(explizit.net)Die gleichen Fehler und die gleiche Entbehrlichkeit wie Schlecker

Das größte kommerzielle Unternehmen der katholischen Kirche hat Insolvenz angemeldet. Die Weltbildgruppe hatte von den Gesellschaftern, der Deutschen Bischofskonferenz und einigen Bistümern sowie der Militärseelsorge eine Finanzspritze bekommen, zugleich verzichteten die Gesellschafter auf die Hälfte ihrer Einlagen. Mehrfach wollten die Gesellschafter die Gruppe verkaufen, auch 2012. Es gab aber niemanden, der investieren wollte. Die Erzdiözese München hat dann die Initiative ergriffen, nachdem das Ursprungsbistum, aus dem die Weltbildgruppe hervorgegangen war, Augsburg, die Segel gestrichen hatte. Es ist dem Bistum hoch anzurechnen, dass es noch einmal einen Rettungsversuch gemacht hat, um die über 6.000 Arbeitsplätze zu erhalten.

Geblendet vom Umsatzzuwachs

Fachleute der katholischen Büchereiarbeit hatten schon vor Jahren auf die Gefahr hingewiesen, dass die beteiligten Bistümer die unterfinanzierte Gruppe einmal auffangen müssten. Aber Weltbild legte doch ständig zu, erhielt bei der Berichterstattung von der Buchmesse jeweils gute Noten im Wirtschaftsteil. Im Aufsichtsgremium saßen die Finanzleute der Bistümer. Offensichtlich war für die Einschätzung des Buchmarktes kein Fachmann hinzugezogen worden. Kirchliche Finanzleute gaben auf das Urteil innerkirchlicher Buchmarktexperten offensichtlich keinen Pfifferling. Deshalb gibt dieser Beitrag deren Informationen und Einschätzungen eine Stimme, denn die Berichterstattung der Wirtschaftsredaktionen ist unzureichend und erweckt den Eindruck, bei einem größeren Zuschuss der Diözesen hätte Weltbild überleben können. Es ist zu zeigen, dass die 60 Millionen bereits falsch angelegt waren. Kaum hatte Weltbild den Betrag erhalten, zeigte sich bereits eine weitere Deckungslücke von weiteren 70 Millionen.

Wie bei Schlecker

Bei dem hohen moralischen Anspruch, den die katholische Kirche in Deutschland an andere stellt, sollte man annehmen, dass das offizielle Profil der Kirche sich in dem Buchangebot von Weltbild widerspiegelt. Die Verlage, die Theologie und Spiritualität pflegen, haben aber durch die Weltbildgruppe keine Unterstützung erhalten. Dazu ein Beispiel: Die katholische und evangelische Medienarbeit gaben 1999 ein Buch heraus. Dieses Buch beschrieb die Orte, von denen das ZDF im Jahr 2000 die sonntäglichen Gottesdienste übertrug. Bei jeder Gottesdienstübertragung wurde auf das Buch hingewiesen. Es ging um eine Geschichte der Kirchen in Deutschland – die Übertragungsorte der Gottesdienste waren entsprechend der Zeitleiste ausgesucht, also ein richtiges Multi-Media-Projekt, für das es obendrein kostenfreie Fernsehwerbung gab. Obwohl das Buch die Auflage von 50.000 überschritt, hatte es zu wenig Appeal für den Weltbildkatalog. Es mussten dann die jeweiligen Medienstellen auf die Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen zugehen, um die Synergien mit dem ZDF auch zu nutzen. Bis heute kann jeder sich überzeugen, dass die von Weltbild nach vorne gestellten Titel fast keine Berührung mit den Anliegen der Kindergärten, des Religionsunterrichtes, der katholischen Bildungsarbeit haben. Die Buchauswahl der Gemeindebüchereien geht in eine ganz andere Richtung. Theologische Bücher werden mehr über Amazon als über Weltbild verkauft. Die katholische Kirche in Deutschland hätte über die Weltbildgruppe genauso Drogerieartikel verkaufen können.

Es gibt noch mehr Vergleiche mit Schlecker: Weltbild hat expandiert, es gibt nicht nur den Weltbildversand, sondern Jokers, buecher.de, dazu Weltbild-Läden an 400 Orten und die großen Hugendubel-Buchhandlungen. Wie Schlecker hat Weltbild keine Qualitätsausstrahlung, sondern über Jahre sich ein Billig-Image zugelegt. Dann doch lieber gleich bei Amazon kaufen. Deren Server „merken sich“, wer schon einmal Theologie oder z.B. etwas von Hildegard von Bingen gekauft hat und schaffen, wie eine Buchhandlung, ein Umfeld entsprechend den Interessen des Käufers. Weltbild hat - wie Schlecker - den Geruch von „billig“ und erwartet, dass man sich vor allem für aktuelle Fantasyliteratur interessiert. Der Umsatz wuchs, aber es wurde allenfalls eine schwarze Null geschrieben. Wie die Banken konnte Weltbild damit rechnen, dass der Steuerzahler für die Risiken aufkommt – hier der Kirchensteuerzahler. Und saßen nicht die Finanzexperten der Bistümer in dem Aufsichtsgremium? Das war doch die beste Risikogarantie für die Geschäftsführung, die unbedingt die Umsatzmarke von einer Milliarde überschreiten wollte. Wahrscheinlich lesen diese Herren und die Medienstabsstelle der Bischofskonferenz Thriller und Fantasy, so dass ihnen gar nicht aufgefallen ist, dass das Weltbild von Weltbild bei der ersten Krise zersplittern würde. Es ist auf jeden Fall wie bei Schlecker: Weltbild wird kaum jemand vermissen. Je mehr im Internet bestellt wird, desto geringer die Perspektiven für das Onlinegeschäft des Buchversenders. Worum geht es aber, ob bei Drogerieartikeln oder Büchern? Doch wohl um Qualität. Hier liegt der entscheidende Punkt: Wenn eine Buchhandlung nicht die Leute beliefert, die viele Bücher lesen, sondern nur die, die hin und wieder Unterhaltungsliteratur kaufen, dann wird die Werbung extrem teuer. Da Weltbild die anspruchsvollen Leser gar nicht angesprochen hat, blieb der Umsatz je Kunde viel zu gering. Das ist bei Büchern anders als bei Drogerieartikeln.

Bücher sind nicht Internet oder Fernsehen

Wer in unserer Kultur etwas tun will, ohne sich zu sehr anstrengen zu müssen, hat seit den sechziger Jahren das Fernsehen und jetzt das Internet. Bei beiden kann man zappen bzw. schnell auf eine andere Seite gehen. Bücher kann man nicht „zappen“. Sie brauchen ein kulturelles Umfeld, das die höhere Aufmerksamkeitsleistung unterstützt. Wir verzeichnen, auch bedingt durch das Smartphone, einen Zusammenbuch der Lesekultur in Deutschland. An den Buchumsätzen ist es noch nicht so deutlich geworden, aber die Verlage haben es im letzten Jahr schmerzlich gespürt. Vor allem die Jüngeren erkunden die Weiten des Internets, Lesen wird als zu anstrengend empfunden, eine längere Konzentrationsleistung wird immer weniger aufgebracht. Da hätte Weltbild es mit Drogerieartikeln einfacher. Bücher verkaufen sich nicht so einfach wie Haarwaschmittel. Ihre Zahl ist wesentlich geringer und man kann kostengünstiger für diese werben als Weltbild mit seinem Katalog.

Der Katalog als Bumerang

Weltbild unterschied sich von den Buchclubs dadurch, dass es zu keinem monatlichen Kauf verpflichtete. Am Anfang war das für die Kunden sympathischer als auf jeden Fall monatlich ein Buch zugeschickt zu bekommen. Deshalb musste man die Kundenbindung verstärken und zugleich möglichst viele Titel anbieten, wollte man zu entsprechenden Umsatzzahlen kommen. Weltbild setzte auf einen Bestellkatalog. Der musste aber in sehr viele Haushalte gelangen. Dafür muss er gedruckt und versandt werden. Es sind keine Zahlen veröffentlicht, aber jeder kann sich ausrechnen, was ein Kunde kaufen muss, damit sich der Versand des Katalogs lohnt. Das zwingt zu Titeln, die möglichst viele kaufen. So kam es, dass die katholische Kirche zu einem der Hauptvermarkter der Fantasy- und Thriller-Titel wurde. Das führte wiederum dazu, dass die kirchlichen Büchereien noch mehr auf Distanz gingen. Das geht jetzt über Jahrzehnte, ohne dass die Mitglieder des Aufsichtsrates das bemerkt hätten. Die Bistümer haben allerdings die Zuschüsse für die Büchereien erheblich gekürzt und die zentrale Einkaufs- und Fortbildungsstelle mit ihren qualifizierten Buchempfehlungen, den Borromäusverein, ausgetrocknet. Die Parallelorganisation für die bayerischen Diözesen, der Michaelsbund, hat seine Position behalten. Man hat wohl kirchlicherseits so gedacht: Der Katalog von Weltbild kommt ja in viel mehr Haushalte als man das über die Pfarrbüchereien bewerkstelligen könnte. Aber auch hier hat der Aufsichtsrat nicht bemerkt, dass immer weniger Leute, die anspruchsvolle Bücher lesen wollen, auf den Katalog mit einer Kaufentscheidung reagieren. Jeder kann im Bekanntenkreis Personen finden, die den Katalog weiter erhalten, ohne seit Jahren ein Buch bestellt zu haben.

Der Markt „entweltlicht“ die katholische Kirche in Deutschland

Weltbild ist von seinem Angebot her und seiner mangelnden Einbindung in das katholische Bücherei- und Bildungssystem ein rein „weltlich Ding“. Niemand in der katholischen Kirche braucht Weltbild, um an religiöse Bücher zu kommen. Die Verlage, die für theologische und spirituelle Titel sowie für anspruchsvolle Kinderliteratur sorgen, sind vom Image her bei Amazon sehr viel besser aufgehoben. Auf Weltbild trifft auf jeden Fall das Diktum Benedikts XVI. zu, die deutsche Kirche müsse sich „entweltlichen“. Jetzt macht es der Markt, denn Weltbild stranguliert sich mit seinem Katalog, hat keine Rücklagen, um Marktschwankungen auszugleichen und hat mit der kirchennahen Leserschaft praktisch nichts zu tun. Es gab bereits 2011 aus dem Umkreis des Papstes einen Vorstoß, dass sich die Bistümer von Weltbild trennen. Damals wurde das Argument in die Welt gesetzt, über die Versandbuchhandlung könne man pornographische Werke bestellen. Das liegt einfach daran, dass Weltbild alle Titel der Sortimenter liefern muss, will es nicht ein Spezialanbieter sein. Die hier vorgetragenen Analysen zeigen, dass es nicht das Randthema „Pornographie“ ist, die man auch bestellen kann, sondern ein Buchangebot, das immer weniger mit den Themen der Kirche zu tun hat.

Vernichtung der kleinen Buchhandlungen durch die Weltbild-Läden

Die Folgeschäden bemessen sich nicht nur nach den 60 Millionen, die zur Verfügung gestellt wurden, sondern sie treten auch bei den Buchhandlungen und dem Ausstieg der deutschen Kirche aus der Leseförderung auf. Vor allem in Klein- und Mittelstädten wurden bis jetzt etwa 400 Weltbild-Läden eingerichtet, nicht zuletzt, um die Käuferschichten zu erreichen, die nicht bei einem Versandhändler bestellen. Das Sortiment war einfach das des Katalogs, denn da braucht man nur Personal, das die Kasse bedienen kann. Dass eine Buchhandlung ein Kulturfaktor ist und sich durch eine sorgfältige zusammengestellte Buchauswahl präsentieren muss, galt für Weltbild nicht. Statt mit seinem Angebot zu überraschen, wurde die Massenware in die Regale gestellt. Dass die kleinen Buchhandlungen, die von Familien teils über Generationen betrieben wurden und die sich tatsächlich um die Lesekultur gekümmert haben, damit in den Ruin getrieben wurden, mag ein Ratschlag von McKinsey sein, von der sich die Bischofskonferenz seit Jahren beraten lässt. Das hat selbst die SED nicht gemacht, da gab es Inhaber-geführte Buchhandlungen, auch von katholischen Buchhändlern.

Leseförderung braucht die katholische Kirche offensichtlich nicht mehr

Mit dem Austrocknen des katholischen Büchereiwesens hat man nicht nur die Erreichbarkeit des religiösen Buches erheblich abgebaut, denn in den Weltbildläden gab es ja die ins Esoterische tendierende Massenware. Man hat vor allem die Hinführung zum Buch seitens der offiziellen Kirche als nicht mehr zeitgemäß deklariert. Trotzdem halten die katholischen Büchereien durch, indem sie mit Kindergärten und dann mit den Grundschulen kooperieren, so dass die Kinder in dem Alter, in dem sie am meisten lesen, schon an die Bücherei herangeführt waren. Dass diese Büchereien vor Weihnachten Buchausstellungen mit Verkauf koppeln und so anspruchsvolle Literatur in die weihnachtliche Lesezeit schleusen, muss den Mitgliedern des Weltbildaufsichtsrates verborgen geblieben sein. Wenn man die Titelliste dieser Ausstellungen mit der des Weltbildkatalogs vergleicht, wird man kaum eine Überschneidung feststellen. Trotzdem haben die Verantwortlichen der Kirche auf Weltbild gesetzt und nicht auf das Engagement vor Ort. Dass die Leseförderung durch die Bertelsmannstiftung erheblich voran gebracht wurde, hat auf katholischer Seite keinen Ehrgeiz geweckt. Von irgendeiner solchen Initiative aus der Weltbildgruppe war noch nie zu hören.

Weltbild ist nicht überlebensfähig

Der als „Sanierungsexperte“ bezeichnete Josef Schultheis gibt dem Versandhandel von Weltbild eine Überlebenschance. Aber warum finden sich - wie bei Schlecker - keine Investoren? Geld gibt es doch zu extrem günstigen Zinsen. Deshalb sollte man den Bistümern nicht vorhalten, sie müssten noch mehr Millionen bereitstellen. Allein die Mitarbeiter könnten fordern, dass es eine ordentliche Auszahlung für sie gibt. Das Versäumnis der Bistümer und ihrer Bischofskonferenz als Gesellschafter besteht nicht darin, dass sie jetzt nicht mehr Geld einem Unternehmen nachwerfen, das der Markt genausowenig vermissen wird wie die Schlecker-Drogerien.

<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>


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