Das Krankenhaus ist einer der zentralen Orte christlicher Caritas. Als die katholischen Krankenhäuser von Ordensleuten getragen wurden, hatten diese als Pflegende Nähe am Menschen. Da sie im sog. „Geteilten Dienst“ den ganzen Vormittag und dann wieder nach der Besuchszeit auf ihrer Station waren, blieben sie immer erreichbar. Es waren nicht nur Worte sondern die Nähe zu religiös geprägten Menschen, die einem katholischen Krankenhaus seine besondere Atmosphäre gaben. Die Schwestern wie auch die Krankenbrüder ließen die Patienten an ihren Gottesdiensten teilnehmen, die oft aus dem Krankenzimmer über Lautsprecher und sogar den Bildschirm mitverfolgt werden können.
Nicht mehr die Pflege, sondern die Medizin bestimmt das Krankenhaus
Da die medizinischen Möglichkeiten noch in den siebziger Jahren weit hinter den heutigen zurücklagen, hatte die Pflege ein sehr viel größeres Gewicht. Auch die längere Verweildauer der Patienten bettete diese in ein religiöses Umfeld ein. Heute ist das Krankenhaus von den medizinischen Verfahren, der größeren Zahl von Geräten, den vielen medizinischen Verfahren bestimmt, die der Patient sozusagen durchlaufen muss. In die medizinischen Behandlungsschritte ist die Pflege eingebunden. War sie früher mehr an der Betreuung des Patienten orientiert, ist sie heute sehr viel mehr ausführendes Organ der medizinischen Abläufe. Das ist durch eine Umorientierung des gesamten Krankenhausbetriebes bedingt. Das Krankenhaus war zuerst dafür da, dem Patienten ein Umfeld zu schaffen, in dem Heilung besser ermöglicht wurde. Beispielsweise führten die Magengeschwüre zu einem sechswöchigen Krankenhausaufenthalt, die Patienten machten Rollkuren und wurden ansonsten im Bett versorgt. Heute ist das ganze System auf kurze Verweildauer umgestellt, die durch möglich geworden sind, dass die Diagnose sehr viel umfassender und schneller zu Ergebnissen führt, die mit einer gezielten Therapie angegangen werden. Die Ärzte sind sehr viel mehr spezialisiert und die Abläufe standardisiert. Das wurde einmal durch die Einführung der Fallpauschale vorangetrieben. Das Krankenhaus wird nicht mehr nach den Belegtagen refinanziert, sondern durch Fallpauschalen, für jede Krankheit wird ein fester Betrag gezahlt. Je gezielter die Therapie eingesetzt wird und je aktivierender die Pflege ist, desto geringer die Verweildauer der Patienten und desto gesicherter die Refinanzierung. Die Optimierung der Abläufe erleichterte die Einführung eines Qualitätsmanagements, welches jeweils dazu zwingt, die Abläufe genau zu dokumentieren und zu standardisieren. Diese Konzeption des Krankenhauses hat dazu geführt, dass die Ausgaben für ärztliche Leistungen erhöht und die für die Pflege gekürzt wurde.
Vom Krankenhausaufenthalt zum Therapieprogramm
Mit der an der Medizin orientierten Konzeption des Krankenhauses und der Optimierung der Abläufe hat sich die Verweildauer der Patienten erheblich reduziert, meist um mehr als 50%. Man kann nicht mehr von einem Aufenthalt sprechen, so wie man für eine bestimmte Zeit eine Ferienwohnung oder ein Hotelzimmer bezieht. Aus dem Krankenhausaufenthalt ist eine Abfolge therapeutischer Maßnahmen geworden. Sind sie abgeschlossen oder werden sie in einem Reha-Zentrum fortgesetzt, verlässt der Patient sein Zimmer, das Bett wird in die Bettenzentrale gebracht und für einen neuen Patienten bereitgestellt. Weil der Patient nicht mehr in ein pflegerisches, religiös geprägtes Umfeld eingebettet ist, sondern sich in einen medizinischen Ablauf einfügen muss, funktionierte die bisherige religiöse Betreuung nicht mehr wie früher. Die Krankenhausseelsorge hat sich frühzeitig umgestellt.
Von der sakramentalen Versorgung zur Seelsorge durch Gespräche
Wie die Pastoral, die im19. Jahrhundert entwickelt wurde, auf die Spendung der Sakramente konzentriert war, häufige Beichte und Messbesuch am Sonntag und möglichst auch an Werktagen, so auch die Krankenhausseelsorge, für die das Sakrament der Krankensalbung eine besondere Bedeutung hat. Krankenhausseelsorge brauchte damals mehr als heute den Priester, der die Sakramente möglichst häufig spendete, auch den Kranken ans Bett brachte. Das können aber auch Nicht-Priester. Das funktionierte so lange, als die Krankenhäuser sich vorrangig als Dienstleister für die Katholiken verstanden. Wegen der größeren konfessionellen Durchmischung der Bevölkerung, dem öffentlichen Auftrag eines Krankenhauses und dem Zuzug vieler anderer Religionsangehöriger ließ sich das am Sakramentalen orientierte Modell der Krankenhausseelsorge nicht mehr durchhalten. Zugleich kamen von den USA und Holland schon in den siebziger Jahren Impulse für ein intensives und längeres Seelsorgsgespräch. Das Clinical Pastoral Training ist vor allem eine Gesprächsausbildung, in der sich der Seelsorger und Seelsorgerinnen als Zuhörende verstehen, wichtige Aussagen des Klienten mit eigenen Worten wiedergeben und damit das weitere erzählen erleichtern. Die Einführung dieser Seelsorgeform geht auf Ausbildungszentren beider Kirche zurück. Dieser seelsorgliche Dienst setzt nicht mehr ein konfessionell homogenes Krankenhaus voraus, in dem Katholiken nach den katholischen Standards betreut werden und ist damit bei den meisten Kliniken nicht-konfessioneller Träger akzeptiert, hilft doch diese Gesprächsmethode, Ängste abzubauen, lange Unausgesprochenes aus der eignen Biographie zu artikulieren und auch mit negativen Befunden fertig zu werden.
Als Resümee könnte man festhalten, dass das Liturgisch-Sakramentale der Klinikseelsorge zurückgetreten ist und der spirituell-religiösen Begleitung sehr viel mehr Raum gibt, nicht zuletzt, weil dem Einsatz in Krankenhausseelsorge meist ein längerer Kurs als Clinical Pastoral Training vorausgeht. Diese qualifizierte Ausbildung hat die Krankenhausseelsorge für viele engagierte Seelsorger und Seelsorgerinnen Anziehungskraft gegeben. Waren früher eher ältere Priester im Einsatz, hat sich das Durchschnittsalter des Personals erheblich verringert. Auch Schwestern aus den Ordensgemeinschaften, denen früher Seelsorge verwehrt war, sind heute als Seelsorgerinnen tätig.
<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>
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