Ob im Krieg in Palästina oder in unserer überschaubaren Welt, wir erwarten, dass Gott eingreift und die Bösen bestraft, zumindest dem Treiben der Kriegsherren ein Ende setzt. Er müsste allerdings überall auf der Welt ständig eingreifen, denn wir erkennen gerade am immer wieder aufkommenden Gefühl der Rache, dass wir alle gleich sind, ob in Heidelberg oder Nairobi, ob in Washington oder Moskau.
Enttäuschte Liebe
Rache ist umso heftiger, je größer vorher die Liebe war. Deshalb bestimmt nach einer Scheidung oft starke Rache das Grundgefühl. Um das sich Aufschaukeln zu unterbrechen, sagt Jesus: “Wenn Dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.“
Aber was macht Gott, als sein Messias, sein Sohn verhöhnt und dann hingerichtet wird? Es muss dafür doch eine Strafe geben. Wer hätte die Macht, die Mörder zu strafen, wenn nicht Gott. Wir sprechen vom göttlichen Strafgericht. Viele Religionen rechnen damit. Es gab auch Zeiten, in denen die Christen davon ausgingen, dass nur wenige in den Himmel kommen. Das Grundgefühl war: Wir sind Sünder und haben deshalb den Himmel nicht verdient. Gott ist der strenge Richter, der alles kennt, was wir gemacht haben. Diese Vorstellung von Gott hat eine große Angst erzeugt. Gerade diese Angst ließ die Menschen gewalttätig werden. In vielen europäischen Ländern brachen Konfessionskriege aus.
Will Gott, dass wir für ihn die Rache übernehmen?
Wenn heute im Namen Gottes Terroranschläge als heilige Handlung gesehen werden, dann spürt der Terrorist einen Auftrag Gottes. Er weiß, dass er sich damit den Himmel verdient. Ähnlich fühlten diejenigen, die von Pilatus die Hinrichtung Jesu verlangten. Jesus hatte in ihren Augen Gott gelästert. Er hatte von sich gesagt, er sei Gottes Sohn. Damit hat er Gott beleidigt. Diese Beleidigung muss gesühnt werden. “Wir haben ein Gesetz. Nach diesem Gesetz muss er sterben.“ Für Pilatus war die Anklage nicht überzeugend. Jemand, der sich als göttlich bezeichnet, beleidigt in seinen Augen die anderen Götter nicht. Für ihn als Römer gab es viele Götter. Ein Mensch konnte sogar unsterblich werden. Römische Kaiser wurden nach ihrem Tod als Götter verehrt.
Die jüdischen Schriftgelehrten hätten Jesus auch nicht der Hinrichtung überantworten müssen. Sie hätten ihn für verrückt erklären können. Das war jedoch deshalb nicht möglich, weil Jesus kein Spinner war. Er hat keinen Unsinn geredet. Auch heute erkennen wir: Er trifft den Nagel auf den Kopf. Er hat uns durchschaut. Zudem ist er bei den Leuten angekommen. In der Bibel wird berichtet, was sie über Jesus gesagt haben: “Er redet nicht wie die Schriftgelehrten.” Die Schriftgelehrten wurden deshalb Gesetzeslehrer genannt, weil sie wie Juristen heute genauer sagen konnten, welches Gesetzt für einen konkreten Fall angewendet werden muss. Dabei haben sie sich in Spitzfindigkeiten verloren. Mit der Gesetzesauslegung haben sie dann Gott als einen Gesetzgeber vorgestellt. Man verehrt Gott, indem man seine Gesetze befolgt. Wenn nicht, dann muss man mit Strafe rechnen. Das heißt dann umgekehrt: Wenn ich seine Gesetze befolge, dann muss er mich in seinen Himmel aufnehmen. Kennen wir dieses Gefühl nicht auch. Wenn ich mich an alle Vorschriften halte, dann kann man mir nichts anhaben. Wenn ich jeden Sonntag zum Gottesdienst komme, dann muss Gott mich lieben. Die Propheten haben das schon kritisiert. Sie haben deshalb die Tieropfer abgelehnt. Denn die Menschen können Gott nicht Tieropfer anbieten, wenn sie ihn nicht als den Schöpfer anerkennen, der ihnen das Leben geschenkt hat. Sich Gott zuwenden, kann nicht an Tieropfer delegiert werden. Samuel sagt zu dem von ihm eingesetzten König Saul: „Hat der Herr an Brandopfern und Schlachtopfern das gleiche Gefallen wie am Gehorsam gegenüber der Stimme des Herrn? Wahrhaftig, Gehorsam ist besser als Opfer, Hinhören besser als das Fett von Widdern.“ 1 Samuel 15,22
Jesus sagt noch deutlicher: Wenn ihr euren Mitmenschen in Not liebt, dann kommt ihr in den Himmel.
Gott lässt Bosheit zu
Was ist aber dann mit denjenigen, die ihre Mitmenschen betrügen, mobben, quälen, in den Krieg schicken? Die müssen doch von Gott gestraft werden. Ist nicht Gott auch verpflichtet, die Betroffenen zu schützen, die Armen, denen nicht geholfen, die Sachbearbeiterin, die gemobbt, den jungen Mann, der in den Krieg geschickt wird. Er hat es bei seinem Sohn auch nicht gemacht.
Das ist schwer zu verstehen. Zwar endet das Schicksal Jesu nicht am Karfreitag, sondern mit Ostern. Gott überlässt seinen Messias nicht denen, die ihn verurteilt haben. Er nimmt ihn in die andere Wirklichkeit auf, die größer und von Liebe erfüllt ist. Seine Botschaft verhallt nicht, bis heute stimmen Viele seinem Evangelium zu, auch wenn es sehr anspruchsvoll ist.
Und die Folgen, wenn Gott nicht eingreift Er stimmt die jungen Männer nicht um, so dass sie weiter für den Kriegsherrn sterben. Er lässt Unrecht, Missbrauch, Mord und Totschlag geschehen. Offensichtlich will er, dass wir das selber ändern. Denn die Macht ist den Kriegsherrn nicht von Gott gegeben. Die Macht haben sie von uns. Solange wir, oft aus Angst, gehorchen, gibt es Korruption, verurteilen Richter Unschuldige, müssen junge Männer sterben. Es war bei Jesus noch schlimmer. Pilatus, der Mächtige, wollte ihn nicht töten. Trotzdem hat er ihn von seinen Soldaten kreuzigen lassen. Die Macht ist nicht von Gott gegeben. Sie wird den Mächtigen von den Untertanen und Untergebenen gegeben. Macht hat einer nur so lange, wie sie ihm gegeben wird. Dafür braucht er eine ihm ergebene Geheimpolizei. Indem Gott nicht eingreift, erklärt er die Demokratie als die Form für die Selbstorganisation der Menschen. Dann sind die Wähler dafür verantwortlich, was der Gewählte Gutes oder Schlimmes tut. Trotz der Erklärung der Menschenrechte, trotz aller Beteuerungen sind wir noch lange nicht so weit, Demokratie zu verwirklichen. Das wird an den Wahlen deutlich. Die Wähler geben jemandem die Macht. Noch deutlicher wird des an der Zustimmung zu einem Krieg, den der Machthaber vom Zaun bricht. Wenn die Eltern ihre Söhne hergeben, dann sagen sie Ja zu dem Krieg. Warum soll Gott eingreifen, wenn wir den Missbrauch selbst zulassen und damit auch verantworten. Was im Großen uns vom Fernsehen berichtet wird, passiert auch im Kleinen. Das zeigen die vielen Krimis Damit es auch anders geht, ist Jesus den schweren Weg gegangen. Dass er überzeugt hat, wird an der Reaktion seiner Anhänger deutlich. Sie werden nicht von Rachegefühlen erfasst. Gott rächte unsere Untaten nicht, er nimmt uns aber auch nicht aus unserer Verantwortung. Wenn es Evolution, Entwicklung gibt, dann können wir auf diese Kraft vertrauen. Hat Gott etwas nicht getan, was er hätte tun müssen?
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!