Der zwölfjähirge Jesus unter Schriftgelehrten, Kalkar, Fot:hinsehen.net E.B.

Jesus war ein Millennial

Die Dreißigjährigen werden Millennials, also „Tausender“ genannt, weil sie vor der Jahrtausendwende geboren wurden. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen dem dreißigjährigen Jesus und ihnen.

Sie warten lange zu, sie werden nicht Priester, sie machen es nicht so wie die Führungskräfte in den Unternehmen und Einrichtungen und schon gar nicht wie die Religionsgelehrten. Nicht zuletzt stellen sie hohe ethische Ansprüche.

Spätstarter

Jesus hat lange beobachtet. Deshalb konnte er so treffende Gleichnisse erfinden. Wie viele Dreißigjährige heute hat er das Unternehmen seines Vaters nicht weitergeführt. Er brauchte lange, bis ihm klar wurde, dass er etwas Eigenständiges machen musste. Das fand er nicht in Nazareth. Der Wüstenmensch Johannes unten im Jordantal musste ihm den entscheidenden Kick geben. So wie die Evangelien die Taufszene darstellen, muss Jesus, im Wasser stehend, seine Berufung erst richtig klargeworden sein. Der Täufer hatte das mitbekommen und ihn in seiner Berufung bestärkt. Jesus kehrt dann nicht nach Nazareth zurück. Er beginnt ein neues Leben.

Jesus wird nicht Priester

Was heute von jungen Männer über die Kirche zu hören ist, ähnelt der Reaktion Jesu auf das damals bestehende religiöse System. Die Jungen sagen, dass sie durch die Kirche eher nicht zu Gott geführt werden. Obwohl es viele Fragen gibt, deren Bearbeitung bisher Sache der Kirche war, ist die Nachfrage nach Theologie wie auch nach Philosophie weiter rückläufig. Jesus lernt zwar in der Synagogenschule, ging nicht nach Jerusalem, um bei einem Rabbi zu lernen, sondern in die Wüste, um herauszufinden, wie er seine Mission umsetzen kann. Als er aus der Wüste zurückkommt, geht er gradlinig seinen Weg. Seinen Auftrag hat er ja nicht von einer jüdischen Religionsinstanz, sondern direkt von Gott.

Das Dilemma der institutionalisierten Religion

Wie den heute Dreißigjährigen ist ihm Vieles an der damaligen religiösen Praxis zwielichtig erschienen. Weil er Gott so nahe und der Institution so fern war, konnte er etwas, was keine Institution kann: Die Versäumnisse und das Schuldhafte klar benennen, um zugleich den schwachen Sünder aufzumuntern. Nicht erst am Missbrauch wird deutlich, dass die Institution zu viele Kompromisse machen muss. Der Bischof muss solidarisch mit seinen Priestern sein, sie decken und zugleich "die Sünde aus der Mitte wegschaffen", ein Auftrag, den Jesus aus der jüdischen Bibel kannte. Jesus hat Mitgefühl für den Sünder gezeigt. Würde ein Bischof heute Mitgefühl für einen Missbrauchstäter aus den eigenen Reihen äußern, würde er von einer Feuerwalze der Medien überrollt. Die Institution kann auch zuschlagen. Jesus hat, als die Religionsvertreter die Ehebrecherin zur Steinigung führten, sehr wohl den Mechanismus durchschaut. Wer sich auf die Seite der Ankläger schlägt, lenkt von den eigenen Untaten ab. Die Mechanismen einer Institution lähmen deren Elan. In der Katholischen Kirche ist es wohl nicht mehr das Anschwärzen, das zu Zeiten von Pius X. bis zum Konzil vor 50 Jahren Leuten wie Romano Guardini u.a. drohte, die zu Kirchenvätern der Moderne geworden sind. Heute scheint es, wie im Späten Mittelalter und dann wieder im Barock, die Abhängigkeit vom Geld. Die Katholische Kirche in Deutschland ist wieder so groß geworden, dass das Fortbestehen der Institution vom Geld abhängig gemacht wird. Es überrascht nicht, dass der Synodale Weg um diese Frage einen Bogen macht. 

Jesus hatte wenig mit den Achtundsechzigern gemein

Im Rückblick als Autor auf die eigenen Jahre zwischen Zwanzig und Vierzig stelle ich fest, dass ich anders als Jesus gefühlt habe. Ich bin Priester geworden, weil die Religion Gärtner braucht, die die Pflanzen so pflegen, wie es jede Art braucht. Die Studienjahre fielen in eine kreative Phase der Theologie, die ihren neuen Aufschwung durch die Wiederentdeckung der frühen christlichen Theologen erhielt und sich neu auf die Bibel eingelassen hat. Ich habe noch das starre System der Neuscholastik erlebt und die Notwendigkeit, dieses Korsett aufzubrechen. Offensichtlich reicht die so gefundene und durch das Konzil übernommene gesunde Lehre nicht, um die jetzige Generation zu gewinnen. 

Der hohe Anspruch

Jesus ist in der Religion seiner Eltern aufgewachsen und hat wohl in der Synagoge von Nazareth Lesen und Schreiben gelernt. Er hat gespürt, dass die damaligen Theologen und Religionsführer keine überzeugende Antwort für die Herausforderungen hatten. Er hat aber nicht wie die Achtundsechziger reagiert: „Von dem alten Krempel muss möglichst viel weggeworfen werden. Wir müssen eine moderne Religion schaffen.“ Mir scheint, dass er eher wie die Millennials heute darauf gedrungen hat, zum Kern der Religion vorzudringen, Mediation, Gebet, auf Gottvertrauen und nicht so sehr auf das religiöse Gedankengebäude setzen. Unmittelbarer auf Gottes Willen eingehen, der aus der Situation spricht und nicht über die vielen Vorschriften den Willen Gottes ergründen, die dann doch wieder von Menschen kontrolliert werden. Das damalige Judentum war von vielen Geboten und Regeln für den Alltag bestimmt, die nur noch von den Schriftgelehrten zu überblicken waren. Die konnten auch Ausnahmen genehmigen. Daran hatte Jesu kein Interesse. Deshalb konnte er sagen „Kein Jota von den Vorschriften wird geändert“ und doch die Einstellung, die hinter dem religiösen Regelwerk stand, ablehnen. Jesus verlangte mehr ethischen Einsatz, der sich am Mitmenschen und nicht so sehr an den gesetzlichen Regelungen orientiert.

Wenn wir heute auf die Wirkung Jesu und wie daraus Kirche geworden ist, blicken, dann muss es von den jungen Leuten kommen. Jesus hat ja Jakobus und Johannes, Petrus und Andreas berufen und nicht deren Väter.

Weitere Parallelen zwischen den Dreißigjährigen zeigt der Millennial Matthias A. Schmidt hier auf:
Jesus – wie wir Millennials


Kategorie: Entdecken

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